Agrarforum Niedersachsen ist Energieland, aber es bleibt vor allem auch Agrarland. Diese Botschaft vermittelte das 4. Agrarforum, zu dem Landvolk Niedersachsen und Sparkassenverband gemeinsam nach Hannover eingeladen hatten. Um beiden Ansprüchen sowie den Wünschen nach Klima- und Ressourcenschutz gerecht zu werden, sind erhebliche Anstrengungen zur Steigerung der Produktivität notwendig.
Der Berliner Agrarökonom Prof. Harald von Witzke bezeichnete eine effizientere Agrarproduktion als „zentrales“ Element im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung, den Klimawandel sowie zum Erhalt der natürlichen Lebensräume. Mit einem Produktivitätswachstum könne sich die Welt „mehr von allem leisten“. Der Wissenschaftler skizzierte seine Thesen von einer „dritten grünen Revolution“ und prophezeite der Landwirtschaft, sie werde wieder zu einem prosperierenden Wirtschaftszweig. Mit dieser Botschaft traf er genau den Nerv des Publikums aus Landwirten und Mitarbeitern der Sparkassen.
Heftige Kritik übte von Witzke mit Blick auf die weltweit stark steigende Nachfrage, und dem abnehmenden Produktivitätszuwachs der EU-Agrarerzeugung an dem „virtuellen Landimport“ der Gemeinschaft. Die EU habe sich 2008 zu einem Nettoimporteur von Nahrungsmitteln entwickelt, das Importvolumen im Wert von 45,5 Mrd. US-Dollar beanspruche „virtuelles Ackerland“, das der Fläche Deutschlands entspreche. Vor diesem Hintergrund seien die von der EU vorgestellten Greening-Pläne kontraproduktiv.
Große Chancen für die Agrarwirtschaft leitete Torsten Windels, Chefvolkswirt der NordLB, aus den weltweiten Erzeugungs- und Nachfragetrends auf den Agrarmärkten ab. Die Preise würden sich dauerhaft auf einem höheren Niveau bewegen, wenn auch nicht linear steigend. Nur einen geringen Einfluss maß er der Spekulation bei, die Zahl der Händler sei dazu zu gering. Zusätzliche Impulse erwartete Windels aus der globalen Hinwendung zu erneuerbaren Energien. Nutzungskonflikte müssten, hier lag er mit dem Berliner Wissenschaftler von Witzke genau auf einer Linie, durch Effizienzsteigerungen aufgefangen werden.
Richtiges Konzept
Die Landwirte nehmen die globalen Herausforderungen an, versicherte Landvolk-Präsident Werner Hilse. Er sah die Bedeutung der Landwirtschaft durch die Energiewende gestärkt. Zugleich richteten die Landwirte ihr Augenmerk auf eine nachhaltige Produktion, dies werde in der Öffentlichkeit aber leider häufig nicht erkannt. Die Betriebsleiter seien problembewusst und bereit, versicherte Hilse, beispielsweise mit der Investition in weiteren Güllelagerraum, die Nährstoffproblematik zu entschärfen. Mit dem „richtigen Konzept“ für ihre Investitionspläne sei ihnen heute hier wie bei anderen landwirtschaftlichen Baumaßnahmen die Finanzierung sicher.
Dabei sehen sich die Sparkassen mit ihrer Präsens in der Fläche als starker Partner der Landwirtschaft, verdeutlichte Günter Distelrath, Geschäftsführer des Sparkassenverbandes Niedersachsen. Gefährdungspotenzial für die Kreditsicherung des Mittelstandes sah er in den von der EU geforderten Sicherungssystemen für Banken über Basel III. Auch die im Zuge der Finanzkrise beschlossene Bankenunion lehnte er als „echten Giftcocktail“ ab. Die Sparkassen wollten ihre Sicherungsinstrumente nicht aus der Hand geben.
Nach den Worten von Ulla Ihnen, Staatssekretärin im Niedersächsischen Umweltministerium, entscheidet sich die Energiewende im ländlichen Raum. Nach dem von Niedersachsen erarbeiteten Energiekonzept sollen erneuerbare Energien verlässlich, bezahlbar und umweltfreundlich sein. Als begrenzenden Faktor für den weiteren Ausbau der regenerativen Energie bezeichnete sie den Stromnetzausbau, alle Verantwortungsträger sah sie in der Pflicht, hier für mehr Verständnis zu werben. Niedersachsen wolle dies über Dialogveranstaltungen vor Ort erreichen.
Rückendeckung
Die Politik reklamiere die Erfolge der Energiewende für sich und lasse die Landwirte mit den Problemen allein, bedauerte Landvolk-Hauptgeschäftsführer Jörn Dwehus. Mit ihren Investitionen hätten die Bauern Biogas zu einer Erfolgsgeschichte gemacht. Zur Absicherung der Grundlast sei diese Form der Energieerzeugung erwünscht, aber der zunehmenden Kritik in der Öffentlichkeit müssten sie sich nun allein erwehren. Auch beim Thema Landverbrauch wünschte sich Dwehus Rückendeckung für die Bauern, Standorte zur Energieerzeugung sollten von der Kompensation ausgenommen werden. Die Verknappung des Produktionsfaktors Boden ziehe das Interesse von Investoren nach sich, die positiven Elemente der Energiewende würden durch negative Effekte überlagert, hier setze die Landwirtschaft auf die Unterstützung der Politik.
Die Entscheidung für Bioenergie dürfe den landwirtschaftlichen Betrieb nicht belasten. Diesen Aspekt verfolgt nach Aussage von Olaf Oertzen vom Agrarbanking der NordLB der Fachberater bei der Kreditvergabe. Nach seiner Beobachtung stärkt der Betriebszweig Bioenergie viele landwirtschaftliche Betriebe. Die Windenergie aber sei mittlerweile zu stark in die Hände von Fonds gewandert, gemeinsam mit dem Berufsstand wollte Oertzen sie wieder näher an die Flächeneigentümer gebracht wissen, um die Kapitalrendite den Dörfern zu erhalten.
Br