Deutscher Bauerntag „Veränderung gestalten“ – das Motto sollte Bereitschaft zu Änderungen signalisieren und zugleich entscheidende Mitsprache einfordern. Die Diskussionen in Erfurt zeigten, wie viel Arbeit dafür noch nötig ist.
Von den aktuellen Märkten abgesehen, sieht sich die Landwirtschaft derzeit mit zwei Hauptproblemen konfrontiert. Das eine ist die rasant fortschreitende Regulierungspolitik auf EU-, Bundes- und Landesebene, das andere besteht im Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hat.
Da beide Themenkreise eng miteinander verwoben sind, standen sie zu recht im Mittelpunkt der zweitägigen Beratungen in der Thüringer Landeshauptstadt. Die Veranstaltungsplaner hatten den 600 Delegierten bewusst viel Zeit eingeräumt, um über die eigentlich schon in den Landesverbänden diskutierte „Erfurter Erklärung“ zu reden. Hier sollte Basisdemokratie zum Tragen kommen. Am Ende der zeitweise zähen Detailarbeit stand eine zehnseitige Positionsbestimmung, in der zugleich Forderungen an die Politik formuliert wurden (Kernaussagen siehe Kasten rechts außen, in voller Länge unter www.bauernverband.de/erfurter-erklaerung.).
Dem Thema „Bild in der Öffentlichkeit“ war in der Erklärung kein eigener Absatz zugedacht. Verbandspräsident Joachim Rukwied aber rief seine Berufskollegen dazu auf, selbstbewusst und offensiv die gesellschaftliche Debatte zu führen. Mehr als bisher müsse man künftig „mit den Bürgern und Verbrauchern über das reden, was wir tun, warum wir es tun und mit welchem Hintergrund wir es tun“, sagte er. Es reiche nicht, „nur aus der Defensive heraus zu agieren und Vorwürfen zu begegnen“.
Der Präsident beklagte bereits zu Beginn seiner Grundsatzrede diffamierende und von Unkenntnis geprägte Angriffe auf die Landwirtschaft in Medien und von Nichtregierungsorganisationen. Umso wichtiger sei es, die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung „sachlich und ohne Ideologie“ zu führen.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt kritisierte Rufe nach einer Agrarwende als „inhaltslos“. Stattdessen gehe es darum, notwendige Veränderungen mit den Landwirten und unter Nutzung moderner Technologien auf den Weg zu bringen. Abhilfe verspreche eine einfache Regel: „Bevor jemand über die Landwirtschaft redet, sollte er mit den Landwirten reden.“
Für die Landwirtschaft ist nach Überzeugung Schmidts Transparenz das Gebot der Stunde. Bereits vor dem Bauerntag hatte er öffentlich eine neue Debattenkultur gefordert. Der CSU-Politiker rief zu einem „neuen Dialog in allen Bereichen der Ernährung und Landwirtschaft“ auf, damit man als Gesellschaft eine realistische und nachhaltige Zukunft der Nahrungsmittelproduktion in Deutschland entwickeln könne.
Selbst Schleswig-Holsteins grüner Landwirtschaftminister Robert Habeck beklagte die unsachlichen Auswüchse, zum Beispiel in der Tierschutzdebatte. Seine eigene Partei sei daran mitschuldig, was er nicht hinnehmen, sondern ändern wolle. Politische Arbeit bestehe darin, das Systemische zu ändern und dürfe nicht dazu führen, dass auf Menschen mit dem Finger gezeigt werde, sagte er während einer sehr hitzig und von einigen Delegierten nicht immer sachlich geführten Podiumsdiskussion mit Politikern, Journalisten und Landwirten.
Präsident Rukwied appellierte an seine Berufskollegen, in der Kommunikation gemeinsame Wege zu gehen. Dazu kündigte er ein neues Kommunikationskonzept an. Dieses, nach dem Baukastenprinzip aufgebaute Angebot lasse hinreichend Spielraum für regionale Besonderheiten in der Kommunikation. Das Konzept soll im September an den Start gehen. Die Frage, wie die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft rücken kann, zog sich somit wie ein roter Faden durch den gesamten Bauerntag – nicht immer konnten aber schon überzeugende Antworten gegeben werden.
ste/AgE