Bauern weiterhin voller Erwartungen

Bauern weiterhin voller Erwartungen - Foto: Landvolk
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Landespolitik Fünf Monate ist die Landesregierung im Amt. Haben sich schon erste Erwartungen der Bauern erfüllt? Welche Entscheidungen werden jetzt gebraucht? Fragen an Landvolkpräsident Albert Schulte to Brinke.

Seit Ihrem Amtsantritt waren Sie viel im Land unterwegs. Welche Stimmung trafen Sie unter den Landwirten an?
Ich habe sehr viele Kreisverbände besucht. Die Grünlandbetriebe im Norden haben ganz andere Sorgen als die Ackerbauern in den östlichen Regionen. Dennoch begegnete mir überall viel Zuversicht, dass die Politik problemorientierter als in der Vergangenheit nach Lösungen sucht. Das ist die Hoffnung, mit der die Arbeit der Landesregierung begleitet wird.

Lösungen wofür?
Offene Fragen gibt es derzeit eine ganze Menge. Im Norden sind es zum Beispiel die immensen Gänseschäden, gegen die eben noch immer nicht wirklich etwas unternommen wird. Dazu kommt der Wolf, der die Weidetierhalter immer mehr unter Druck setzt. In den Ackerbauregionen sorgen die Planungen für die Stromtrassen für zusätzlichen Druck. An den Veredlungsstandorten werden praktikable Lösungen für mehr Tierwohl benötigt. Da steht den innovationsfreudigen Berufskollegen aber fast überall noch das Baurecht im Wege, dafür muss vor allem das Bundesrecht einfacher werden. Und alle Landwirte gleichermaßen beschäftigt die neue Düngeverordnung.

Da werden ernste Zielkonflikte sichtbar.
In der Tat. Unsere Ackerbauern zum Beispiel fragen sich sehr ernsthaft, ob es mit diesen Vorgaben zum Stickstoffeinsatz überhaupt noch möglich sein wird, nachhaltig Qualitätsweizen zu produzieren. Schon jetzt ist es schwer, mit Marktfrüchten Geld zu verdienen. Ohne den auf dem Markt nachgefragten E-Weizen würde es noch schwieriger werden. Futterbaubetriebe auf humusreichen Böden müssen befürchten, dass ihnen nicht mehr genügend energiereiches Grundfutter zur Verfügung steht. Das Stickstoff-Nachlieferungsvermögen der Grünlandstandorte scheint hier zu hoch angesetzt zu sein, so dass die Düngung teilweise zu Unrecht eingeschränkt wird. Hierzu laufen derzeit Versuche, um Genaues zu erfahren.

Vorgesehen ist, die Verordnung im Jahr 2022 zu überprüfen. Kann man mit dem Nachbessern so lange warten, wenn solche kritischen Punkte nachweisbar sind?
Wo sich zeigt, dass es in der Praxis nicht funktioniert, muss unverzüglich gehandelt werden. Da können wir nicht drei Jahre einfach so weitermachen. Es ist ja keinem geholfen, wenn wir den Humus aufzehren, weil nicht bedarfsgerecht gedüngt werden kann. Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Humusabbau setzt Kohlendioxid frei und schadet dem Klima.

Der aktuelle Nährstoffbericht hat für Verstimmung gesorgt, weil er die Werte von 2016/17 mit der neuen Düngeverordnung verglich. Was ist falsch daran, das Nährstoffproblem so zuzuspitzen?
Mitunter kann Zuspitzung den Blick ja noch einmal schärfen. Aber dann hätte man auch klar und deutlich sagen müssen, dass die genannten sieben Landkreise nur dann zu „roten“ werden, wenn die Landwirte ihre Wirtschaftsweise nicht an die neue gesetzliche Lage anpassen würden. Fakt ist: Im Zeitraum, auf den sich der Bericht bezieht, hat die Landwirtschaft beim Stickstoff die Vorgaben eingehalten. Sie wird auch alles daran setzen, dass dies auch unter der verschärften Düngeverordnung so bleibt. Es ist vieles im Fluss, die Branche arbeitet an unzähligen Projekten. Ich bin sicher, dass wir schon in diesem Jahr noch deutlich größere Nährstoffmengen in Landesteile mit einem Bedarf an Wirtschaftsdünger verbringen werden. Aus unserer Sicht war diese Zuspitzung unnötig.

In der Berichterstattung wurde die Landwirtschaft unter anderem auch für den Zustand der Oberflächengewässer verantwortlich gemacht.
Das ist besonders ärgerlich, weil gerade dieser Punkt von vielen Medien aufgegriffen worden ist.  Niemand bestreitet, dass Ackerbau und Tierhaltung ihren Anteil daran haben. Aber der ist gering, und die Hauptursachen für Verschmutzungen von Fließgewässern liegen woanders. Es hilft überhaupt nichts, mit solchen schon tendenziösen Aussagen an die Problemlösung gehen zu wollen.

Hatten Sie nicht gesagt, die Zuversicht vieler Landwirte rühre aus der Erwartung, dass nun problemorientierter gehandelt werden soll?
Ja, aber in der Praxis ist das für uns hier nicht so eindeutig erkennbar. Gerade über die Aufgaben, die mit dem Nährstoffbericht zusammenhängen, hätten wir uns vom Ministerium und von der Düngebehörde eine ehrlichere Kommunikation erhofft. Das ging in die falsche Richtung. Erfreulich ist dagegen, dass unsere Wünsche, die Umsetzung der Düngeverordnung nicht mit noch mehr Bürokratie und Meldepflichten zu erschweren, berücksichtigt worden sind. Es ist richtig, vorhandene Daten übereinander zu legen und sich zunächst einmal auf jene Betriebe zu konzentrieren, die sich nicht an Recht und Gesetz halten. Wir brauchen jetzt erst einmal Zeit, diese hochkomplexe Düngeverordnung umzusetzen, und nicht schon wieder neue Auflagen.

Nährstoffe und Bürokratie sind in der Veredelung nur zwei Themen unter vielen.
Gerade die Sauenhalter haben einiges, was ihnen auf den Nägeln brennt. Kastenstandurteil, Kastration und Schwänzekupieren treiben sie nun schon seit vielen Monaten um. Wenn die Maximalforderungen zur Umsetzung kommen, wird es einen Strukturbruch geben – viele kleinere und mittlere Höfe werden aufgeben. Schon jetzt kommt nur noch jedes zweite in Niedersachsen benötigte Ferkel aus eigener Zucht. Wenn es so kommt, wie es sich einige zu wünschen scheinen, dann werden leider vor allem viele kleine Betriebe die Sauenhaltung aufgeben.

Was muss geschehen, um das zu verhindern?
Vor allem muss die Politik nun klarmachen, dass der Abferkelbereich vom Magdeburger Urteil nicht berührt ist. Hier sind alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt, es gibt keinen Handlungsbedarf. Der Schutz der neugeborenen Ferkel hat für die Tierhalter in dieser Phase eindeutig Vorrang vor dem Bewegungsdrang der Sau. Von der Agrarministerkonferenz in Münster erwarten wir hier eine eindeutige Aussage.

Die „Sau raus lassen“, was einige fordern, oder Ferkel vor dem Erdrücken schützen – wäre diese Abwägung nicht ein klassisches Thema für die Gremien des Tierschutzplanes?
Eindeutig. Das ist ganz klar eine Frage der Folgenabschätzung. Deshalb haben wir uns stets dafür ausgesprochen, den niedersächsischen Tierschutzplan zu erhalten, um eine Plattform für genau solche Diskussionen zu haben. In diesen Gremien kann dann auch die Nutztierstrategie entwickelt werden.

Es geht also nicht darum, sich entweder für den Tierschutzplan oder für eine Nutztier­strategie zu entscheiden ?
Nein, eine Nutztierstrategie ist für uns enorm wichtig. Wir müssen wissen, welche Tierhaltung wir in 20 Jahren haben wollen. Aber es gibt eben viele aktuelle Fragen, auf die wir jetzt eine Antwort brauchen. Dafür ist der Tierschutzplan gut geeignet, wenn – wie versprochen – Praktiker mehr zu Wort kommen und eine Folgenabschätzung stattfindet.

Stichwort Ferkelkastration: Wie soll es im nächsten Jahr weitergehen?
Wir hoffen nach dem Verbot des betäubungslosen Eingriffs geradezu inständig auf den sogenannten Schwedischen Weg. Die Schweden werden uns immer wieder gern als Vorbild präsentiert. Warum sollte das in diesem Fall nicht gelten? Dort dürfen Tierhalter nach einer Schulung ihre Ferkel zur Kastration selbst lokal betäuben. Das wurde vorab in einer großen Praxisstudie geprüft. Politiker und Tierschützer haben diesen Weg mitgetragen. Es wird allerhöchste Zeit, dass auch bei uns die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Auf Bundes- und EU-Ebene stehen Glyphosat und Neonikotinoide im Kreuzfeuer. Zeichnet sich ein Umbruch beim chemischen Pflanzenschutz ab?
Dass uns weniger Mittel zur Verfügung stehen, erleben wir ja schon geraume Zeit. Beim Glyphosat wissen wir, dass es keinen Grund für ein Verbot gibt. Da muss man sich die Frage stellen, welchen Wissenschaftlern die Politik glauben will: Denen, die wir aufgrund ihrer Kompetenz selbst ausgesucht haben – wie das damals von den Grünen eingerichtete Bundesinstitut für Risikobewertung – oder solche, deren Referenzen keiner so recht kennt? Ich finde es schade und bedenklich, dass unseren Wissenschaftlern nicht mehr vertraut wird. Bei den Neonikotinoiden scheint die Situation anders zu sein. Wenn es so ist, dass sie große Nebenwirkungen haben, können wir sie nicht mehr einsetzen.

Wie gemischt fällt Ihr Fazit nach fünf Monaten „GroKo“ in Hannover aus?
Es gibt durchaus viele gute Ideen. Eine davon ist ja, den Bau von Lagerstätten für Wirtschaftsdünger zu unterstützen. Allerdings ist die Finanzierung im Landeshaushalt überhaupt nicht angepackt worden. Das Ende der Ausgleichszulage sehen wir nach wie vor sehr kritisch. Und die Diskussion über den Tierschutzplan hätte es aus unserer Sicht nicht geben müssen. Unterm Strich sind unsere Erwartungen noch nicht alle erfüllt. Viele Details lassen sich im Gespräch sicher gut lösen. Wichtig ist uns aber generell, dass auch in die Politik wieder das langfristige Denken und Handeln einzieht, das wir Landwirte für unsere perspektivischen Planungen auf unseren Höfen benötigen.
Interview: Ralf Stephan

siehe auch …
Erwartungshaltung der Bauern bleibt hoch