Deutsche Bauern stark gefordert

Deutsche Bauern stark gefordert - Foto: landpixel
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Vor zwei Wochen hat das Europäische Parlament dem Plan der EU-Kommission zugestimmt, über die so genannte NEC-Richtlinie deutlich strengere Vorgaben zur Luftreinhaltung in Europa zu erlassen. Der folgende Beitrag erläutert, welche Auswirkungen sich für die Landwirtschaft mit Blick auf Ammoniak ergeben könnten.

Jedem EU-Mitgliedstaat wird in der NEC-Richtlinie eine genau festgelegte nationale Obergrenze für den Ausstoß (Emission) verschiedener Luftschadstoffe verordnet. Spätestens 2030 muss Deutschland die geplanten neuen Obergrenzen einhalten. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die deutsche Landwirtschaft besonders stark bei den Reduktionen für Ammoniak (NH3) betroffen. Diese sollen um 39 % gegenüber dem Referenzjahr 2005 gemindert werden, d. h. eine Obergrenze von etwa 407 Kilotonnen (kt) NH3 jährlich.

Schwachstelle Stall
Nach der jüngsten Mitteilung an die EU für das Jahr 2013 liegt derzeit der NH3-Ausstoß in die Atmosphäre bei 671 kt. 94 % bzw. 633.000 t NH3 werden direkt der Landwirtschaft zugerechnet (siehe Tabelle), fast die Hälfte davon der Milchvieh- und Rinderhaltung. Wesentliche Ursache sind Verluste beim Umgang mit Gülle, Jauche und Mist, also im Stall, während der Lagerung und bei der Ausbringung. Auf die Weidehaltung entfielen 2013 dagegen gerade einmal 1,3 % bzw. 8 kt.  Gasförmiges Ammoniak kann auf dem Feld auch nach Mineraldüngung entweichen, vor allem bei harnstoffhaltigen Düngemitteln. 2013 sollen so bundesweit über 146 kt NH3 oder 23 % aller landwirtschaftlichen Emissionen freigesetzt worden sein. Die hohe Verlustrate von Harnstoffdüngern ist für Düngeexperten nicht nachvollziehbar und wird aktuell wissenschaftlich neu geprüft.

Grundsätzlich bestehen zahlreiche technische Möglichkeiten, Ammoniakverluste in der Tierhaltung zu minimieren. Teilweise sind diese bereits verpflichtend, wie z. B. die unverzügliche Einarbeitung von Gülle und Gärresten oder Behälterabdeckung bei Tierhaltungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Nach ersten Abschätzungen können die NH3-Verluste bei Beachtung folgender Vorgaben zusätzlich um ca.115 kt verringert werden:
Ausbringung von Wirtschaftsdünger auf unbestellte Flächen nur mit Direkteinarbeitungsverfahren (z. B. Güllegrubber) oder mit Einarbeitung in weniger als einer Stunde nach Beginn der Ausbringung
Verbot von Prallverteilern; Ausbringung auf bestellte Ackerflächen oder Grünland nur noch mit Schleppschlauch oder -schuh
Einbau von Abluftwäschern – auch nachträglich in bestehende Ställe – bei Tierhaltungen mit mehr als 2.000 Mastschweinen, 750 Sauen oder 40.000 Masthähnchen.

In der Bundesregierung gibt es bereits den Vorschlag, diese Maßnahmen über die Düngeverordnung und die so genannte TA Luft verbindlich vorzuschreiben. Eine lückenlose Umsetzung der rechnerischen Minderung von maximal 17 % wird bis 2030 kaum machbar sein, insbesondere wegen der unverhältnismäßigen Kosten einer Altgebäudenachrüstung oder bei natürlichen Grenzen der Ausbringungstechnik wie in Hanglagen.  Um tatsächlich in Reichweite des Zielwertes zu kommen, wären erhebliche weitere Anstrengungen erforderlich.

Kleine Höfe gefährdet
So gehen die Wissenschaftler davon aus, dass eine verpflichtende Zugabe von Ureasehemmstoffen zu allen harnstoffhaltigen Mineraldüngern 69 kt oder etwa 10 % Minderung erbringen würden. Soll Deutschland eine Minderung über dem EU-Durchschnitt von ca. 27 % hinaus akzeptieren, müssten zusätzliche  Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählen z. B. die Nachrüstung von Abluftwäschern auch bei  kleineren Schweine- und Geflügelbeständen, eine Nachrüstung aller bestehenden Güllebehälter mit Zeltdächern oder Schwimmfolien, eine Einschränkung der Unterstalllagerung von Gülle und die ph-Wert-Absenkung der Gülle vor Ausbringung durch Säurezugabe. Diese Reaktionen würden vollständig auf die Wirtschaftlichkeit auch kleinerer Betriebe mit Tierhaltung durchschlagen – und Existenzen gefährden.

Vorstellungen überzogen
Die endgültige Entscheidung über die zukünftige Ammoniakobergrenze fällt voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahres nach der notwendigen Einigung zwischen Kommission, Parlament und Umweltministerrat. Der DBV hat die Bundesregierung aufgerufen, sich in Brüssel unter den EU-Umweltministern sowohl gegen die Festsetzung von Methanobergrenzen als auch gegen überzogene Vorstellungen bei Ammoniak auszusprechen.

Der DBV und das Landvolk Niedersachsen fordern eine ausgewogene Lastenverteilung in den Mitgliedstaaten ein und lehnen die bisherige Minderungsbandbreite von 1 % für Lettland bis 39 % für Deutschland strikt ab. Eingefordert werden verhältnismäßige Ziele, die durch praxistaugliche technische Fortschritte erreicht werden können und die Betriebsleiter nicht überfordern. Der Berufsstand verlangt eine bessere Berücksichtigung des höheren Emissionsrisikos der gesellschaftlich geforderten Haltungsänderungen mit größerem Platzangebot sowie Freiland- und Offenstallhaltung. Der Praktiker, der in den nächsten Monaten über Investitionen zu entscheiden hat, sollte jetzt noch sorgfältiger auf die Möglichkeiten zur Vermeidung von Ammoniakverlusten achten. Spätere Nachrüstungen sind häufig sehr teuer und Fördermaßnahmen keinesfalls sicher. Hartmut  Schlepps, Landvolk Niedersachsen