Echte Fakten ausgeblendet

Echte Fakten ausgeblendet -

Landwirten im Landkreis Stade verging Ende vergangene Woche bei der Lektüre des Stader Tageblattes die Laune. „Angst vor dem gefährlichen Keim“ lautete eine Überschrift. Ausgerechnet der Landwirtschaftsminister nannte als Hauptursache für die Ansteckung in Krankenhäusern den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung.

Wenige Tage vorher auf der Grünen Woche hatte er noch bekundet: „Ich stehe an der Seite der Bauern“. Kurz zuvor hatte er die jüngsten Ergebnisse der Antibiotikadatenbank als „vorbildliche Umsetzung seiner Antibiotika-Minimierungsstrategie“ und „erste Erfolge“ verkauft, weil der Antibiotikaeinsatz bei Puten und Masthähnchen zurückging – obwohl die Datenbank auf eine Initiative des Bundeslandwirtschaftsministers zurückgeht. In Stade warf der Minister nun den Landwirten bei einer internen Fortbildungsveranstaltung der Ärztekammer vor, schlechte Haltungsbedingungen in den Ställen durch übermäßigen Antibiotikaeinsatz zu kaschieren. „Herr Meyer steht offenbar nur hinter den niedersächsischen Bauern, um uns in den Rücken zu fallen“, kontert Stades Landvolkvorsitzender Johann Knabbe in einem offenen Brief an die Klinik sowie das Tageblatt. Der Minister könne den Medikamenteneinsatz in seinem Stall über die vergangenen 15 Jahre rückverfolgen, jeder Beleg sei abgeheftet, sagt Knabbe. Fakten wie Gesundheitsvorsorge und neue hygienische blende der Minister bei dieser Schwarz-weiß-Malerei aus.  Ohne Verordnung des Tierarztes setze kein Landwirt Antibiotika ein!

Kritik äußert Knabbe auch an den im Tageblatt zitierten Aussagen des ärztlichen Leiters der Elbe-Kliniken. Danach sagte Prof. Dr. Benno Stinner: „Ohne Vorwurf gilt es festzustellen, dass der Keim auf Mettbrötchen, Masthähnchen und auch in den Ställen verbreitet ist“. Knabbe bezeichnet diese Äußerung als „undifferenziert“ und verweist auf Aussagen der amtlichen Lebensmittel-überwachung, wonach das Risiko einer lebensmittelverursachten Übertragung von MRSA bei Einhaltung der Küchenhygiene als gering eingestuft wird. Auf Anfrage bezeichnete Prof. Stinner Schuldzuweisungen als undienlich und wertete die Eindämmung resistenter Keime als komplexe Angelegenheit.

Minister Meyer sprach in Stade von einem enormen Handlungsdruck im Kampf gegen resistente Keime. Er befürchtete weltweit zehn Millionen Tote bis 2050, falls die Forschung nach neuen Antibiotika eingestellt werde. Nach dem Bericht des Tageblattes suggerierte er, die Tierhaltung sei eine der Hauptursachen für MRSA-Ansteckung.

Ein im vergangenen Jahr vom Bundesgesundheitsminister vorgelegter Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger dagegen spannt den Bogen wesentlich weiter. Danach sind unter anderem sowohl die demographische Entwicklung als auch die Zunahme komplizierter medizinischer Eingriffe und der Anstieg resistenter Infektionserreger Ursache für die bis zu 600.000 behandlungsassoziierten Infektionen. Bei Hygiene, Qualitätssicherung und Transparenz vermisst der Bundesgesundheitsminister bisher die nötige Priorität. Er ruft zu Sreening, Meldepflichten und Schulung von Hygienepersonal auf. Darüber hinaus möchte er den „One-health-Gedanken“, also die Zusammenarbeit der Akteure in Human- und Tiermedizin sowie Landwirtschaft, verbessern. Br

Gemeinsam voranschreiten!
Minister Meyer hat die Fortbildungsveranstaltung leider nicht zur sachlichen Information genutzt, sondern gezielt Angst geschürt, um Menschen zu verunsichern. Das Thema MRSA beschäftigt uns seit Jahren, die Eindämmung der Resistenzen ist uns Landwirten enorm wichtig. Aber wir sollten uns an Fakten orientieren, und wir sollten das Problem gemeinsam angehen: Landwirte und ihre Tierärzte sehe ich ebenso in der Pflicht wie Humanmediziner und deren Patienten.  Die Elbe-Kliniken mit ihren rund 120.000 stationär und ambulant behandelten Patienten an zwei Standorten im ländlichen Raum sollten mit ihren Möglichkeiten den Kampf gegen resistente Keime aufnehmen. Die unter dem Bundesdurchschnitt liegende Rate dokumentierter MRSA-Fälle ist schließlich ein Beleg dafür, dass die Klinikleitung hier auf einem guten Weg ist. Wir sollten daher unsere Energie nicht in gegenseitigen Schuldzuweisungen verschwenden, sondern gemeinsam deutlich voranschreiten.
Johann Knabbe, Vorsitzender Landvolk Stade