Energiewende Positives überwiegt

Energiewende Positives überwiegt -

Interview Die Energiewende wurde vor einem Jahr rasch beschlossen, die Umsetzung dagegen gestaltet sich zäher als erwartet. Die LAND & Forst fragte nach bei Hermann Grupe, Vorsitzender im Ausschuss Erneuerbare Energien beim Landvolk Niedersachsen, wo es aus seiner Sicht mit der Energiewende

auf dem Land schon gut läuft und wo es besser gehen könnte.

Vor gut einem Jahr hat die Bundesregierung die Energiewende beschlossen. Sehen Sie aus landwirtschaftlicher Sicht eher Nachteile wegen steigender Energiekosten oder überwiegt der Nutzen, weil die Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten kann?

Die Ansprüche, die an die Landwirtschaft gestellt werden, nehmen zu. Produkte vom Acker dienen primär der Nahrungs- und Futtermittelerzeugung. Im Zuge der Energiewende soll auch die Biomasse zur Stromerzeugung eine tragende Rolle spielen. Die steigende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten kann betriebswirtschaftlich für die Landwirte nur von Vorteil sein. Allerdings werden die erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage auch zu einer Verteuerung des Stroms führen. Hieraus dürfen keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, wie es zurzeit mit vereinzelten Forderungen nach einer Abschaffung des EEG geschieht.

Das EEG hat zusätzliche Wertschöpfung in die Landwirtschaft gebracht, über Windenergie, Biogasanlagen und in erheblichen Umfang über Fotovoltaik. Das ist für uns eine positive Nachricht.  Die Vergütungssätze des EEG sorgen zudem bei Nachfragespitzen, etwa zur Mittagszeit, für eine Preisdämpfung an den Strombörsen. Dieser so genannte Merit-Order-Effekt ermöglicht Entlastungen in Milliardenhöhe im Jahr.

Unter dem Strich dürfte aus landwirtschaftlicher Sicht der positive Effekt der Energiewende überwiegen. Nicht verschweigen darf man hier, dass wir über höhere Effizienz bei der Energienutzung die Kostenlast deutlich reduzieren können, und mit Blick auf die knapper werdenden Rohstoffressourcen auch müssen.

Viele Landwirte sind heute ganz bewusst auch Energiewirte. Welche erneuerbaren Energien spielen eine wichtige Rolle zur Generierung landwirtschaftlicher Einkommen?

In Niedersachsen gibt es mehr als 1.300 Biogasanlagen, etwa 7.000 Landwirte produzieren bereits als Betreiber oder als Rohstofferzeuger Energie. Damit erzeugen die Landwirte zehn Prozent des Stromverbrauchs in unserem Bundesland. Der gesamte Energiepflanzenanbau umfasst 300.000 ha, das entspricht einem Anteil von 15 %an der Ackerfläche. Mit dem neuen EEG ist der rasante Zubau von Neuanlagen, der in einigen Regionen zu einer überhöhten Anlagendichte geführt hat, gestoppt worden. Die Rohstofferzeugung für Biodiesel und Bioethanol stagniert seit einigen Jahren bei 60.000 ha.

Windenergie wird bei der Energiewende zunehmend eine tragende Rolle spielen. Für die Landwirte  als Grundeigentümer bieten sich hier interessante  wirtschaftliche Chancen, die es klug zu nutzen gilt. Durch die Gründung von Bauern- bzw. Bürgerwindparks können Bauern beispielsweise bei neuen Projekten ihre Beteiligung sicherstellen.

Wichtig ist vor allem das geschlossene Handeln der Flächeneigentümer vor Ort. Daher gilt jetzt: nicht voreilig Verträge mit Projektentwicklern abschließen!

Schließlich haben niedersächsische Landwirte im großen Umfang in Fotovoltaikanlagen investiert. Diese Investitionen sichern die Betriebe zusätzlich ab und führen zu mehr wirtschaftlicher Stabilität.

Ein Streitthema zur Umsetzung der Energiewende ist der Netzausbau. Der Bauernverband fordert eine wiederkehrende Vergütung. Welche Forderungen gibt es dazu im Detail?

Eine jährliche Entschädigung zusätzlich zu der bisherigen einmaligen Zahlung ist zwingend notwendig. Die Netztrassen stellen dauerhafte Belastungen und Einschränkungen für andere Entwicklungen des Betriebes dar. Bauarbeiten müssen durch Bodensachverständige begleitet werden, um unnötig hohe Schäden zu vermeiden. Veränderungen der Bodenstruktur werden in ihrer Dauerwirkung oft unterschätzt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass etwa Kommunen 40.000 Euro pro laufenden Kilometer Stromtrasse erhalten sollen, die Landwirte aber nach 40 Jahre alten  Entschädigungssätzen billig abgespeist werden sollen. Sachgerecht ist eine Verzinsung des Grundstückswertes der in Anspruch genommenen Flächen analog der Vergütung des Kapitalaufwandes bei den Netzbetreibern. Die gesetzlich vorgeschriebene Rendite beträgt hier etwas mehr als neun Prozent.

Es dürfen keine weiteren landwirtschaftlichen Flächen für den Ausgleich nach dem Naturschutzgesetz beansprucht werden, der Flächenfraß muss ein Ende haben. Die bisherige Praxis, pro Kilometer Freileitung bis zu vier Hektar Ackerland aus der Produktion zu nehmen, akzeptieren wir nicht länger!

Das EEG gerät immer wieder unter Beschuss. Können Sie die sehr grundsätzliche Kritik an diesem Instrument nachvollziehen?

Mit dem EEG ist Deutschland zum führenden Land bei den erneuerbaren Energien geworden. Die Kosten für den Stromkunden blieben moderat, weil der Anteil der „Erneuerbaren“ am gesamten Energiemix noch vergleichsweise gering war. Wenn diese jetzt im Zuge der Energiewende eine tragende Rolle einnehmen sollen, schlagen die Kosten auf den Verbraucher stärker durch. Das trifft private Haushalte ebenso wie die Wirtschaft und auch die Landwirtschaft. Dass deshalb eine effiziente Energieproduktion verstärkt in den Focus rückt, ist verständlich. Das sehr statische EEG in Zukunft flexibler zu gestalten, wäre eine logische Weiterentwicklung, um innovative Fortschritte wirkungsvoller zu fördern.

Besonders laute Kritik wird in einigen Regionen Niedersachsens an Biogasanlagen geäußert. Grund dafür sind Nährstoffüberschüsse und der Maisanbau. Was kann die Landwirtschaft zur Entschärfung der Konfliktfelder leisten?

Wir alle wünschen uns eine größere Vielfalt bei den Energiepflanzen. Der Mais hat am Gesamtvolumen von 250.000 ha derzeit einen Anteil von mehr als 200.000 ha. 25.000 ha entfallen auf Ganzpflanzensilage, 20.000 ha auf Gras. Andere Ackerfrüchte haben sich in der Energieeffizienz noch nicht gegen Mais durchsetzen können.

Gute Erfahrungen wurden aber in jüngster Zeit mit Zuckerrüben gesammelt, nachdem bei den  technischen Problemen ebenso Fortschritte erzielt wurden wie bei der Lagerung. Von der Konservierung als Rübenbrei in abgedeckten Erdbecken bis hin zur Silierung ganzer Rüben in Fahrsilos haben sich hier mehrere Verfahren bewährt. In diesem Frühjahr wurden bereits 35.000 ha mit Energierüben bestellt.

In einigen Regionen mit starker Viehdichte und gleichzeitig großer Biogasdichte gibt es deutliche Nährstoffüberschüsse. In reinen Ackerbaugebieten sind diese Nährstoffe gut verwertbar. Durch die neue Verbringungsverordnung muss die ordnungsgemäße  Anwendung dieser organischen Düngemittel im Rahmen der zulässigen Höchstwerte transparent und nachvollziehbar gesichert werden.

Über die Förderung der Solaranlagen gibt es derzeit politische Machtkämpfe zwischen Bund und Ländern. Mit welchem Kompromiss könnte die Landwirtschaft leben?

Die stark gefallenen Modulpreise haben zu einer Überförderung geführt, da die EEG-Vergütungssätze nicht schnell genug angepasst werden konnten. Dies ist eine Schwäche des EEG. Mit der vorgesehenen monatlichen Degression, deren Höhe vom Zubau der Fotovoltaikanlagen abhängt, erhält das EEG die längst überfällige Flexibilität.

Mit den vorgesehenen Änderungen werden Scheunen, Lager- und Maschinenhallen vergütungsmäßig schlechter gestellt als etwa Tierhaltungsanlagen. Dies entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage, hier ist nachzubessern. Gleiches gilt für angemessene Übergangsfristen der in Planung befindlichen Anlagen. Auf jeden Fall muss die Bundesregierung zügig für Klarheit sorgen!

Die Fragen stellte
Gabi von der Brelie