Filtererlass greift in Strukturen ein

Filtererlass greift in Strukturen ein - Foto: Big Dutchman
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Stallbau   Mit Erlass vom 22. März 2013 schreibt die Landesregierung in der Schweinehaltung den Einsatz von Abluftreinigungsanlagen zur Minderung von Geruchs-, Staub- und Ammoniakemission als „Stand der Technik“ im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) vor.  Die bundeseinheitliche, im Bundesratsverfahren beschlossene Verwaltungsvorschrift der TA Luft aus dem Jahr 2002 gilt für die niedersächsischen Behörden damit nur noch beschränkt. Bei BImSch-Anlagen  ab 2.000 Stallplätzen für Mastschweine oder ab 750 Sauenplätzen (inklusive Ferkelaufzucht bis 30 kg) ist ab sofort vorsorglich der Einbau „dreistufiger“ Abluftfilter vorzunehmen. Vorsorglich bedeutet, dass unabhängig von den Standortbedingungen die Filtertechnik eingesetzt werden muss. Das gilt auch, wenn durch entsprechende Abstände ohne Filter Gerüche, Staub oder Ammoniak gar nicht wahrnehmbar oder messbar sind. Die bisher geltende Rechtsauffassung, die den Abluftfilter insbesondere wegen der hohen Kosten nicht als Stand der Technik angesehen hatte, soll für kleinere „Anlagen“ vorläufig weiter gelten. Wer ist betroffen? Betroffen sind also Landwirte, die aktuell wegen Neu- oder Umbauten an ihrem Betriebsstandort einen Genehmigungsantrag oberhalb des Schwellenwertes eingereicht haben. Es werden alle Stallplätze zusammengerechnet, die an einer Hofstelle von einem Tierhalter bewirtschaftet werden, auch wenn die Plätze auf mehrere Stallgebäude verteilt sind (Gesamtanlage). Das Bauvorhaben darf dann in der Regel nur noch mit Abluftfilter genehmigt werden – unabhängig vom Umfang einer Erweiterung. Konkrete Vorgaben über die Leistungsfähigkeit der Abluftreinigung gibt es derzeit nicht, allerdings soll ein Nachweis für Eignung und Langzeitfunk-tionsfähigkeit vorgelegt werden. Eine DLG-Zertifizierung kann als Eignungsnachweis anerkannt werden; weitere Hinweise auf die konkreten Filteranforderungen werden erwartet. Unter bestimmten Bedingungen werden die Behörden verpflichtet, die Filter-Nachrüstung bestehender Ställe anzuordnen. Sie soll bis spätestens 1. November 2015 ausgesprochen werden, wenn im Einwirkungsbereich um die Hofstelle bestimmte Anforderungen bezüglich Geruchs-, Staub- oder Ammoniakbelastungen nicht eingehalten werden. Den Betrieben soll eine Umrüstungsfrist von maximal fünf Jahren gewährt werden. Der Erlass gibt kaum  behördlichen Ermessensspielraum. Die zuständigen Landkreise bzw. kreisfreien Kommunen sind angewiesen, bis spätestens Mitte 2015 Bestandsanlagen auf die Einhaltung der Belastungsobergrenzen zu überprüfen. Mit einem „blauen Auge“ kommen noch die Geflügelhalter davon, selbst wenn ihre Ställe wegen der Anzahl an Stallplätzen ebenfalls einer Genehmigung mit Öffentlichkeitsbeteiligung bedürfen. Das gilt nach Aussage der Landesregierung nur vorläufig. Laut Erlass gilt der Filter bei Geflügel noch nicht als vorsorglich einzusetzender Stand der Technik, sondern kann nur im Einzelfall zur Einhaltung von Schutzvorschriften des BImSchG gefordert werden, z. B. bei Unterschreitung von Mindestabständen. Bei Hähnchenmastställen ab 40.000 Plätzen sollen die Behörden durch Auflage aber sicherstellen, dass die Bauweise eine nachträgliche Umrüstung auf die Filtertechnik in einigen Jahren ermöglicht. Der Erlass legt aber in weiteren Fällen die Genehmigungshürden für Neu- oder Umbauten von Geflügel- und Schweineställen deutlich höher, zumindest für das immissionsschutzrechtliche Verfahren nach BImSchG. Das Verfahren beginnt nach der jetzigen Rechtslage für Betriebsstätten ab 1.500 Plätzen bei Mastschweinen, 560 Sauen, 15.000 Legehennen oder Puten oder 30.000 Hähnchen. Wenn es nach den Grünen im Bundestag geht, sollen diese Schwellenwerte allerdings künftig halbiert werden (siehe dazu LAND & Forst Nr. 2, Seite 10).   Emsland als Vorreiter Für derartige Genehmigungsanträge müssen die Behörden bei Vorliegen bestimmter Kriterien so genannte Bioaerosol-gutachten verlangen. Die im Volksmund „Keimgutachten“ genannten Antragsunterlagen bestehen aktuell aus einer Messung spezieller in der Stallabluft vorkommender  Keime, Zerfallsprodukten dieser Keime und gegebenenfalls Pilzsporen. Systemtisch gefordert wurden diese Gutachten bisher vor allem im Landkreis Emsland. Angestachelt wird die Forderung von Umweltmedizinern und Stallbaugegnern. Diese verlangen für die medizinische Risikobewertung neuer Ställe zunächst die Analyse der durchschnittlichen „Hintergrundbelastung“ mit stallspezifischen „Bioaerosolen“ an Wohnhäusern außerhalb des messbaren Einflussbereichs von Ställen. Dazu kommt die Messung der tatsächlichen Vorbelastung an den Wohnhäusern im direkten Einwirkungsbereich des beantragten Stalls (bis mindestens 1.000 m in Hauptwindrichtung), z. B. aus bereits bestehenden Ställen in der Umgebung. Der Zeitaufwand für eine richtlinienkonforme Ermittlung der Bioaerosole ist immens und kann durchaus verschiedene Messungen über ein ganzes Jahr erfordern. Zusätzlich soll mit Hilfe wissenschaftlich bisher nicht abgesicherter Rechenmodelle die Zusatzbelastung aus der Abluft abgeschätzt werden.  Die eigentliche Bewertung der Ergebnisse durch die Genehmigungsbehörde bzw. das zuständige Gesundheitsamt lässt der Erlass (noch) offen. Er fordert Keimgutachten immer dann, wenn das nächste Wohnhaus weniger als 1.000 m in Hauptwindrindrichtung zur genehmigungspflichtigen Neu- oder Umbaumaßnahme liegt, in Nebenwindrichtungen bei Schweineställen unterhalb von 350 m und bei Geflügelställen unterhalb von 500 m. Weitere Stallungen im Umkreis von 1.000 m um das beantragte Vorhaben können die Behörden ebenfalls als Anhaltspunkt nehmen. Auch gehäufte Beschwerden von Anwohnern wegen nachgewiesener Gesundheitsbeeinträchtigungen durch  Emissionen benachbarter Ställe sollen die Gutachtenpflicht auslösen.  Allerdings darf eine Behörde im eigenen Ermessen auf Keimgutachten verzichten, wenn im Antrag eine für die Partikel- und Staubabscheidung geeignete Abluftreinigungsanlage enthalten ist. Und dann vor Gericht? Nach der Emissionsstatistik überschreiten etwa 300 niedersächsische Hofstellen die Schwellenwerte für die Filterpflicht bereits heute. Ihnen droht die Nachrüstung. Es ist nicht abschätzbar, in wie vielen Fällen tatsächlich eine derartige Anordnung erlassen wird. Das Landvolk erwartet gerade bei der Nachrüstung zahlreiche Gerichtsverfahren zur Recht- und Verhältnismäßigkeit. In jüngerer Vergangenheit wurde bei der Genehmigung neuer Schweineställe bereits sehr genau auf die Einhaltung der Immissionsschutzvorgaben geachtet und teilweise auch der Einbau von Filtern veranlasst, vor allem zur Minderung der Geruchsbelastung. Es ist zweifelhaft, ob solche „einstufigen“ Biofilter, die die von der DLG verlangte Ammoniak-Minderung von 70 % nicht erreichen, zu verhältnismäßigen Kosten mit einem Ammoniakwäscher nachgerüstet werden können. Eine gerichtliche Klärung könnte auch für genehmigungsreife Vorhaben in Frage kommen, die inklusive der notwendigen Schutzabstände bereits alle Verfahrenshürden genommen haben und jetzt „über Nacht“ den Abluftfilter oder ein Keimgutachten als zusätzliche Auflage aufs Auge gedrückt bekommen. Für ein Keimgutachten mit normgerechten Messverfahren und die Analytik berechnen spezialisierte Ingenieurbüros derzeit ab 20.000 Euro aufwärts. Der Erlass bezieht auch Legehennen-Freilandhaltungen ab 15.000 Hennen je Standort ein. Die Kosten der Abluftreinigung werden in Fachkreisen auf fünf bis sieben Euro je Mastschwein geschätzt. Eine deutliche Kostenminderung ist wegen der geforderten Filterleistung für alle drei Parameter und den hohen Anforderungen der DLG-Zertifizierung nicht zu erwarten. Die immer deutlichere politische Ablehnung der genannten Größenordnungen spricht ebenfalls gegen eine schnelle Verbreitung von Filteranlagen.

Was kommt im Stallbau als Nächstes?

Wertung   Der Erlass ist für die betroffenen Wirtschaftszweige eine schwere Hypothek bei der Weiterentwicklung international wettbewerbsfähiger Geflügel- und Schweinehaltungen. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen preschen im Alleingang vor, weniger im Interesse kosten-effizienten und vorsorgenden Immissionsschutzes, sondern mehr aus agrarstrukturellen Erwägungen. Laut Niedersächsischem Landkreistag (NLT) fielen im Landkreis Emsland mehr als zwei Drittel von über 70 Keimgutachten in den letzten zwei Jahren positiv aus – die Genehmigungsfähigkeit war also nicht gefährdet. Der enorme Aufwand und die Zeitverzögerung wären in vielen Fällen vermeidbar gewesen, wenn man die Keimgutachten von den Feinstaubemissionen abhängig gemacht hätte.   „Große Auflagen für große Betriebe“, um damit kleinere Betriebe zu stützen, so wirbt Minister Christian Meyer. Dafür nimmt er die fehlende Wirtschaftlichkeit des Abluftfilters und Kostensteigerungen durch Keimgutachten in Kauf. Nicht verschwiegen werden sollte aber, dass der Erlass fast eins zu eins einem Entwurf der alten Landesregierung entspricht. Daher kann kein Tierhalter darauf vertrauen, dass die Schwellenwerte lange gelten. Erklärte Absicht der Landesregierung und des NLT ist es, möglichst schnell auch die Geflügelhaltung einzubeziehen. Ein Widerspruch ergibt sich aus der angeblichen Unterstützung kleinerer Tierbestände und der Ablehnung von Gestaltungsspielräumen durch Aufteilung auf kleinere Ställe, die der Landkreistag formuliert hat. Zudem ist es ein Spiel mit dem Feuer, weil belästigte Nachbarn die passenden Passagen in den Erlassen für ihre Ablehnung auch kleinerer Stallgebäude trefflich nutzen können. Weder bei Minister Meyer noch den kommunalen Spitzenverbänden ist derzeit die Bereitschaft zu erkennen, in der Tierhaltung die wirtschaftliche Vertretbarkeit von vorsorgenden Umweltauflagen und der Wettbewerbsfähigkeit angemessen zu berücksichtigen. Unter dem Deckmantel des Immissionsschutzes arbeiten politische Interessensgruppen schon jetzt darauf hin, künftig auch Stallbauten zu verhindern, deren Größe gerade noch unterhalb der Schwelle zur BImSch-Anlage liegt. Hartmut Schlepps

Hartmut Schlepps, Landvolk Niedersachsen