Folgen für Bauernfamilien bedenken

Folgen für Bauernfamilien bedenken - Foto: Landvolk
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Mitgliederversammlung Welche Wege aus der Preismisere führen, wollten die Delegierten aus den Landvolk-Kreisverbänden von den Ministern Schmidt und Meyer wissen. Sie blieben mit offenen Fragen zurück. Der Tag im Schnelldurchlauf.

Begonnen hatte die diesjährige Mitgliederversammlung praktisch schon vor ihrer Eröffnung: Landvolkpräsident Werner Hilse hatte zur Pressekonferenz eingeladen. Die war gut besucht und bewirkte, dass die Wirtschaftslage der Bauern unter anderem am nächsten Tag auf der ersten Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung behandelt wurde.

Reden statt Sanktionen
Hilse appellierte auch vor den Mitgliedern an die Politik, mehr für aufnahmefähige Märkte zu tun. Es könne nicht sein, dass die Landwirte  die ganze Last der europäischen Russlandpolitik zu tragen haben. „Können wir nicht mit Reden mehr erreichen als mit Sanktionen?“, fragte er in Richtung von Bundesminister Christian Schmidt.

Dabei erneuerte er die Kritik des Landvolks am Liquiditätshilfeprogramm: zu wenig, zu kompliziert, für Ferkelerzeuger zudem falsch berechnet. „Wir wollen nichts geschenkt, aber wir brauchen wirksame Überbrückung“, machte Hilse deutlich, der in Sachen Liquidität ebenso die Landesregierung ins Visier nahm: „Die Betriebe sind jetzt auf die Direktzahlungen angewiesen – und zwar in ihrer vollen Höhe.“ Vom Ministerpräsidenten Stephan Weil wünschte er sich ein ähnlich klares Signal an die Landwirte, wie es dessen persönlicher Brief an Volkswagen-Mitarbeiter gewesen sei. Gleichzeitig bekräftigte Hilse: „Wir sind nicht die Brunnenvergifter und Tierquäler dieser Welt – wo es Probleme gibt, stellen wir sie ab.“

An diesem Punkt konnte Bundesminister Christian Schmidt ihm uneingeschränkt zustimmen. Er betrachte die Landwirtschaft nicht als einen „Unfall der Umweltpolitik“. Ansonsten übte er sich im Abwägen verschiedener Standpunkte: Export ja, aber nicht auf Teufel komm raus, sondern verantwortlich; Märkte bedienen, aber nicht kaputtmachen; Russland­embargo aufheben ja, aber nur, wenn Moskau das Minsker Abkommen zur Ukraine einhält. Hier allerdings gebe es Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Bei den Direktzahlungen habe man aufgrund der detaillierten Vorgaben erreicht, Kontrollen solange auszudehnen, dass das Geld verschimmelt sei, bis es bei den Bauern ankomme – das sollte ziemlich sicher eine Schmidt-typisch sehr feine, in Agrarkreisen allerdings kaum wahrnehmbare Kritik an seinem niedersächsischen Amtskollegen sein. In puncto Düngeverordnung wurde Dr. Holger Hennies, Vorsitzender des Landvolk-Umweltausschusses, in seiner Wortmeldung dagegen sehr deutlich.

Zusagen nicht gehalten
„Nichts von dem, was uns vor einem Jahr versprochen wurde, ist eingehalten worden. Stattdessen gibt es sogar neue Verschärfungen“, warf er dem Minister vor. Es nütze wenig, immer wieder auf die 78 Millionen Euro aus Brüssel für die Liquiditätshilfe zu verweisen, wenn die Düngeverordnung 100.000 Euro Bürokratiekosten und zwei Milliarden Euro Investitionen für die Betriebe mit sich bringt. Der Bundesminister verwies auf schwierige Verhandlungen mit der Umweltministerin – man beginne jetzt, die Dinge differenziert zu sehen – und sagte, es werde einen Kompromiss geben, der aber ein guter sein müsse.
Die besonders umstrittene Verkürzung der Einarbeitungszeit beim organischen Düngen von bisher vier auf geplant eine Stunde griff Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer auf: „Das hat der Bund dort reingeschrieben – genauso die Neuberechnung der Weidehaltung, die mehr Fläche je Kuh erfordern würde.“ Mit der Aussage, er sei da ganz auf der Seite der Landwirte, und einer Reihe weiterer positiver Aussagen zur heimischen Landwirtschaft verblüffte der Grünen-Politiker nicht wenige im Saal.

Er versuche jetzt mit warmen Worten wieder einzufangen, was nicht mehr einzufangen sei, hielten ihm Diskussionsredner dann vor. Präsident Hilse machte deutlich: „Auch wir strecken unsere Hand aus.“ Er ließ aber keinen Zweifel dar­an, dass das Landvolk von ihm ähnliche Äußerungen auch vor anderem Publikum erwarte.

Solidarisch und kritisch
Bilder und Stimmungen der Adventszeit griff Landesbischof Ralf Meister auf, als er auf das Miteinander von Mensch und Tier, Arm und Reich im Krippenbildnis verwies. Auf aktuelle Diskussionen eingehend, betonte Meister, die Lösung vieler Probleme läge nicht allein bei den Landwirten, sie aber stünden in besonderer Beziehung zur Schöpfung. „Deshalb wollen wir sie darin unterstützen – solidarisch und manchmal auch kritisch“, so der Vertreter der evangelisch-lutherischen Landeskirche.

Dafür sei man auch dankbar, wünsche sich aber eine klarere Haltung der Kirche gegenüber Gruppen, die „einfach nur gegen alles und damit auch gegen die moderne Landwirtschaft demonstrieren“, machte Achim Hübner aus Göttingen daraufhin deutlich.

Eindeutige Antworten aus der Politik gab es nur wenige an diesem Tag. Unmissverständlich war dagegen die Bitte an die Politik, in allen Parteien bei allen Entscheidungen besser als bisher die möglichen Auswirkungen auf die bäuerlichen Betriebe und die dahinter stehenden Familien zu bedenken.
Ralf Stephan