Göttingen Warum brechen Tierschützer in Ställe ein? Was denken Landwirte und Verbraucher über diese Art Undercover-Recherche? Die Uni Göttingen lud zu einer Diskussion mit Peta ein. 230 Zuhörer erlebten, wie die Fronten aufweichen.
Wut, Empörung und Angst löste der Stalleinbruch bei Philipp Schulze Esking aus. Der münsterländische Schweinemäster schilderte den 230 Zuhörern im Hörsaal der Uni Göttingen, wie er mit der Situation im vergangenen Herbst umgegangen ist. Tierschützer hatten heimlich in seinem Stall gefilmt und danach öffentlich Vorwürfe gegen ihn und andere Funktionsträger der Agrarbranche erhoben. „Ich habe sofort den Sender angerufen, der das gezeigt hat, und ein Fernsehteam angefordert, damit sie sich selbst ein Bild machen.“ Außerdem bat er den Kreisveterinär dazu und forderte eine ausführliche QS-Kontrolle. Das Ergebnis war eindeutig: „An den Vorwürfen war nichts dran.“
„Was rechtfertigt den lebenslangen Pranger?“
Schulze Esking sieht sich und andere Berufskollegen in mehrfacher Hinsicht geschädigt: „Da ist nicht nur die Angst, nachts dunklen Gestalten auf dem Hof zu begegnen. Die Bilder sind immer noch im Internet. Was rechtfertigt den lebenslangen Pranger?“
Seine Frage richtete sich an Dr. Edmund Haferbeck, der auf dem Podium saß. Der Manager bei der Tierrechtsorganisation Peta Deutschland ist für viele in der Agrarbranche so etwas wie der „Staatsfeind Nr. 1“, da er gerne mit markigen Sprüchen polarisiert. Diesem Bild entsprach der Agrarwissenschaftler auch bei seinem Auftritt in Göttingen, wo er einst promoviert hatte – übrigens im Fach Tierproduktion.
Haferbeck zeigte zunächst ein mehrminütiges Video mit Undercover-Aufnahmen aus Ställen und Schlachtanlagen. Geprügelte Ziegen, geschundene Puten, zappelnde Schweine am Haken. „Das alles passiert vor den Augen der Betriebsleiter und der Kontrollbehörden“, lautete sein zentraler Vorwurf. Jährlich würden bei Peta bis zu 5.000 Hinweise auf Tierschutzvergehen eintreffen. „Wenn wir Undercover-Einsätze machen, dann halten wir die Bilder nicht in der Hinterhand, sondern wollen so schnell wie möglich etwas für den Bestand erreichen“, sagte Haferbeck.
Er überraschte sein Publikum damit, dass sich inzwischen viele Firmen und Verbandsvertreter mit dem „Staatsfeind“ an einen Tisch setzen. Zum Beispiel Oliver Thelen, Prokurist bei QS: „Wir haben ein großes Interesse an gesunden Beständen. Kommen Sie auf uns zu.“ Auch bei Wiesenhof und dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft sei viel passiert. „Die lassen wir in Ruhe, weil wir etwas für die Tiere bekommen“, gab Haferbeck freimütig zu.
„Bauernverband ist nicht dialogfähig.“
Den Deutschen Bauernverband hält er dagegen für „nicht dialogfähig“. Das wiederum rief den Widerspruch von Achim Hübner, Geschäftsführer des Landvolk-Kreisverbandes Göttingen, hervor. „Das kann der Rechtsstaat nicht tolerieren, wenn Sie hier eine selbsterwählte Kontrollfunktion übernehmen.“
Obwohl die juristischen Grenzen bei Stalleinbrüchen geklärt sind (Rechtsprofessor Dr. Jose Martinez referierte über Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung), halten viele Verbraucher diese Art der illegalen Aufklärung offenbar für notwendig. Das ergab eine neue Befragung von über 2.200 Verbrauchern, die Maureen Schulze präsentierte.
Das Vertrauen in die staatlichen Tierschutz-Kontrollen sei gering. 76 % der Befragten waren der Meinung, es gebe schwarze Schafe unter den Tierhaltern. Deshalb bewerten mehr als zwei Drittel die Einbrüche positiv. Je schwerer der Tierschutzverstoß ist, desto eher trifft der Einbruch auf Verständnis. Erschreckend gering ist dagegen das Verständnis für die Bauern, denen es „nur ums Geld“ (Spiller) geht. „Es wird eine zentrale Herausforderung für die Landwirte sein, ihren Einsatz für den Tierschutz in die Gesellschaft zu transportieren“, kommentierte Professor Dr. Achim Spiller die Ergebnisse.
Verbraucher finden Undercovereinsätze gut
Sein Fazit für den kurzweiligen Vormittag im Hörsaal 102 hatte der Wissenschaftler zu Beginn der Veranstaltung bereits vorweg genommen: „Wir werden hier nicht mit einem Konsens rausgehen, wollen aber Verständnis wecken.“ Die Fachschaft Agrarwissenschaften will die Dialogreihe weiterführen. Sabine Hildebrandt