Gespannter Blick auf Brüssel

Gespannter Blick auf Brüssel - Foto: Riesberg
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Marktkrisen Vor dem Sondertreffen der EU-Agrarminister am Montag gewann die Debatte um Stützungsmaßnahmen für betroffene Landwirte nochmals an Fahrt. Über die richtige Richtung ist die Uneinigkeit jedoch größer als zuvor.

Luxemburg, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will beim Sondertreffen der Landwirtschaftsminister am 7. September in Brüssel über die Verwendung der Milchsuperabgabe und eine vorübergehende Anhebung der Interventionspreise für Milchprodukte reden. Die Delegation ließ am Dienstag verlauten, dass sie politische Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene für nötig hält, um die Landwirte zu unterstützen.

Daneben schlägt die Ratspräsidentschaft vor, eine vorgezogene Auszahlung der Betriebsprämien zu erörtern. Auch über eine verstärkte Absatzförderung sollte nachgedacht, zudem das Programm für Schulmilch und Schulobst reformiert werden. Mittelfristig wird der Ausbau der EU-Milchmarktbeobachtungsstelle und des Warenterminhandels mit Milchprodukten angeregt.

Hogan sieht keine Krise
Deutlich verhaltener geht Agrarkommissar Phil Hogan in das Treffen. Zwar stellt auch er Maßnahmen in Aussicht, um Milch- und Schweinefleischerzeuger zu unterstützen, nahm aber vor Journalisten in Brüssel weiterhin das Wort Krise nicht in den Mund. Ein Milchpreis von 30 ct/l im EU-Mittel sei noch immer „ganz passabel“, so der Kommissar. Man sollte „keine Maßnahmen ergreifen, die die Marktorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik heute oder in Zukunft aufs Spiel setzen“, sagte Hogan.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und seine Amtskollegen aus Frankreich und Polen, Stéphane Le Foll und Marek Sawicki, versuchten am Montag in Berlin, ihre Positionen abzustimmen. Während Le Foll und Sawicki eine Intervention an den Märkten fordern, befürchtet Schmidt aufgrund ihrer relativ hohen Produktionskosten Nachteile für deutsche Milchbauern. Er sprach sich stattdessen für eine schnelle Auszahlung der Direktbeihilfen aus. Die aktuellen Schwierigkeiten bei der GAP-Umsetzung dürften dabei kein Hindernis sein, mahnte der Minister.

Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer meldete sich erneut mit der Forderung nach Anreizen für eine freiwillige Milchmengenreduzierung zu Wort. Das Geld aus der Superabgabe sollte jenen Bauern zugutekommen, die freiwillig zu einer Mengenreduzierung beitrügen.

Meyers Behauptung, eine Mengenreduzierung sei schon durch reduzierte Kraftfuttergaben möglich, rief indes Proteste aus der Tierärzteschaft hervor: Tiere sollten nicht nach politischen Rezepten, sondern nach Bedarf gefüttert werden, heißt es in einem Fachbeitrag auf der Internetseite www.wir-sind-tieraerzte.de, der auf Gesundheitsprobleme durch Energiemangel verweist. Vor falschen Markteingriffen warnte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). In einem offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister bekräftigte die ISN ihre Ablehnung von Exporterstattungen oder Beihilfen zur privaten Lagerhaltung. Das im Frühjahr bezuschusst eingelagerte Schweinefleisch würde gegenwärtig wieder auf den Markt gebracht und drückte die Preise zusätzlich. Stattdessen sei es dringend notwendig, im Exportbereich zusätzliche Absatzventile zu öffnen, fordert die ISN.
red/PI/red/dpa