Agrarreform Mit der Einigung der Agrarminister von Bund und
Ländern wurde der Weg zur nationalen Umsetzung der Reform zur
Gemeinsamen Agrarpolitik geebnet. Wird diese tatsächlich gerechter, wie
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer hervorhob? Die
LAND & Forst hat die Ergebnisse im Detail durchrechnen lassen. Hier
lesen Sie die Ergebnisse.
Basis für die Verhandlungen zur nationalen Umsetzung der Reform zur
Gemeinsamen Agrarpolitik war noch ein Konzept der ehemaligen
Bundesministerin Ilse Aigner. Die Einigung der 16 Agrarminister beruht
auf Zugeständnissen, die schließlich den einstimmigen Kompromiss
ermöglichten (LAND & Forst, Ausgabe 45, S. 10). 6,2 Mrd. Euro
Fördermittel aus Brüssel sollen möglichst gerecht verteilt werden, das
sind bereits zehn Prozent weniger als in der auslaufenden europäischen
Finanzperiode. Der Kompromiss bringt für viele landwirtschaftlichen
Unternehmen finanzielle Einschnitte von mehr als 20 Prozent, wenn die
aktuellen Prämienzahlungen mit denen im Jahr 2019 verglichen werden.
Ein wesentliches Element der Einigung ist die höhere Förderung der
ersten 46 Hektar eines Hofes. Die ersten 30 ha werden mit einem
Aufschlag von 50 €/ha honoriert, für weitere 16 Hektar wird es noch
einen Zuschlag von 30 €/ha geben. Diese zusätzliche Förderung kleinerer
Betriebe war monatelang heftig diskutiert worden. Für diese
Prämienkomponente müssen nun 6,9 % statt der zuvor veranschlagten fünf
Prozent der nationalen Obergrenze aufgebracht werden, damit reduziert
sich die Höhe der Basisprämie (= Zahlungsanspruch) weiter.
Bundesweite Prämie
Gleichzeitig wird die Basisprämie in drei großen Schritten in den Jahren
von 2017 bis 2019 bundesweit auf eine Höhe angepasst. Bislang gibt es
große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Niedersachsen lag 2012
mit 332 Euro mit Bayern an der Spitze. Aus ersten Entwürfen des
Bundesministeriums geht hervor, dass die Basisprämie 2019 einen
bundeseinheitlichen Wert von 173 €/ha haben wird. Wird dies ins
Verhältnis zur eigentlich errechenbaren niedersächsischen Prämienhöhe in
Höhe von ca. 183 €/ha für 2019 gesetzt, so ergibt sich ein weiterer
Verlust von insgesamt 2,5 Mio. Euro für die niedersächsischen Landwirte.
Brüssel räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Umverteilung der
Fördermittel von bis zu 15 % von der Ersten in die Zweite Säule ein. Der
deutsche Kompromiss bleibt mit einer jährlichen Umverteilung von „nur“
4,5 % ab 2015 hinter dem von den grünen Agrarminister vorgeschlagenen 15
Prozent zurück. Er verhindert noch größere finanzielle Einschnitte zu
Lasten der Betriebsprämien, die bei den Landwirten eine maßgebliche
Einkommenskomponente haben. Die Umverteilung soll zweckgebunden der
nachhaltigen Landwirtschaft zugutekommen. Vorgesehen sind hier die
Förderung von Grünlandstandorten, von benachteiligten Regionen sowie
flächenbezogene Agrarumweltmaßnahmen. Dies ist aber nur eine der
„Schatzkisten“, mit der Mittelkürzungen der zweiten Säule aufgefangen
werden sollen (rund 225 Mio. Euro). Zusätzlich fordern die
Länderminister eine Aufstockung der zweiten Säule mit jährlich 200 Mio.
Euro aus Bundesmitteln über die Gemeinschaftsaufgabe, eine Zusage des
Bundes dazu steht noch aus.
Wie sich diese Entscheidungen auf die Höhe der Basisprämie auswirken,
haben wir in der Tabelle auf dieser Seite zusammengestellt. 2013 weisen
die Zahlungsansprüche die Höhe von 366 €/ha aus. Sie werden durch die
bereits angewandte Modulation in Höhe von 10 % ab dem Auszahlungsbetrag
von 5.000 € gekürzt. Zusätzlich greift im Dezember erstmals die
finanzielle Haushaltsdisziplin und bringt eine weitere Kürzung um 2,45 %
ab einem Auszahlungsbetrag von 2.000 € mit sich.
Gibt es Gewinner?
Im Übergangsjahr 2014 werden die Zahlungsansprüche einen Wert von ca.
328 €/ha haben. Hier räumt Brüssel den Mitgliedstaaten die Möglichkeit
ein, unter anderem die Förderung der ersten Hektar schon im kommenden
Jahr einzuführen. Dazu muss allerdings eine Entscheidung bis zum 1. März
2014 vorliegen. Sollte sie fristgerecht erfolgen, wie es der Beschluss
der Agrarministerkonferenz anstrebt, und die Förderung der ersten Hektar
schon im nächsten Jahr ermöglichen, verringert sich der Wert eines
Zahlungsanspruchs weiter auf 306 €/ha.
Ab 2015 werden die Beschlüsse zur Reform der GAP wie auch das Greening
endgültig umgesetzt. Die einzelnen Prämienkomponenten schmälern das zur
Verfügung stehende Mittelvolumen, das über die Basisprämie ausgezahlt
wird. Es werden dann nur noch 60,01 % der EU-Gelder über die Basisprämie
ausgezahlt. Damit reduziert sich die Auszahlungshöhe eines
Zahlungsanspruchs nochmals auf 187 €/ha. Nach der Angleichung der
Basisprämie auf einen bundeseinheitlichen Auszahlungsbetrag wird der
Wert eines Zahlungsanspruchs 2019 nur noch 173 €/ha betragen.
Politiker aller Parteien haben sich zufrieden geäußert, dass nach den
zähen Verhandlungen eine Einigung erzielt werden konnte, die bäuerliche
Familienbetriebe stärken soll, für mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung
des Geldes sorgt und den unterschiedlichen Strukturen der
Agrarlandschaft Deutschlands Rechnung tragen wird. Was wird von diesen
Versprechen tatsächlich eintreten? Wir haben die Gewinner und Verlierer
der Agrarreform ermittelt.
Einbußen ab 50 ha
Aus der Gegenüberstellung zur Berechnung der Prämienhöhe zweier
Junglandwirte (Tabelle oben) mit unterschiedlicher Flächenausstattung
geht deutlich hervor: Flächenstarke Landwirte müssen Geld einbüßen!
Werden die Jahre 2013 und 2015 miteinander verglichen, so kann auch ein
Junglandwirt mit einer durchschnittlichen Flächenausstattung von 40 ha
nur mit Zahlungen in vergleichbarer Höhe rechnen, er erhält 2015 nicht
nennenswert mehr als 2013. Ein Junglandwirt mit einem Betrieb von 300 ha
verliert sogar knapp 20 % seiner Prämien!
Umverteilung und andere Kürzungen treffen also nicht nur Großbetriebe
mit über 1.000 ha, die Kürzungen machen sich schon ab einer
Flächenausstattung von 50 ha bei einem Nicht-Junglandwirt bemerkbar. Zum
Vergleich: Der niedersächsische Durchschnittsbetrieb bewirtschaftete
bei der jüngsten Agrarstrukturerhebung von 2010 exakt 62 ha! Die
Umsetzung der Reform führt mit Blick auf die deutschen
Strukturverhältnisse zu einer Umverteilung innerhalb Deutschlands, und
zwar von Nord und Ost nach Süd.
Gleichzeitig kommt es aber zu einer erheblichen Kürzung des
niedersächsischen EU-Agrarbudgets. Die Förderung der ersten 46 ha im
Gegensatz zu der zuvor anvisierten Lösung, die ersten 30 ha zu fördern,
bringt einem landwirtschaftlichen Betrieb mit mehr als 46 ha Fläche nur
780 € mehr im Jahr. Noch deutlicher wird dies, wenn die Höhe der
Zahlungsansprüche 2012 mit der Förderhöhe 2019 (Basis-, Greening- und
Zusatzprämien) eines durchschnittlichen Betriebs verglichen wird.
Um 47 €/ha reduziert sich 2019 die Prämienhöhe eines durchschnittlichen
landwirtschaftlichen Betriebs in Niedersachsen im Vergleich von 2012.
Lediglich in Sachsen (– 49 €/ha) und Sachsen-Anhalt (– 51 €/ha) sind die
Kürzungen marginal höher. Werden diese Berechnungen auf einen
Beispielbetrieb von 300 ha Größe bezogen, so teilt sich Niedersachsen
den Platz der Verlierer mit Bayern und Schleswig-Holstein.
Niedersachsens Landwirte zählen damit zu den großen Verlierern der
Agrarreform! Der sinnvollen und vor allem praxistauglichen Ausgestaltung
des Greenings kommt damit eine umso größere Bedeutung zu. Nur so können
weitere finanzielle Einschnitte für die Betriebe verhindert werden.
Gleichwohl sind die meisten Politiker mit den Ergebnissen der
Sonderkonferenz zufrieden, da zumindest die Extremforderungen der grünen
Ressortchefs abgemildert werden konnten.
Ausblick: Das europäische Parlament und der Agrarrat müssen den Reformen
formell zustimmen. Dies wird voraussichtlich noch bis zum Ende des
Jahres erfolgen können, für die Abstimmung im EU-Parlament ist der
19. November vorgesehen. Weitere wichtige Anhaltspunkte enthalten die
zusätzlichen Rechtstexte der Kommission, als delegierte Rechtstexte
bezeichnet. Gleichzeitig werden vom Bundesministerium die notwendigen
Rechtstexte für die nationale Umsetzung erarbeitet. Die Beteiligung des
Kabinetts muss bis Ende Januar geschehen, damit im ersten Halbjahr
kommenden Jahres die Förderung der ersten Hektar umgesetzt werden kann.
Der Kompromiss von München lässt nun die nationale Ministerialbürokratie
auf Hochtouren laufen. Auch auf den Höfen muss genau gerechnet werden!
Dr. Wilfried Steffens,
Landvolk Niedersachsen