Hängepartien verursachen Unsicherheit

Hängepartien verursachen Unsicherheit - Foto: Landvolk
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Rückblick Sein erstes Jahr als Präsident des Landvolks Niedersachsen hatte es in
sich. Wie wird die Dürre bewältigt? Was richtet die Debatte um die Ferkelkastration an? Lohnt es sich für Glyphosat zu kämpfen? Albert Schulte to Brinke im Interview.

Ein Jahr Präsident. Was brennt am meisten auf den Nägeln?
Beherrschende Themen waren eindeutig die Nährstoffsituation, die Dürre und für Schweinehalter die Ferkelkastration. Letzteres ist aus verbandspolitischer Sicht aktuell das heikelste, denn die jetzt beschlossene Verlängerung der Übergangszeit hilft nur bedingt.

Inwiefern?
Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die lokale Anästhesie ein guter Weg ist. Warum soll bei uns nicht möglich sein, was in Dänemark, Norwegen und Schweden funktioniert? Ich finde es schon sehr überraschend, dass sehr viele hierzulande gar nicht wissen, wie die Methode in diesen Ländern gehandhabt wird. Dort wird sie von Tierschutzorganisationen unterstützt. Wenn man in der Tierärzteschaft nachfragt, ob sie wissen, warum ihre dänischen oder schwedischen Kollegen dem Thema aufgeschlossen gegenüberstehen, dann erntet man Achselzucken. Offenbar findet überhaupt kein Austausch über den Stand des Machbaren statt.

Was richten solche politischen Hängepartien wie die um die Kastration an?
Dass kritische Themen über so lange Zeit immer wieder diskutiert statt endlich einmal abgeräumt zu werden, führt letztendlich zu viel folgereicheren Problemen. Solange Sauenhalter nicht wissen, welche Lösungen für die Kastration oder für den Kastenstand in Frage kommen, können sie keine Richtungsentscheidungen treffen. Sie wissen nicht, wie der Stall der Zukunft wirklich aussehen könnte. Das verunsichert viele Betriebsleiter, die in nächster Zeit eigentlich investieren müssten, um im Geschäft zu bleiben. Wir befürchten, einige werden sich auch entschließen, ganz auszusteigen, weil sie das Gefühl haben, die Gesellschaft will gar keine Sauenhaltung mehr im eigenen Land.

Was ist nötig, damit es nach den zwei Jahren klare Perspektiven gibt?
Zum einen muss das deutliche Signal an die Sauenhalter kommen: Ja, wir brauchen euch! Zum anderen müssen alle Akteure an einen Tisch, damit wir gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Von der Fleischwirtschaft erwarten wir Aussagen darüber, welche Mengen Eberfleisch der Markt tatsächlich aufnehmen kann. Aus unserer Sicht wäre es doch das Beste, gar nicht mehr kastrieren zu müssen. Aber derzeit liegt der Marktanteil von Eberfleisch um zehn Prozent; das ist zu wenig. Aussagen, man wolle alle angelieferten Eber auch schlachten, helfen gar nichts, solange der entscheidende Halbsatz mit dem akzeptablen Preis fehlt.

Der Rückblick auf das Jahr kann die Dürre nicht ausblenden – und mit ihr eine neue Debatte über Subventionen.
Da hilft es, sich den Umfang der staatlichen Dürrehilfe anzusehen. Am Ende werden es höchstens vier Prozent der Ausfälle und Schäden sein, die dadurch ausgeglichen werden. Für die betroffenen Betriebe ist jede Unterstützung wichtig. Daneben gab es die gegenseitige Hilfe über Futterbörsen, und wir konnten nach zähen Diskussionen Erleichterungen für zusätzliche Futterflächen erreichen. Für die Zukunft werden wir über ein dauerhaftes Risikomanagement, wie Versicherungslösungen, nachdenken müssen, um solche Ad-hoc-Hilfen überflüssig zu machen.

Ein weiterer Dauerbrenner: Glyphosat. Ist die Landwirtschaft gut beraten, allein auf weiter Flur für die weitere Zulassung zu kämpfen?
Ja, auch wenn es manchmal wie ein Stellvertreterkrieg aussieht! Wir kennen den Wirkstoff und seine Vorteile schließlich am besten. Außerdem müssen wir uns fragen: Was kommt danach? Steht vielleicht der gesamte chemische Pflanzenschutz auf der Liste seiner Kritiker? Ich schließe das nicht aus. Deshalb lohnt es sich, für Glyphosat zu kämpfen, auch wenn es mancher schon abgeschrieben hat. Wir dürfen nicht zulassen, dass alles verboten wird, was  modernen Ackerbau ermöglicht.  

Machen die Umweltanforderungen den Futterbaubetrieben derzeit größere Sorgen als der Milchpreis?
In der Milchwirtschaft wurde einiges auf den Weg gebracht, um die Lehren aus den vergangenen Milchpreiskrisen umzusetzen. Das Landvolk hat sich hier klar positioniert: Die Molkereien müssen weiter ihre Hausaufgaben machen und für hohe Wertschöpfung sorgen. Unantastbar ist für uns die Vertragsautonomie von Verarbeitern und Lieferanten. Aber tatsächlich sind für zahlreiche Betriebe die anstehenden Investitionen in Siloplatten, Sickersaftbecken und Güllelager aktuell die weit größere Herausforderung. Vor allem kleinere Betriebe können das finanziell nicht mehr stemmen, wenn Auflagen ständig verschärft werden.

In Dauergrünlandgebieten fiel auch die Ausgleichszulage weg.
Wir haben sie vehement verteidigt und bleiben dabei: Die Ausgleichszulage ist eine unbürokratische Förderung, die direkt den Höfen zugutekommt. Alles andere würde auf ein komplett neues Instrumentarium hinauslaufen, das vermutlich mit einem Riesenaufwand verbunden ist. Auch die Weideprämie wurde leider auf Eis gelegt, Milchviehhalter sind besonders betroffen.

Wie wird die Nährstoffbilanz des ersten Jahres nach neuem Düngerecht ausfallen?
Mit Sicherheit mies. Mit so niedrigen Erträgen konnte niemand rechnen. Das muss bei der Bewertung des nächsten Nährstoffberichts berücksichtigt werden. Nur dann sind praktikable und zielführende Maßnahmen möglich. Wir müssen dort anzusetzen, wo die Probleme sind. Das heißt zum Beispiel, dass die so genannten Roten Gebiete, in denen dann zusätzliche Auflagen gelten sollen, so genau wie möglich, am besten feldblockweise eingegrenzt werden. Wir haben in Niedersachsen nach wie vor sehr gute Werte beim Nitratgehalt des Trinkwassers. Das soll auch so bleiben, da arbeiten wir Bauern hart dran.

Woraus ziehen Sie Ihre Zuversicht für das nächste Jahr?
Es mag merkwürdig klingen: aus diesem Jahr. Ich habe in meinem Amt viele Menschen kennengelernt, denen die Landwirtschaft in Niedersachsen sehr am Herzen liegt, die sich für Menschen im ländlichen Raum einsetzen. Das gibt viel Kraft und beflügelt uns alle, im Ehren- wie im Hauptamt.
Es fragte: Ralf Stephan