Landwirte haben den Markt im Blick

Landwirte haben den Markt im Blick - Foto: Werner Gantz
Foto: Werner Gantz

Getreidetag Der Braunschweiger Getreidetag hat eine lange Tradition. 1994 informierten sich die Landwirte dort zum ersten Mal über die Liberalisierung der Agrarmärkte nach der ersten EU-Agrarreform. Der Blick auf die aktuellen Märkte bot mit Qualitätsdiskussionen wieder einen Schwerpunkt.  Darüber hinaus standen Züchtung und Anbau von Öl- und Eiweißpflanzen im Fokus.
Wie können wir mit den Greening-Vorgaben in der Praxis umgehen? Diese Frage beantwortete Jürgen Hirschfeld, Vorsitzender des Ausschusses für Pflanzliche Erzeugnisse im Landvolk Niedersachsen beim 20. Braunschweiger Getreidetag in Königslutter ganz pragmatisch: „Wir wollen produktionsintegrierte Maßnahmen nutzen“. Dazu zählt er Zwischenfrüchte oder den Anbau heimischer Eiweißpflanzen. Der erforderliche Züchtungsfortschritt bei Körnerleguminosen, hoffte er, komme wie beim Winterraps mit dem vermehrten Anbau.

Zwischenfrüchte oder Eweißpflanzen
„Ich bin davon überzeugt, dass Eiweißpflanzen eine Chance bekommen müssen“, stimmte ihm Dietmar Brauer, stellvertretender Vorsitzender der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP), zu. Allerdings honoriere der deutsche Markt den Anbau bislang nicht – der Verkaufspreis liege unter dem Futterwert. Ackerbohnen und Körnererbsen werden hauptsächlich in Großbritannien für die menschliche Ernährung genutzt. Hinter Frankreich folgt Deutschland daher abgeschlagen als Markt für Eiweißpflanzen. Mit dem Greeningvorgaben könnte sich das ändern. Leguminosen werden trotz Pflanzenschutzmitteleinsatz und Düngung als ökologische Vorrangfläche mit einer Gewichtung von 0,7 angerechnet. „An diesem Punkt können wir uns ruhig mal bei unseren Politikern für ihren Einsatz bedanken“, hob Brauer hervor.

Sein Geld verdient der Pflanzenzüchter zu 90 Prozent mit Rapssaatgut. „Wir haben als erste Firma nur Hybridsaatgut angemeldet“, blickte er zurück. In 15 bis 25 Jahren rechnet er mit dem doppelten Ertrag bei Winterraps, denn die hohe Nachfrage motiviere Züchter: „Raps ist als Lieferant von Eiweiß und Öl sowie als nachwachsender Rohstoff zugleich interessant“.  Biokraftstoff sei als Absatzventil immens wichtig, Rapsöl müsse deshalb in der Beimischung bleiben, ergänzte Hirschfeld und fügte an: „Wir streiten dafür, dass das Rapsschrot bei der Nachhaltigkeit angerechnet wird“.

Ulrich Löhr, zukünftiger Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, berichtete über ein Projekt, das auf Qualitätsspätdüngung im Weizen verzichtet und dessen Mehl trotzdem gute Backeigenschaften aufweist. Erreicht werden soll dies durch die Mischung zweier Sorten mit Passereigenschaften. „Sorte A bügelt das Manko von Sorte B aus“, erläuterte Löhr. Nachdem 2014 die erste Ernte eingefahren wurde, folgte die Ernüchterung im Praxistest. Die Brote waren relativ fest und hatten ein zu geringes Porenvolumen. Trotzdem ist Löhr von dem dreijährigen Projekt überzeugt. Es sitzen alle mit am Tisch: Bäcker, Müller, Landwirte, Züchter, Kammer und Ministerium. „Das Projekt unterstützt die Empfehlungen des Landes Niedersachsen für eine Klimaschutzstrategie“, hob er die die gute Zusammenarbeit hervor.

Neben der guten Qualität hängt der Preis, den die Landwirte für ihre Produkte erlösen können, von vielen Faktoren ab: Angebot und Nachfrage, die durch das Wetter, die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung, aber auch vom Ölpreis beeinflusst werden, und die Wechselkurse zu den Währungen anderer Länder. Diese Sicht der Dinge erläuterte Werner Bosse vom Landvolk Niedersachsen. Die Vermarktung der Ernte wurde in diesem Jahr von drei wichtigen Einflüssen bestimmt. So stiegen die Ernteerwartungen weltweit seit dem späten Frühjahr kontinuierlich an. Bedrohliche kriegerische Auseinandersetzungen und ihre Folgen führten zu starker Verunsicherung der Marktteilnehmer und Preisausschlägen an den Terminbörsen. Zudem sei das gesamtwirtschaftliche Umfeld noch immer von einer deflatorischen Tendenz bedroht.

Es gab deutlich weniger Vorverträge als in anderen Jahren. „In Kombination mit der großen Ernte stand mehr Ware zur Disposition, die Käufer ließen sich Zeit und deckten nur ihren unmittelbaren Bedarf ab, die Landwirte wollten nur Übermengen verkaufen“, schilderte Bosse den Verlauf der Vermarktung 2014. Die Landwirte hätten den Markt jedoch im Blick behalten. „Sie wussten, wenn eine Exportmöglichkeit kommt, gibt es für kurze Zeit die Nachfrage, und dann muss reagiert werden“, sagte er.

Niedersachsen biete durch seine Nähe zu den Häfen gute Voraussetzungen für den Export. Zusammen mit dem starken Dollarkurs und dem hohen Rohproteingehalt ergäben sich derzeit gute Exportmöglichkeiten für Weizen. Die niedersächsischen Landwirte stünden damit langfristig im direkten Wettbewerb u.a. zu der Schwarzmeerregion.

Maschinenbesatz und Arbeitserledigung
Dr. Reimer Mohr von der Unternehmensberatung Hanse Agro beleuchtete die Wettbewerbsfähigkeit. „Wie kann es sein, dass 800 bis 1.000 Euro Pacht bezahlt werden?“, fragte er. Damit gäben die Landwirte ihre komplette Grundrente weg. Er sprach zudem von einem hohen Maschinenbesatz und entsprechenden Arbeitserledigungskosten. „Die liegen rund 100 Euro höher als in den östlichen Bundesländern“, zeigte Mohr eine Einsparmöglichkeit auf. Trotzdem stehe Niedersachsen gut da: „Das liegt an den Zuckerrüben, sie sind der Turbo für den Umsatz“. Im weltweiten Vergleich würden die in Deutschland üblichen Erträge mit einem hohen Aufwand erzielt. Es komme auf den Betriebsleiter an, Aufwand und Ertrag im richtigen Maßstab zu sehen, sagte Mohr. Bei Wachstumsschritten müsse die Stabilität  bedacht werden: „Eigentum hält länger durch“.
Wiebke Molsen