Leitungsbau unter Hochspannung

Leitungsbau unter Hochspannung - Foto: landpixel
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Energiewende Der neue Vorrang für Erdkabel verlangt auch veränderte Maßstäbe für Entschädigung und Planung sowie im Umgang mit dem Boden.  Das HLBS-Leitungssymposium in Kassel trug dafür wichtige Argumente zusammen.

Um den neuen Rechtsrahmen der Erdverkabelung und die Verfahrensschritte vom Szenariorahmen bis zur Planfeststellung ging es auf dem 5. Leitungssymposium des Hauptverbands der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS). Der Gesetzgeber sah im Drehstrombereich die Erdverkabelung nur auf besonderen Trassen als Pilotvorhaben vor. Unverändert wurde dieser Pilotansatz im Gesetz beibehalten und sogar durch zusätzliche Projekte ergänzt.

Jetzt sind elf Pilotprojekte im Gesetz verankert, bei denen auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten die Erdverkabelung möglich ist, schilderte Dr. Ursula Heimann von der Bundesnetzagentur auf der Tagung.  

NRW ermittelt Schäden
Am Beispiel der Pilottrasse Diehle-Niederrhein skizzierte der Sachverständige Nico Wolbring, wie die Auswirkungen der Erdkabel auf den Böden in Nordrhein-Westfalen untersucht werden. Dazu zählt das ertragskundliche Monitoring der Flächen, das auch Ertragsschäden erfassen wird. Das Landvolk Niedersachsen erwartet, dass solche Untersuchungen auf den Pilotstrecken auch hierzulande vorgenommen werden. Denn Risiken und Auswirkungen der Erdkabel auf die Landwirtschaft mit unterschiedlichen Böden müssen abgeklärt werden.
Mit Blick auf den gesetzlich beschlossenen Vorrang der Erdverkabelung im Höchstspannungs-Gleichstrombereich (HGÜ) verwies Dr. Heimann auf Vorhaben mit dem Zusatz „E“ (Erdkabel) im Bundesbedarfsplangesetz. Ein Einsatz von Freileitungen auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten ist nur noch nach den gesetzlichen Ausnahmen möglich, was neue Planungsgrundsätze mit sich bringt. Für den geeigneten Trassenkorridor in der Bundesfachplanung gilt das Gebot der Geradlinigkeit. Anhand eines räumlichen Idealmaßstabs, der sich an der Luftlinie orientiert, soll ein möglichst geradliniger Verlauf des Trassenkorridors zwischen dem Anfangs-und dem Endpunkt des Vorhabens angestrebt werden. In erster Linie ist der Übertragungsnetzbetreiber zuständig, die Netzagentur optimiert in ihrer nachvollziehenden Planung. Ein Positionspapier der Behörde geht davon aus, dass mit diesem Planungsgrundsatz verschiedenen Zielen – wie möglichst kurzer Verlauf, Wirtschaftlichkeit, Reduzierung von Eingriffen in Natur und Landschaft – Rechnung getragen werden kann. Der Deutsche Bauernverband (DBV) weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich ein möglichst geradliniger Verlauf eines Trassenkorridors nicht grundsätzlich über Betroffenheiten in diesem Korridor hinwegsetzen darf. Auswirkungen auf die Agrarstruktur müssen frühzeitig erkannt und minimiert werden.  
Welche Rechtsschutzmöglichkeiten gibt es gegen einen festgelegten Korridor in der Bundesfachplanung? Hier konnte trotz eines verbindlich festgelegten Korridors wieder nur auf den Planfeststellungsbeschluss verwiesen werden. Auch wenn die individuelle Betroffenheit nicht frühzeitig festzustellen sei, sollten gleichwohl alle Interessen so früh wie möglich im Verfahren geltend gemacht werden, lautete die Empfehlung.

Faire Entschädigung
Mehrfach wurde in Vorträgen die Herleitung der aktuellen Rechtslage zugunsten eines beschleunigten Netzausbaus dargestellt, eine angepasste Entschädigungsregelung des Gesetzgebers wird dennoch vermisst. Sehr deutlich zeigte sich die Kluft zwischen den Vorstellungen einzelner Leitungsnetzbetreiber und den Forderungen der direkt Betroffenen nach einer fairen Entschädigung.
Bereits der Blick in die frühe Historie der Entschädigungspraxis durch Seminarleiter Dr. Volker Wolfram zeigte, dass der oft angeführte Ansatz der Dienstbarkeitsentschädigung in Höhe von 20 % vom Verkehrswert im Schutzstreifenbereich bereits Anfang der 1960er-Jahre in Vereinbarungen als Regelsatz galt. Spätere Einzelfallentscheidungen wichen davon teilweise stark ab. Eine Praxis geringer Entschädigungssätze lässt sich für den Berufsstand daraus nicht ableiten. Aktuell kursierende Behauptungen einer angeblichen Entschädigungshöhe von zehn Prozent des Verkehrswertes wurden in der Diskussion  als unbegründet zurückgewiesen.

Deutlich wurde auf der Tagung, dass die Entschädigung spätestens im Lichte privater Großprojekte im Leitungsbau grundlegend auf den Prüfstand gehört. So wies Rechtsanwalt Ulrich Böcker auf die Regelungen im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sowie auf die Veränderungen der Leitungskulisse hin. Privatwirtschaftliche Projekte der Übertragungsnetzbetreiber sollten sich an dem orientieren, was heute marktgängig ist und beispielsweise bei Leitungsrechten zu Windkraftprojekten vergütet werde. Er forderte eine angemessene „Teilhabe im Rahmen einer fairen Wertkompensation“.
Neben dem Werben um breite Akzeptanz der Bevölkerung gibt es eindeutige Vorgaben des Gesetzgebers im Koalitionsvertrag von 2013 (siehe Kasten auf Seite 10).

Der Deutsche Bauernverband dringt auf die Umsetzung dieser Forderungen. Bis Mitte des Jahres läuft eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Überprüfung der Entschädigungspraxis; sie soll endlich die längst überfälligen gesetzlichen Änderungen einläuten.
Andreas Jordan,
Landvolk Niedersachsen

 

Das steht im Koalitionsvertrag

„Für den Ausbau der Stromnetze muss bei den Anliegern um Akzeptanz geworben werden. Neben frühzeitiger und intensiver Konsultation der Vorhaben, kann dazu auch eine finanziell attraktive Beteiligung von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern an der Wertschöpfung sowie eine  Überprüfung der derzeitigen Entschädigungspraxis beitragen.“

Speziell für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum findet sich die Forderung, dass bei landwirtschaftlichen Flächen zusätzliche Aspekte beachtet werden müssen:
„Bei Maßnahmen, die landwirtschaftliche Flächen in Anspruch nehmen, müssen agrarstrukturelle Belange angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere im Rahmen des für die Energiewende notwendigen Netzausbaus sind faire Entschädigungen für die Grundstückseigentümer und -nutzer erforderlich.“