Kommentiert Nach dem Gesetz soll Raumordnung unter der Leitvorstellung einer nachhaltigen Entwicklung erfolgen, welche die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt. Mit den jetzt geplanten Vorranggebieten für die „natürliche“ Kohlenstoffspeicherung will die Landesregierung die ökologische Funktion mächtiger Torfkörper besonders hervorheben und der Genehmigung von Maßnahmen, die den Verlust dieses Torfkörpers bewirken, entgegentreten.
Im Gegensatz zu den bereits seit Jahrzehnten streng geschützten Resten an nicht entwässerten Hoch- und Niedermooren und wiedervernässten Torfabbauflächen wird diese Entscheidung sich nicht nur auf die Zukunft der Torfabbaufirmen auswirken. Während die größeren Unternehmen sich für die Substratversorgung des Gartenbaus und der Kleingärtner schon umfangreiche Abbaurechte im Baltikum gesichert haben, werden die wenigen Kleinunternehmer nach Auslaufen ihrer Abbaurechte die Tore wohl endgültig schließen müssen. Für die landwirtschaftlichen Bewirtschafter entwässerter Moore beginnt jetzt eine Zeit der Ungewissheit über die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der neuen Politik.
Bisher galt das eherne Prinzip der Genehmigungsfreiheit einer ordnungsgemäßen Landwirtschaft einschließlich Bodenbearbeitung und Entwässerungsmaßnahmen. Damit konnte über die Raumordnung bisher nicht direkt in die Landwirtschaft eingegriffen werden. Mit dem neuen Wind, der in Hannover und einigen anderen Landeshauptstädten weht, ist diese Zeit möglicherweise vorbei.
Grundeigentümer und Bewirtschafter von „natürlichen“ Kohlenstoffspeichern müssen hinsichtlich ihrer Entwicklungspläne mit einer Zitterpartie rechnen. Bis heute ist ein „Überleben“ im Moor vor allem von effektiver Entwässerung der Nutz- und Siedlungsflächen abhängig. Der Spruch „Den Eersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brod“ ist ein Sinnbild für die Anstrengungen über viele Generationen. Wiedervernässungs- und Extensivierungsvisionen von gerade mal fünf Monate amtierenden Ministern werden in den betroffenen Regionen mehr als Ängste auslösen.
Die Landesregierung ist gut beraten, wenn sie sich für den geplanten Beteiligungsprozess nicht nur wenige Monate Zeit nehmen würde und den ehrgeizigen Kabinettsentwurf auch an den vorgebrachten sozialen und wirtschaftlichen Ansprüchen der Betroffenen misst.
Hartmut Schlepps,
Landvolk Niedersachsen
LROP soll klimafreundlicher werden
Raumordnung Niedersachsen soll „Moorland Nummer eins“ werden. Das ist eines der Ziele, die die Landesregierung mit der Überarbeitung der Verordnung zum Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) verfolgt. Die wichtigsten Änderungsvorschläge stehen ab sofort online zur Diskussion, die Zeit für die Mitsprache ist allerdings knapp bemessen.
Der Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sowie die flächensparende Landesentwicklung bekommen einen neuen Stellenwert. Der zuständige Minister Christian Meyer spricht von einem „echten Paradigmenwechsel“ für Niedersachsen. Nachdem das Kabinett Ende Juli einem Änderungsentwurf zugestimmt hat, soll nun ein breiter Beteiligungsprozess beginnen. Verbände, Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger haben Gelegenheit, sich bis zum 20. September zu den neuen Planungsvorgaben zu äußern. Unter www.lrop-online.de steht das amtliche Ministerialblatt mit den angekündigten Änderungen zum Herunterladen bereit. Am 6. November sollen die Anregungen auf einem Fachkongress in Hannover diskutiert werden. Zum Jahresende will die Landesregierung über mögliche Änderungen beraten, bevor die endgültige Entscheidung im Landtag fällt. Ende 2014 sollen die Änderungen rechtskräftig werden.
Die Landwirte werden vor allem die neuen Pläne zum Moorschutz betreffen. „Wie im Koalitionsvertrag vereinbart und von vielen Kommunen gewünscht, werden alle Vorranggebiete für den Torfabbau zugunsten des Klima- und Naturschutzes gestrichen“, sagt Minister Meyer. Derzeit sind im LROP 21.400 ha für den Torfabbau festgelegt. Für 17.000 ha sind Abbaurechte erteilt, sie laufen teilweise bis 2060 und sollen Bestandsschutz genießen.
Natürliche CO2-Speicher
Zugunsten des Natur- und Klimaschutzes sollen die übrigen, etwa 400.000 ha umfassenden Moorböden weitgehend erhalten bleiben. Ein Teil dieser Moorflächen ist nach dem Entwurf als „Vorranggebiet für natürliche CO2-Speicher“ vorgesehen. Kriterien für die Festlegung sollen die Mächtigkeit und die Entwicklungsfähigkeit der Moorkörper in Abwägung mit konkurrierenden Nutzungen sein.
Laut Minister Meyer stammen rund zwölf Prozent der niedersächsischen Treibhausgasemissionen aus der Nutzung von Mooren durch intensive Landwirtschaft oder Torfabbau. „Statt Moore zu zerstören, wird Niedersachsen als Moorland Nummer eins die letzten fünf Prozent erhaltenen Torfkörper im Rahmen des Moorschutzprogramms des Umweltministeriums anhand wissenschaftlicher Kriterien Schritt für Schritt als wertvollen CO2-Speicher unter Schutz stellen“, kündigte der Grünen-Politiker an. Er freue sich auf eine breite Beteiligung der Bürger, Kommunen und Verbände.
„Effekthascherei“
Als „Effekthascherei“ kritisiert der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke, die vorgestellten Pläne zum Moorschutz. Minister Meyer predige fortlaufend Klimaschutz, verschweige aber, dass Moor seine Klimaschutzfunktion nur dann erfülle, wenn es großflächig wiedervernässt ist.
„Für den Erwerb der Moorflächen und das anschließend erforderliche Wassermanagement sind erhebliche Mittel nötig. Es wäre interessant zu erfahren, wie Meyer dieses Vorhaben finanzieren will“, meint Damman-Tamke. Zudem komme die Frage auf, was aus den betroffenen Landwirten wird, wenn ihre Flächen wiedervernässt werden. Besonders kleine Familienbetriebe in Moorgebieten würden durch die Auswirkungen der notwendigen Grünalandreduzierung getroffen.
„Minister Meyer sollte sich daran erinnern, dass er nicht allein dem Klimaschutz, sondern auch dem Wohl der 40.000 landwirtschaftlichen Vollerwerbsstellen in Niedersachsen verpflichtet ist“, forderte Dammann-Tamke.
Vienna Gerstenkorn