Milchmarkt Vor nahezu genau 30 Jahren haben die EU-Agrarpolitiker die Garantiemengenregelung für Milch beschlossen. Im kommenden Jahr läuft die Quotenregelung nach dem mehrheitlichen Votum der EU-Mitgliedstaaten aus. Die versprochene Einkommenswirkung trat erst in jüngster Vergangenheit ein, die Strukturen haben sich gleichwohl deutlich verändert. Die LAND & Forst zieht Bilanz.
Niedersachsens Milch- und Molkereiwirtschaft wurde in diesen 30 Jahren deutlich verändert, den Bauern hat diese Zeit viel Geld abverlangt. Dazu zählen nicht nur die Millionen Euro, die als Superabgabe in die Brüsseler Kasse geflossen sind, sondern noch mehr die für Wachstumswünsche notwendigen Investitionen in Quotenpacht oder Quotenkauf.
Allerdings hat sich die Garantiemengenregelung nicht so strukturhemmend auf die Branche ausgewirkt wie zunächst erwartet. „Die von den Vätern der Milchquote, allen voran dem damaligen deutschen Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle, versprochene positive Einkommenswirkung für die Erzeuger wurde allerdings nur durch Einflüsse des Marktes ermöglicht. Das trifft in erster Linie für die letzten Jahre der von Anfang an umstrittenen Regelung zu“, zieht Landvolkvizepräsident Heinz Korte Bilanz, selbst Milchviehhalter in Bremervörde. Nach seiner Einschätzung passt das ordnungspolitische Instrument nicht mehr zu der EU-Philosophie freier Märkte.
Überschüsse als Problem
Als die EU-Agrarpolitiker mit Wirkung zum 2. April 1984 der Mengenregulierung zustimmten, hatte wohl niemand mit so einer langen Laufzeit gerechnet. Damals lagerten hohe Überschüsse an Butter und Magermilchpulver in den Interventionsbeständen. Die Preisgarantie für die Erzeuger hatte EU-weit zu einer Anlieferungsmenge an die Molkereien in Höhe von 104 Mio. t Milch geführt. Dem stand ein Verbrauch von nur 92 Mio. t gegenüber. Der Milchmarkt drohte zum Sprengsatz der Gemeinschaft zu werden, der Berufsstand hatte schon Jahre zuvor ein Konzept zu Sicherung des Milchmarktes vorgelegt.
Der Start in das neue System war von großen Schwierigkeiten begleitet: Härtefälle mussten berücksichtigt werden, die Einschnitte waren nicht so wirksam wie erwartet. Zudem ließen Einbußen im Exportgeschäft die Lagerbestände wieder wachsen. „Die Milchquote schickte die Milchviehhalter durch ein langes Tal der Tränen“, verdeutlicht Korte. Die versprochene Einkommenswirkung für die Milchviehhalter dagegen entfaltete die Quote kaum. Im Gegenteil, ein Blick in die Wirtschaftsdaten der Betriebe belegt, dass Milchviehhalter über Jahre im Vergleich zu ihren Kollegen im Ackerbau oder der Schweinehaltung deutlich schlechter abschnitten. Erst in den vergangenen beiden Jahren haben sie endlich aufgeholt.
Teure Investitionen
Die rigide Mengenbeschränkung verlangte Betriebsleitern, die gleichwohl ihre Betriebe entwickeln wollten, viel Geld ab. Sie mussten nicht nur in neue Ställe und die Erweiterung des Kuhbestandes investieren, sondern auch das Recht für weitere Milchanlieferungen teuer erwerben. Zunächst war dies zusammen mit der Fläche, später auch ohne diese möglich. 2000 schließlich wurde die sogenannte Quotenbörse eingerichtet. Dort wurden seitdem zu festen Terminen dreimal im Jahr von aufgebenden Landwirten Quoten angeboten. Aufstockungswillige Landwirte haben im Gegenzug dafür über die Jahre „Eintrittsgeld in den Kuhstall“ entrichtet, wie es mancher Betriebsleiter etwas sarkastisch formuliert hat.
Die höchsten Preise lagen in Spitzenzeiten bei rund einem Euro für ein Kilogramm Milch. Allein für eine zusätzliche Kuh mit einer Durchschnittsleistung von 7.000 kg Milch im Jahr mussten damit 7.000 Euro eingeplant werden!
Bestandsschutz verfehlt
Ein Jahr vor dem lange beschlossenen Quotenende lag der Börsenpreis mit acht Cent je Kilogramm Milch deutlich niedriger, stellt aber weiter einen nicht unbeträchtlichen Kostenfaktor dar. Damit hat sich die Quote als ein Instrument der Sozialpolitik herausgestellt, sie hat ausscheidenden Landwirten zunächst durch Verpachtung, dann Verkauf der Quote ein Polster für die Alterssicherung gegeben.
Die „Väter der Milchquote“ wollten mit ihren strikten Vorgaben durchaus in die Strukturen eingreifen, hatten aber eher Bestandsschutz im Sinn: Die Milcherzeugung sollte möglichst flächendeckend erhalten bleiben. In Niedersachsen hat es im Laufe der 30 Jahre deutliche Wanderungsbewegungen aus den östlichen Regionen mit dem Schwerpunkt im Ackerbau zu den Grünlandregionen an der Küste gegeben. Auch im südniedersächsischen Bergland gab es beträchtiche Einschnitte in der Milchviehhaltung. Noch mehr gilt dies für die im Vergleich zum Norden kleinstrukturierten Milcherzeugerregionen Süddeutschlands. Dort haben sich in den vergangenen Jahren viele Landwirte aus der Milcherzeugung verabschiedet und ihre Quoten an der inzwischen deutschlandweit agierenden Börse angeboten. Gekauft wurden die Lieferrechte häufig von norddeutschen Landwirten in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein.
Nach der Wiedervereinigung profitierten indirekt westdeutsche Milchviehhalter, weil ihre Kollegen im Osten die Quoten häufig nicht vollständig belieferten. Über die sogenannte Saldierung konnten hiesige Milchbauern ihr Quotenlimit sukzessive erweitern. Für die Zeit nach dem Quotenende fragen nun Verarbeitungsunternehmen die Mengenplanungen der Landwirte ab, staatliche Lenkung dagegen lehnt die Branche ab.
Gabi von der Brelie