Nicht bekehren, sondern informieren

Nicht bekehren

Öffentlichkeitsarbeit Offenheit und Transparenz gelten in der Landwirtschaft als wichtige Bausteine zum gelungenen Dialog mit der Gesellschaft. Dieses Prinzip nahm sich die Informationsgesellschaft Deutsches Geflügel (IDEG) zu Herzen und lud Journalisten kürzlich zum Workshop „Ab in den Hühnerstall“.
Vor 15 Journalisten erklärte Junglandwirt Malte Eickhoff ruhig und sachlich, wie moderne Geflügelhaltung funktioniert. 34.000 Hähnchen werden in diesem 82 m langen Stall in Sprötze (Landkreis Harburg) gemästet, befinden sich gerade in der Endmast. Bereits in den kommenden Tagen werden rund 10.000 von ihnen vorgegriffen, um die Besatzdichte zu verringern. Dennoch sieht es in dem Stall noch luftig aus, sind die Tiere ruhig, merken die Pressevertreter. Und stellen entsprechende Fragen nach der Haltung der Tiere.

Eickhoff erklärt die technisch ausgeklügelte Überwachung des Stallklimas, die Aufzucht der Hähnchen vom Futter über mögliche Behandlungen bis zur Schlachtung sowie das Vertragssystem mit der Firma Rothkötter. „Die Medien berichten meist nicht zeitgemäß. Deshalb sind viele Besucher überrascht, wenn sie unsere Anlage sehen“, sagte Eickhoff.

Nach Brand aufgebaut

Und mit Besuchern kennt sich die Familie Eickhoff aus. „Seit Februar 2011 haben wir rund 70 Gruppen unsere Hähnchenmastanlage gezeigt“, sagte Maltes Mutter Angela Eickhoff. Im Besucherraum mit großem Fenster können sie sich davon überzeugen, wie es den Tieren im Stall geht. „Unser Ziel ist, den Verbrauchern einen Einblick in die moderne Mast zu geben, ohne dass sie den Stall betreten müssen“, sagte sie. Der jetzige Hähnchenstall mit 37.000 Plätzen und dem Besucherraum wurde aufgebaut, nachdem das Original 2010 nach einem Anschlag abbrannte (wir berichteten). Die Täter wurden bis heute nicht gefasst.

Nach diesem Schock diskutierte die Familie lange, ob ein neuer Versuch gestartet und der Stall wieder aufgebaut werden sollte. Doch Malte, der den Betriebszweig auf einem Ausbildungsbetrieb kennen gelernt hatte, lag die Hähnchenmast am Herzen. Mit viel Eigenleistung wurde der Stall wieder aufgebaut. „ Und wir haben hier vor Ort eine tolle Unterstützung erhalten“, sagt er. Wichtig ist es der Familie, dass es sich bei dem Stall um keinen „Schaustall“ handelt, sondern dass unter Marktbedingungen gewirtschaftet wird. „Ohne ein gutes Management gibt es keinen wirtschaftlichen Erfolg, dafür muss Akzeptanz aufgebaut werden“, betont Malte Eickhoff. Dabei wolle man nicht bekehren, sondern informieren.
Diese Botschaft kam bei den Journalisten gut an, von denen die meisten den Workshop für die Hintergrund-Recherche nutzen wollten. Dementsprechend nahmen nur wenige den Titel des Seminars wortwörtlich und machten sich „auf in den Hühnerstall“.

Offener Dialog gefordert

Einen ganzen Tag hatten sich die Pressevertreter Zeit genommen, um sich beim gemeinsamen Workshop des IDEG und des Verlags Rommerskirchen über die moderne Geflügelhaltung In Deutschland zu informieren. Vor dem Besuch des Betriebs Eickhoff in Sprötze führten Vorträge in das Thema ein. „Wir wollen wichtige gesellschaftliche Gruppen umfassend informieren und aufklären. Also fragen Sie uns, wir wollen einen offenen Dialog“, forderte ZDG- und IDEG-Geschäftsführer Dr. Thomas Janning auf als Mitveranstalter auf.

Mareike Kistemaker von der Qualität und Sicherheit GmbH „QS“ erläuterte das QS-System, insbesondere für den Geflügelsektor und erklärte, wie Audits durchgeführt und verbesserte Standards in QS etabliert werden. „QS ist wandelbar“, sagte Kistemaker und erklärte dies anhand des neuen Antibiotika-Monitorings in der Tierhaltung. Um das System in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, habe man nun eine Informationskampagne unter www.qs-live.de im Internet gestartet.

Gute Marktchancen

Margit Beck vom Marktinfo Eier & Geflügel (MEG) analysierte den Markt für Geflügel in Deutschland. So ist der gesamte Fleischverbrauch in Deutschland zwar gedeckelt. „Gerade beim Hähnchenfleisch gab es in den vergangenen Jahren jedoch erhebliche Zuwächse“, erklärte sie. Dennoch hinke der deutsche Geflügelfleischverbrauch dem EU-Level hinterher. Trotz einer Expansion der Schlachtungen decken diese immer noch nicht den hiesigen Verbrauch. Gerade die Futtermittelkosten belasten derzeit die Erzeuger sehr, wobei die Verbraucherpreise tendenziell eher stagnieren. Die Zukunft für Geflügelfleisch bezeichnete Beck als „eher rosig“. Denn die Bevölkerung wachse weltweit und mit steigendem Wohlstand wollen Menschen auch mehr Fleisch essen. Dabei ist Geflügelfleisch die einzige Fleischart, die weltweit mit keinem religiösen Tabu belastet ist.
Fachtierarzt Dr. Erwin Sieverding erläuterte den Antibiotika Einsatz in der Tierhaltung. Er schlug dabei den Bogen von der chemischen Eingruppierung über die Resistenzbildung bis hin zu den Verbrauchsmengen bei Klein- und Nutztieren. So ist der Antibiotika-Einsatz von 2005 bis 2010 zwar um 215 t oder 27 Prozent auf insgesamt 1.000 t gestiegen. Der Anstieg beruht jedoch hauptsächlich auf Verordnungen im Kleintierbereich, wo der Antibiotikaeinsatz um 140 t oder 87 Prozent auf 300 t gestiegen ist. „Bis 2006 waren auch antibiotische Leistungsförderer in Deutschland erlaubt, also müssten für das Jahr 2005 noch 160 t bis 235 t zur Gesamtmenge addiert werden“, erklärte Sieverding. Er ging auch auf die Rückstandproblematik ein. 2011 habe das LAVES 16.862 Proben in Niedersachsen untersucht, nur in 74 Proben, das waren 0,4 Prozent, wurden positive Rückstände gefunden. Dabei habe es sich um Dioxin in Eiern und Schweinefleisch gehandelt.

Diplom-Agraringenieur und Agrarstatistiker Georg Keckl hatte Fakten zum Bild der Geflügelhaltung in den Medien zusammengetragen. „Harte Töne finden leider schnell Eingang in die Presse“, kritisierte er den Einfluss diverser Interessengruppen. Am Beispiel der im November vorgestellten Antibiotika-Studie aus Nordrhein-Westfalen und des anschließenden Presserummels verdeutlichte Keckl, „wie man mit Statistiken lügen kann“.

Für Irritationen sorgte im Nachklang das beim Workshop anwesende Fernsehteam des NDR. Der Beitrag wurde bei „Zapp“ gesendet und kritisierte zum einen, dass zum Workshop keine „Geflügelproduktionskritiker“ geladen worden seien. Zum anderen wurde dem Verlag Rommerskirchen, bei dem auch die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Journalisten-Verbandes erscheint, vorgeworfen, unkritisch und einseitig eine Zusammenarbeit mit der Geflügelwirtschaft eingegangen zu sein. Diese Kritik dürfte auch einige der beim Workshop anwesenden Journalisten „verschnupft“ haben. Denn möglicherweise hätte die eine oder andere kritische Frage des NDR die Diskussion während des Vortragsteils belebt, was vom Veranstalter ausdrücklich erwünscht worden war. Dies hatte das Team jedoch unterlassen. Zum anderen lernen Journalisten bereits in der Ausbildung, dass es ihre Aufgabe ist, noch weitere Meinungen einzuholen. Denn beispielsweise bei Veranstaltungen der CDU wird man sicherlich keinen Redner der Linken erwarten.

Insofern bleibt zu hoffen, dass sich die Geflügelwirtschaft bei ihren Bestrebungen nach mehr Offenheit und Transparenz nicht entmutigen lässt. Denn Aufklärung tut weiterhin not.
Katja Schukies