Vor allem in der Schweinemast müssen sich die Tierhalter zurzeit an das Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel erinnert fühlen. Ähnlich wie der Hase in Buxtehude, der ein aussichtsloses Rennen gegen das Igelpärchen antrat, fühlen sich Tierhalter chancenlos gegenüber munter steigenden Ansprüchen ihrer Abnehmer, Verarbeiter, Vermarkter oder der Gesellschaft insgesamt. Bei dem derzeitigen Preisniveau stellt das viele Betriebsleiter vor schier unlösbare Probleme.
Das jüngste Beispiel liefert gerade die Rewe-Group. Sie will ab 2017 kein Fleisch unbetäubt kastrierter Schweine mehr in ihrem Sortiment dulden, es gar „bannen“. Als Partner der Landwirtschaft bei der Initiative Tierwohl hätte sie ihren Wunsch auch dort vortragen und mit der Landwirtschaft direkt diskutieren können. Doch diesen Weg hat der Kölner Handelskonzern leider nicht gewählt. Auf der Basis höherer Preise könnte Rewe natürlich auch ein Anreizsystem schaffen, das den Erzeugern ebenfalls attraktivere Zahlungen garantiert. Bedauerlicherweise auch dazu keine Silbe aus Köln. Mit keinem Wort schließlich äußert sich die Rewe dazu, ob sie zukünftig Eberfleisch in die Vermarktung aufnehmen will. Ihren Kunden mutet sie damit nur die halbe Wahrheit zu. Denn dieser Schritt muss die logische Konsequenz des von Marketingstategen vollmundig angekündigten Werbecoups sein.
Den niedersächsischen Landwirten steht bislang zumindest kein zugelassenes Inhalationsnarkotikum für die Schweine zur Verfügung. Will die Rewe ihre markige Ankündigung in die Tat umsetzen, wird sie daher unausweichlich Eberfleisch in ihren Fleischtheken akzeptieren müssen. In der Theorie mag es alternative Methoden zur betäubungslosen Kastration geben, doch sind diese Verfahren bisher noch nicht bis zur praktischen Anwendung ausgereift. Hier gibt es noch viele offene Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen. Das müsste auch dem Deutschen Tierschutzbund, der bereits laut Beifall bekundete, bekannt sein.
Die Einschätzung des großen Lebensmitteleinzelhändlers, „die betäubungslose Kastration passt einfach nicht mehr in die heutige Zeit“, muss Tierhalter mehr als nachdenklich stimmen. Mit diesem Argument lassen sich mühelos weitere Forderungen anführen – und das bei dem derzeit absolut beschämend niedrigen Auszahlungspreis von 1,37 Euro je Kilo Schweinefleisch an den Landwirt. Übrigens: Im Märchen vom Hasen und dem Igel blieb der überforderte Hase tot auf dem Felde liegen.
Gabi von der Brelie