Existenzangst Tierhalter verdienen zurzeit kein Geld. Weder in der Milchviehhaltung noch in der Schweinehaltung sind die derzeitigen Preise kostendeckend. „Unsere Produktionskosten sind gestiegen, die Auszahlungspreise der Molkereien dagegen gesunken“, verdeutlichte Landvolkvizepräsident Heinz Korte vergangene Woche vor Journalisten in Berlin.
Mit 27 Ct/kg erhalte er aktuell rund 10 ct/kg weniger als vor Jahresfrist. Von einer Existenzgefährdung sprach Udo Folgart, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Er sieht ein ganzes Bündel von Maßnahmen als notwendig an. Dazu zählt er ein Ende der Niedrigpreisstrategie im Lebensmitteleinzelhandel, politische Initiativen zur Aufhebung des Russlandembargos und eine Exportoffensive. Nach Angaben von Korte leiten Marktexperten allein aus dieser politischen Entscheidung einen Rückgang des Milchpreises um vier Ct/kg ab, Erlösminderungen, die nicht von den Milcherzeugern geschultert werden könnten.
Energisch zurück wiesen Korte und Folgart Vorwürfe, die Milcherzeugung sei nach dem Auslaufen der Quote gesteigert worden, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2015 sei sie deutschlandweit gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent gesunken, EU-weit blieb die Erzeugung nahezu stabil. Wenig Verständnis gibt es für die Superabgabe des letzten Quotenjahres, das Geld solle den Milcherzeugern direkt oder als Unterstützung für das Exportmarketing zugutekommen.
Der europäische Bauernverband COPA spricht von einer „rapiden Verschlechterung“ des Milchmarktes in den vergangenen vier Wochen, die Auszahlungspreise lägen weit unterhalb der Produktionskosten. Er appelliert an die Verantwortung aller Akteure in der Lebensmittelkette, da 88 Prozent der in der EU erzeugten Milch für den europäischen Verbrauch bestimmt seien. Mit Sorge sieht auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt den Milchpreis. Das Produkt sei einen „guten Preis“ wert, die Erzeuger müssten davon leben können. Beim Agrarrat im September soll die Marktlage erörtert werden.
Für Frust unter den Tierhaltern sorgen auch einseitige Medienberichte, die falsche Schlussfolgerungen zuließen, sagte Korte . Dagegen bescheinigten Veterinärämter in Niedersachsen den Milchviehbetrieben, dass in 95 Prozent die Haltungsbedingungen in Ordnung sind. Politisch und gesellschaftlich motivierte Anforderungen dagegen wirken sich kostentreibend auf den Höfen aus. Korte zählt dazu Nachhaltigkeit oder Tierwohl ebenso wie höhere Standards in der Düngeverordnung. „Alle neuen Gesetze und Verordnungen bewirken für unsere Landwirte höhere Kosten, leider finden wir aber niemals einen Adressaten, der zumindest einen Teil des zusätzlichen Aufwandes über höhere Erlöse ausgleichen würde“, schildert Korte den Verdruss vieler Landwirte.
Das trifft leider auch auf die Schweinehalter im Lande zu. Auch sie sehen sich mit stetig steigenden Anforderungen konfrontiert und müssen ständig an Stallbauten und Stalleinrichtungen nachrüsten. „Die Erlöse für unsere Schlachtschweine dagegen sind seit weit mehr als einem Jahr im stetigen Fall und beschämend niedrig“, verdeutlicht Hermann Wester, im Landvolk Niedersachsen Vorsitzender des Veredelungsausschusses. Vor gut einem Jahr erhielten die Schweinemäster für ihre Schlachtschweine kurzzeitig einen Erlös von gut 1,70 Euro je Kilogramm. Danach ging es dauerhaft abwärts, Anfang des Jahres erreichten die Preise einen Tiefpunkt mit weniger als 1,30 Euro je Kilogramm. Die derzeitigen Auszahlungspreise von um die 1,40 Euro je Schlachtschwein und weniger als 40 Euro für das Ferkel sind aus landwirtschaftlicher Sicht bei weitem nicht kostendeckend, fügt Wester an. Auch die Veredelungslandwirte geben dem politisch motivierten Embargo des russischen Marktes eine wesentliche Mitschuld an der derzeitigen Preismisere. Zusätzlich gibt es zurzeit Probleme im asiatischen Markt.
Br