Wolfsmanagement Das Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen Land, Bund und EU muss ein Ende haben, fordern Weidetierhalter. Sie sehen den Deichschutz in Gefahr. Denn: „Tote Schafe können keine Deichpflege betreiben.“
Den Weidetierhaltern läuft die Zeit davon. „Wir können nicht darauf warten, bis eine bundeseinheitliche Genehmigung irgendwann umgesetzt wird. Je länger die Politik die Entscheidung zur Entnahme auffälliger Wölfe hinauszögert, umso schwieriger wird für Weidetierhalter und Bevölkerung die Situation“, mahnte Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers. Er sprach auf der Diskussionsveranstaltung „Immer mehr Wölfe – Was nun?“, zu der das Aktionsbündnis Aktives Wolfsmanagement im Landvolk Niedersachsen nach Walsrode eingeladen hatte. Über 160 Teilnehmer aus Politik, Naturschutz, Wissen- und Landwirtschaft wurden von Jochen Oestmann, Vorsitzender des Kreislandvolkverbandes Lüneburger Heide, gefragt: „Wer hat schon einmal einen Wolf aus nächster Nähe gesehen?“ Mehr als ein Drittel der Zuhörer stand auf.
Mehr Schäden im Winter
Sieben Wolfsrudel sind im Heidekreis bekannt. Trotz der Zäune wurden 44 Schafe und zahlreiche Lämmer gerissen. „Tote Schafe können keine Deichpflege betreiben, und ohne Deichpflege gibt es keinen Hochwasserschutz!“, verdeutlichte Oestmann.
Den aktuellen Stand des Wolfmonitorings stellte Raoul Reding, Wolfsbeauftragter der Landesjägerschaft vor. „Im Winter gibt es die meisten Nutztierschäden – überwiegend Schafe, Ziegen und zunehmend Rinder“, berichtete Reding. Er bestätigte, dass Weidetierhalter mit wenigen Tieren immer seltener Wolfsrisse meldeten. Auch wenn damit viel Aufwand verbunden sei, rief er dazu auf, Risse zu melden. Nur dann finden sie Eingang in die Statistik.
Den Konflikt zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz und Naturschutz mit dem Wolf beschrieb Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft. Zu klären sei, was ein günstiger Erhaltungszustand ist. „Wenn die Politik fordert, dass der Wolf reguliert werden soll, dann gehört er ins Jagdrecht“, stellte er fest.
Entnahme als Einzelfall
Für das Landwirtschaftsministerium ist der Schutz der Bevölkerung das A und O. Das machte Abteilungsleiter Prof. Ludwig Theuvsen deutlich. Der Schutz des Wolfes, der Bevölkerung sowie die Interessen der Tierhalter seien nicht einfach „unter einen Hut zu bekommen“, im Einzelfall machte Theuvsen sich für eine Entnahme stark. „Junge Familien fühlen sich auf dem Land nicht mehr sicher. Es kann nicht sein, dass die Kinder des Waldkindergartens mit Trillerpfeifen in den Wald ziehen müssen“, beklagte Dörte Stellmacher vom Niedersächsischen Landfrauenverband Hannover (NLV). Für wolfsfreie Regionen plädierte der FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker. Nach seiner Beobachtung regen sich in erster Linie Städter, die selbst nicht betroffen sind, über einen Wolfsabschuss auf. Einen Mangel an Information beklagte Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des Nabu, denn Wölfe verhielten sich nicht aggressiv gegenüber Menschen.
Umweltminister Olaf Lies sah eine enorme Bandbreite von Positionen. Pragmatische Ansätze seien nötig, doch es fehle die Handlungsgrundlage, räumte er seine politische Ohnmacht ein. Ihm sei bewusst, dass Deiche und Heide nicht wolfssicher eingezäunt werden können. Trotzdem müsse ein Nebeneinander von Wolf, Mensch und Weidetierhaltung möglich sein.
„Endlich entscheiden!“
Manfred Tannen, Präsident des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Ostfriesland, bekam Beifall für seine drastischen Worte: „Der Wolf wird die Weidetierhalter ausrotten. Ich bekomme eindeutige Signale meiner Deichschäfer, dass sie aufhören werden!“
„Die Brisanz der Thematik wurde bei dieser Veranstaltung noch einmal ganz deutlich“, fasste Jörn Ehlers zusammen. Der Umweltminister könne eine klare Botschaft nach Hannover und Berlin übermitteln: „Das Ping-Pong-Spiel zwischen Land und Bund und EU muss beendet und endlich eine Entscheidung getroffen werden. Die Entnahme auffälliger Wölfe ist Teil einer Lösung“, lautete sein Fazit.
Silke Breustedt-Muschalla