Tierhalter vor ungewisser Zukunft

Tierhalter vor ungewisser Zukunft - Foto: Landvolk
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Tierschutz „Wie will ich Bauer sein? Wie kann ich Tiere besser halten?“ Solche Fragen treiben auch die Tierschutzbeauftragte des Landes um, stellten die Vorsitzenden des Landvolkes beim intensiven Meinungsaustausch mit ihr fest.

Als einer der ersten Verbände sei das Landvolk auf sie zugekommen, sagte Dr. Michaela Dämmrich, die zum Verbandsrat nach Hünzingen gekommen war. Die 54-jährige Tierärztin ist seit Mai Tierschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen. Neben der nachhaltigen Finanzierung von Tierheimen oder einem Register für Hunde und Katzen geht es ihr um eine Tierhaltung, in der die Nutztiere ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten ausleben können.

 „Mir ist bewusst, dass es viel Geld kostet, aber ich möchte mit ihnen ausloten, wie wir es hinbekommen“, ermunterte sie zu Selbstreflexion und aktivem Handeln. Dämmrich sprach den „Druck der Gesellschaft zu Änderungen in der industriellen Nutztierhaltung“ an, sah aber auch die wirtschaftliche Zwickmühle der Landwirte, sich immer wieder auf neue Anforderungen einzustellen.
Hier setzten mehrere Vorsitzende an, wie Johann Knabbe aus Stade. Ihm fehlte eine Definition der Begriffe tiergerecht, artgerecht oder wesensgerecht. Er versicherte: „Ich kann Nutztiere tiergerecht halten, und das mache ich auch in alten Ställen“. Auch Manfred Tannen aus Wittmund wünschte sich eine genauere Analyse der gesellschaftlichen Ansprüche und sagte: „Wir sind uns vermutlich im Grundtenor näher, als wir vermuten“. Wie er verwahrten sich Enno Garbade aus Wesermünde und Jürgen Menthe aus Celle dagegen, allein auf jene gesellschaftlichen Gruppen zu hören, „die am lautesten schreien“. Vizepräsident Albert Schulte to Brinke wünschte sich eine stärkere Differenzierung: Was will die Gesellschaft, was vertreten Nichtregierungsorganisationen? Stallbauten seien langfristige Investitionen und auch für Fortschritte im Tierschutz nötig. „Da bin ich bei ihnen“, versicherte Dämmrich und regte Prototypen mit einem langen Ausstiegsszenario für nicht mehr gewünschte Haltungsformen an.

Grenzen der Regionalität
Ihr Werben für regionale oder alternative Erzeugung und Vermarktung stieß in dem Gremium weitgehend auf Skepsis. Die Gewinne im Ökolandbau würden weitgehend durch die höhere Förderung ermöglicht, relativierte Schulte to Brinke.

Der Goslarer Jürgen Hirschfeld sprach fehlende Vermarktungsperspektiven für umstellungswillige Landwirte an, Erich Hinrichs, Präsident des landwirtschaftlichen Hauptvereins für Ostfriesland, rechnete vor: 2,8 Tonnen Milch müsse jeder Ostfriese trinken, wenn die dort erzeugte Milch regional vermarktet werden solle, aber die Hamburger gingen dann leer aus!  
Tobias Göckeritz aus Mittelweser sprach von einem „Risikospiel“, da die Vermarktung nicht sichergestellt sei. Nach Einschätzung von Karl-Friedrich Meyer aus dem Weserbergland sind Ökolandwirte mit Blick auf eine wachsende Konkurrenz alarmiert, weil die Vermarktungschancen nicht in demselben Maße wachsen.

Tobias Göckeritz sprach die Familien und Menschen auf den Höfen an, sie müssten in den Mittelpunkt der Politik gerückt werden und benötigten Unterstützung. Er sah aber einen „Scheidepunkt“, da es keine Bauanträge mehr gebe und damit für viele bäuerliche Familien die Zukunft der Branche als ungewiss einzustufen sei.

Auch Bauern in Gefahr
Volker Hahn aus Hannover wünschte sich eine gewisse Achtung für das Handeln der Landwirte. Der Ostfriese Hinrichs vermisste klare Visionen, so kritisiere die Wissenschaft die Tierhaltung als nicht okay, zeige aber keinerlei Alternative auf. Niedersachsen wolle Agrarland Nr. 1 bleiben, feiere aber den Investitionsstopp im Stallbau – „Wo bleibt da die Verantwortung?“, fragte er.
„Wenn ich den Tierschutz in aller Konsequenz durchdenke, dann kommt er auch den familiären bäuerlichen Betrieben zugute, denn ich sehe durch die Ausbreitung von industrialisierter Tierproduktion großen Stils auch die Bauern und die vielfältige ländliche Landschaft und Kultur, die durch bäuerliche Familienbetriebe geprägt wurde, in Gefahr“, meinte die Tierschutzbeauftragte. Sie habe Angst, dass viele der kleinen Höfe aufgeben.

Genau diese Sorge treibt auch die Landvolkvorsitzenden als Repräsentanten von 37.200 Landwirten in Niedersachsen um. „Wir wollen eine akzeptierte Zukunft für diese Familien“, sagte Präsident Werner Hilse und lud die Tierschutzbeauftragte, die nach eigenen Angaben seit Amtsantritt bisher kaum Ställe gesehen hat, dazu ein, sich auf einigen Höfen ein eigenes Bild von landwirtschaftlicher Nutztierhaltung zu machen.
Br