Überfällige Novelle in Kraft getreten

Überfällige Novelle in Kraft getreten - Foto: landpixel
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Realverbände Nach langjähriger Diskussion hat der niedersächsische Landtag im Herbst eine grundlegende Novellierung des Realverbandsgesetzes beschlossen und damit eine Lücke des bisherigen Gesetzes geschlossen. Rechtsanwalt Jens Haarstrich vom Landvolk Niedersachsen erklärt die wesentlichen Neuerungen.
Die Einstellung gegenüber Realverbänden hat sich in jüngster Vergangenheit grundlegend gewandelt. Die Wirtschaftswege wurden dort, wo es keine Realverbände gibt, das letzte Mal grundlegend in den 60er- und 70er-Jahren erneuert. Seither hat sich auch die Landwirtschaft stark gewandelt, die Anforderungen an ein modernes Wirtschaftswegenetz sind gestiegen. Gleichzeitig soll die Wegeunterhaltung unbürokratisch und möglichst kostengünstig erfolgen. Die Finanzierung soll nicht durch wenige Anlieger, sondern über einen einheitlichen Flächenmaßstab erfolgen – alles Dinge, die vom Realverband zu regeln sind.

Daher wird vielerorts die Gründung eines Realverbandes gefordert, was aber nach bisherigem Recht nur innerhalb von Flurbereinigungsverfahren möglich war. Eine Neugründung von Forstgenossenschaften, die eine forst- und betriebswirtschaftlich sinnvolle Bewirtschaftungsform im Wald darstellen kann, war nach dem bisherigen Realverbandsgesetz kaum möglich.

Initiative war erfolgreich
Das Landvolk Niedersachsen ist daher auf die Landespolitik zugegangen und hat sich für eine Anpassung des Gesetzes stark gemacht. Es sollte die Neugründung und Erweiterung von Realverbänden zulassen. Der Berufsstand musste in den zurückliegenden Jahren in zahllosen Veranstaltungen und Gesprächen einige Überzeugungsarbeit leisten. Schließlich hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, der in weiten Teilen die Forderung des Berufsstandes aufgegriffen hat. Das Gesetz ist inzwischen in Kraft getreten.
Bestehende Realverbände müssen sich kaum auf Veränderungen einstellen. § 23 Abs. 5 Realverbandsgesetz (RealVerbG) regelt nun klar, unter welchen Voraussetzungen Vorstandsmitglieder und andere Mitglieder an Abstimmungen nicht teilnehmen dürfen, wenn sie nach Ansicht des Gesetzgebers befangen sind.
Dies trifft für Vorstandsmitglieder bei Abberufung und Entlastung des Vorstandes zu, für Beschlüsse über die pauschalierte Aufwandsentschädigung für den Vorstand sowie für den Verzicht oder die Stundung von Ansprüchen des Realverbandes gegen Vorstandsmitglieder. Ist ein Mitglied an einem Vertragsschluss mit dem Realverband beteiligt, darf es bei der Abstimmung über die Verfügung oder Belastung von Verbandsgrundstücken oder der Ausübung des Vorkaufsrechts an einem selbstständigen Verbandsanteil nicht votieren. Ferner darf das Mitglied nicht über eine Vereinbarung über seinen eigenen Ausschluss aus dem Verband sowie die unentgeltliche Übertragung von Verbandsvermögen auf ihn mit abstimmen. Damit ist die in der Praxis immer wieder aufkommende Frage, wann Vorstand oder Mitglied an einer Abstimmung gehindert sind, abschließend geklärt.

Das Gesetz lässt nun die Gründung oder Erweiterung von Realverbänden auch außerhalb von Flurbereinigungsverfahren zu. War vorher unklar, ob innerhalb von Waldflurbereinigungsverfahren Forstgenossenschaften gegründet werden können, so ist dies nun nach § 48 c RealVerbG möglich. Voraussetzung ist die Zustimmung aller zukünftig beteiligten Grundeigentümer, die einen Antrag an die zuständige Aufsichtsbehörde (in der Regel an den Landkreis) und innerhalb von Waldflurbereinigungsverfahren an die Flurbereinigungsbehörde (LGLN) auf Neugründung eines solchen Bewirtschaftungsverbandes stellen. Umfasst die Fläche fünf Hektar und mehr und hat der anvisierte Verband mindestens drei Mitglieder, macht die zuständige Behörde die Gründung öffentlich bekannt. Anschließend wird eine Mitgliederversammlung einberufen, um der Genossenschaft eine Satzung zu geben und einen Vorstand zu wählen. Bestehende Verbände mit selbständigen Verbandsanteilen, wie etwa Forstgenossenschaften und Realgemeinden, können per einstimmigem Beschluss der Mitgliederversammlung neue Mitglieder aufnehmen, die beispielsweise ihre Forstflächen in den Realverband einbringen. So lässt sich eine vernünftige Waldbewirtschaftung in forst- und betriebswirtschaftlich sinnvoller Größe sichern.

Forderung realisiert
Außerdem ist es endlich möglich, neue Realverbände mit unselbstständigen Verbandsanteilen (Unterhaltungsverbände) zu gründen, die beispielsweise von Gemeinden Wege und Gräben übernehmen. Damit hat der Gesetzgeber eine zentrale Forderung des Landvolks umgesetzt. Grundeigentümer empfinden die Finanzierung des Wegeausbaus von Gemeinden über Anliegerbeiträge als ungerecht. Den Gemeinden ist oft daran gelegen, Wege und Gräben abzugeben. Eine Neugründung ist auf Antrag eines oder mehrerer Grundeigentümer möglich. Der bisherige Eigentümer der zu übernehmenden Wege bzw. Gräben muss der Neugründung zustimmen. Im Gründungsverfahren ist es erforderlich, dass der Neugründung zwei Drittel der zukünftigen Mitglieder nach „Köpfen und Fläche“ zustimmen. Stimmt die Mitgliederversammlung eines bestehenden Unterhaltungsverbandes zu (etwa einer Feldmarkinteressentenschaft), dann kann der Verband bzw. das Verbandsgebiet erweitert werden.

Inzwischen hat es erste Informationstermine und Besichtigungen von Realverbänden gegeben. Kommt eine Neugründung oder Erweiterung in Betracht, dann ist eine frühzeitige Beratung durch das Landvolk sowie eine rechtzeitige Kontaktaufnahme mit den Gemeinden als Wegeeigentümern ratsam.
Jens Haarstrich,
Landvolk Niedersachsen