Und sie bewegt sich doch!

Und sie bewegt sich doch! - Foto: landpixel
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GAP-Reform  Lange vermittelte die Europäische Kommission den Eindruck des Standhaften. Änderungen in den Entwürfen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) schienen kaum durchsetzbar. Egal, ob die Mitgliedsstaaten Wünsche vorbrachten oder das EU-Parlament: Die EU-Kommission regte sich nicht. Doch dank der dänischen Ratspräsidentschaft scheint Bewegung in die Diskussion zu kommen.

Ausgangspunkt für die Diskussionen zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 sind derzeit die Berichte und Verordnungsentwürfe der drei maßgeblichen Akteure:

  •  der EU-Kommission mit ihren Verordnungsentwürfen zur GAP vom 12. Oktober 2011,
  •  den Entwürfen der Berichterstatter des Europäischen Parlaments zu den Direktzahlungen, zur Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) und zu den horizontalen Fragen (aus Mai 2012) sowie
  •  den „Kompromisslinien“, die die dänische Ratspräsidentschaft zum Ende ihrer Amtszeit am 30. Juni formuliert hat.

Noch mehr Änderungen
„Übereinander gelegt“ sind die­se Papiere bei weitem noch nicht deckungsgleich. Auch werden die Europaparlamentarier nicht müde zu betonen, es handele sich bei den Berichtsentwürfen um die Entwürfe der Berichterstatter und nicht um die Berichtsentwürfe des Parlaments. Zahlreiche Änderungsanträge der Parlamentarier würden noch erwartet. Einsendeschluss dafür war der 10. Juli. Die endgültige Abstimmung soll von September bis November 2012 erfolgen.
Darüber hinaus fällt dem interessierten Beobachter folgendes auf: Im Rahmen von Veranstaltungen zum Thema GAP mit hochrangigen Vertretern der EU-Kommission, des Europäischen Parlaments und Vertretern der Mitgliedstaaten – wie jüngst im Verlauf des Deutschen Bauerntages in Fürstenfeldbruck – wird immer wieder deutlich, der Wille zur Einigung ist da! Allerdings werden häufig Lösungsvorschläge präsentiert, die am eigentlichen Problem völlig vorbei gehen. Anders ausgedrückt betonen die Experten übereinstimmend ihre Sicht der Dinge, reden inhaltlich aber komplett aneinander vorbei. Es bleibt also mühsam. Schließlich kann die GAP als zu komplex bezeichnet werden, als dass „hochrangige Vertreter“ sie noch durchschauen könnten.

Die Kompromisslinien
Unter dem Strich aber zeichnen sich einige Kompromisslinien ab, zum Beispiel beim Streitthema Greening. Alle Akteure sind sich einig, dass ein Greening der Direktzahlungen kommen muss, damit der EU-Agrarhaushalt von allzu schmerzlichen Kürzungen verschont bleibt. Bei der Einbindung des aus berufsständischer Sicht „No-go“-Themas ins System und dessen Umfang scheint sich die Kommission durchzusetzen. Danach könnte das Greening in der 1. Säule angesiedelt werden. Es deutet zurzeit wenig auf eine „Menüauswahl“, sondern mehr auf die obligatorische Einführung der „Anbaudiversifizierung“, der „einzelbetrieblichen parzellenscharfen Grünlanderhaltung“ und der „Flächennutzung im Umweltinteresse“ in allen Mitgliedstaaten hin.

Bei der „Anbaudiversifizierung“ könnten kleinere Betriebe (bis 20?ha Ackerland) „entlastet“ werden, indem sie statt drei zwei Ackerkulturen anbauen müssen. Darüber hinaus werden Ausnahmetatbestände diskutiert, zum Beispiel wenn das Ackerland vollständig für die Graserzeugung oder andere Futterpflanzen genutzt wird, oder wenn das Ackerland weniger als 50?ha beträgt und mehr als 80?% der förderfähigen Fläche des Betriebs als Dauergrünland und traditionelle Weide genutzt werden.

Dauergrünland
Bei der „Beibehaltungsverpflichtung für Dauergrünland“ auf einzelbetrieblicher, parzellenscharfer Ebene mit fünfprozentiger Umwandlungsmöglichkeit soll es bleiben. Lediglich die Fünfjahresregelung, nach der fortlaufender Grasanbau auf Ackerflächen zum Dauergrünlandstatus führt, soll auf acht Jahre erweitert werden.
Damit sehen die Kommissionsvertreter dieses Problem „entschärft“, nehmen aber den größten Pferdefuß der beabsichtigten Neuregelung offensichtlich nicht wahr. Bisher sind die Landwirte trotz des Umbruchverbots zum Beispiel in Niedersachsen beim Dauergrünland noch in gewisser Weise flexibel. Sie können auf Antrag Dauergrünland umbrechen, um es auf derselben Parzelle oder auf anderen Flächen des Betriebes wieder neu anzusäen oder auch neu auf einem anderen Betrieb anlegen lassen. Diese Flexibilität gibt das Ciolos-Modell vermutlich nicht her, wenn bis auf die fünfprozentige Umwandlungsmöglichkeit das Dauergrünland des Antragstellers parzellenscharf beibehalten werden muss.

Greening
Bei der siebenprozentigen „Flächennutzung im Umweltinteresse“ gibt es mit Blick auf den Prozentsatz des Flächenumfangs ebenfalls wenig Bewegung. Flächen, die in Agrarumweltprogramme eingebracht wurden, die einen „gleichwertigen oder zusätzlichen Nutzen“ stiften, sollen auf die sieben Prozent angerechnet werden können. Diskutiert wird darüber hinaus, bestimmte Kulturen auf diesen Flächen (zum Beispiel ohne Stickstoffdüngung) im Anbau zuzulassen, „Kommunale Landschaftselemente“ auf die Greening-Leistung anzuerkennen und „kleinere Betriebe“ von dieser Verpflichtung zu befreien. Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments schlägt darüber hinaus vor, den Prozentsatz auf fünf Prozent zu reduzieren, wenn mehrere Landwirte gemeinsame, aneinander anliegende ökologische Vorrangflächen anlegen. Schließlich wird auch diskutiert, den Kreis der ohnehin „gegreenten“ Betriebsinhaber im ökologischen Landbau auch auf Landwirte auszudehnen, die zum Beispiel an „Umweltzertifizierungssystemen“ teilnehmen.

In puncto „Sanktionierung“ zeichnet sich noch keine Einigung ab: Die Kommission bleibt bei ihrer Forderung, je nach Schwere des Verstoßes gegen das Greening auch die Basisprämie zu kürzen. Viele Mitgliedstaaten und der Parlamentsberichterstatter lehnen dies als „zu scharf“ ab und fordern eine Begrenzung auf die „grüne Prämie“. Die Umverteilung der Direktzahlungsmittel zwischen den Mitgliedstaaten soll nach Vorstellung des Parlamentsberichterstatters sechs Prozent betragen, er würde Deutschland im Durchschnitt nach den Ciolos-Vorschlägen vier Prozent des Mittelvolumens kosten!

Zahlungsansprüche
Bei der Einziehung der vorhandenen und Zuteilung neuer Zahlungsansprüche zeichnet sich ebenfalls eine gewisse Bewegung ab. Die Kommission hat bis zuletzt in den Ratsarbeitsgruppen immer wieder betont, das Ziel des neuen Direktzahlungssystems sei, möglichst viel landwirtschaftliche Fläche zu erfassen und zu integrieren, damit auch das Greening eine bereite Wirkung entfalten könne.
Historische Referenzen müssten überwunden werden, das Zahlungssystem solle daher neu aufgestellt werden – dies erfordere eine Neuzuteilung der Zahlungsansprüche in 2014. Dies gelte im Übrigen auch für Mitgliedstaaten mit Regionalmodell, wie in Deutschland. Hier sollten mit dem Kommissionsvorschlag negative Effekte auf den Bodenmärkten durch Einziehung und Neuzuteilung der Zahlungsansprüche vermieden werden, indem zum Beispiel bisherige Verpächter nicht selbst wieder Zahlungsansprüche beantragen können. Neuerdings kommen auf Druck einiger Mitgliedsstaaten und des Parlamentsberichterstatters von der Kommission andere Töne. Die Beibehaltung vorhandener Zahlungsansprüche in Mitgliedstaaten mit Regionalmodell könne eventuell in das Ermessen des Mitgliedstaates gestellt werden.

Bei den beabsichtigten Zuschlägen für Direktzahlungen an Junglandwirte gibt es nur noch Differenzen in der Frage, ob diese obligatorisch (Kommissionsmeinung) oder fakultativ (Meinung einiger Mitgliedstaaten) sein sollen. Ähnliches gilt für die Kleinlandwirteregelung.

Aktiver Landwirt
Bei der Definition des „aktiven Landwirts“ ist die Kommission von ihrem Vorschlag abgewichen, künftig allen Antragstellern mit mehr als 5.000 Euro Direktzahlungen jährlich den Nachweis abzuverlangen, dass sie die aufgestellten Kriterien erfüllen. Danach sollen Landwirte, deren jährlicher Betrag der Direktzahlungen weniger als fünf Prozent ihrer Gesamteinkünfte aus nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten im jüngsten Steuerjahr ausmacht, laut Verordnungsentwurf keine Direktzahlungen erhalten.
Die Kommission sympathisiert nun mit der vom Berichterstatter des EU-Parlaments vorgeschlagenen „Negativliste“, obwohl der juristische Dienst der Kommission Bedenken anmeldet. Danach sollen die Mitgliedstaaten Kriterien festlegen, die Direktzahlungen an folgende natürliche oder juristische Personen ausschließen:

  • deren landwirtschaftliche Tätigkeit nur einen „nichtsignifikanten Teil“ ihrer gesamten wirtschaftlichen Betätigung ausmacht oder
  • deren grundsätzliche Unternehmenszwecke nicht die Durchführung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit umfassen, wobei diese Betriebsinhaber den Beweis erbringen können sollen, dass die oben genannten Kriterien bei ihnen nicht erfüllt sind.

Kappung
Gegen die „Kappung der Direktzahlungen“, wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen, gibt es keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten. Der Berichterstatter des EU-Parlaments schlägt ab dem Betrag von 250.000 Euro Direktzahlungen sogar einen noch höheren Abzug von den Betriebsprämien vor.
Bei der „Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete“ bleibt die Kommission bei ihrer Linie und verweist auf die Möglichkeit der „Nachjustierung nach „nationalen Kriterien“. Der Parlamentsberichterstatter fordert wie viele Mitgliedstaaten einen Aufschub der Neuabgrenzung bis 2015. Zudem hält die Kommission kompromisslos am Auslaufen der Zuckermarktordnung in 2015 fest, während Parlament und viele Mitgliedstaaten eine Verlängerung bis 2020 fordern.

Mehr Optimismus
Fazit: Es kommt Bewegung in die Diskussion, einige Kompromisslinien zeichnen sich ab. Dennoch ist es bis zur endgültigen Einigung noch ein schwieriger Weg. Ob diese Einigung so rechtzeitig erfolgen wird, dass auch noch eine fristgerechte Umsetzung möglich ist, bleibt offen. Entscheidend wird eine zügige Einigung auf den finanziellen Rahmen sein. Auch dazu ist am Ende der dänischen Ratspräsidentschaft wieder etwas mehr Optimismus eingekehrt. Ende 2012 wird hier als Ziel angegeben, um dann im Frühjahr 2013 zum Abschluss des Reformvorhabens zu kommen.

Dr. Wilfried Steffens, Landvolk Niedersachsen