EIN KOMMENTAR VON Gabi von der Brelie
Food first – Lebensmittel zuerst! Es bedurfte nicht eines Sommerinterviews mit Entwicklungsminister Dirk Niebel, um diese Einstellung zu transportieren. Sie entspringt dem Berufsethos eines Landwirtes, eines Bioenergiewirtes ebenso wie der eines Tierhalters oder Ackerbauern. Landwirte sind Nahrungsmittelproduzenten – aus Überzeugung.
Landwirte sind daneben auch Energieproduzenten, nicht erst seit heute, sondern ebenfalls mit langer Tradition, in jüngster Zeit zudem politisch gewünscht. Die im vergangenen Jahr von der Bundesregierung beschlossene Energiewende setzt auf erneuerbaren Energien, die Klimaschutzziele der Europäischen Kommission sowie das von der UN vereinbarte Abkommen von Rio weisen in dieselbe Richtung. Soweit die hehren Ziele. Nicht nur Politiker schreiben sie sich auf die Fahne, sondern auch Bürgerinnen und Bürger äußern in Interviews gerne ihre Zustimmung dazu. Nur teurer werden dürfen Strom und Wärme aus Sicht des Verbrauchers nicht, ansonsten erlahmt die Begeisterung für Bioenergie rasch.
Und hier wildert Minister Niebel mit seiner Kritik an E10. Auftrieb erhält die Debatte durch die Jahrhundertdürre in den USA. Sie hat die Preise für Mais und andere Getreidearten aktuell stark nach oben getrieben. Der Berliner Agrarökonom Harald von Witzke misst der Bioenergieproduktion nur einen marginalen Einfluss im Wert von 0,1 Prozent auf das Preisgeschehen bei, solche Fakten passen dem Minister offenbar nicht in den großen Auftritt.
Der deutsche Entwicklungsminister sollte sich vielleicht Gedanken darüber machen, wie in Ländern mit Nahrungsmittelmangel wirksam und nachhaltig ein Anreiz für eine größere und zugleich umgeweltgerechte Erzeugung vor Ort gesetzt werden kann. Eine wachsende Weltbevölkerung erfordert zweifelsfrei eine höhere Produktion von Lebensmitteln, nicht nur in Europa oder den USA, sondern noch mehr in afrikanischen, südamerikanischen oder asiatischen Staaten.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien hierzulande wurde in Zeiten der Überschüsse begonnen, damals prophezeite eine grüne Agrarpolitikerin namens Renate Künast den Landwirten eine Zukunft als „Ölscheichs“. Inzwischen justiert der Gesetzgeber über das EEG an vielen Stellschrauben nach. Der Preis reguliert noch ökonomischer Angebot und Nachfrage. Er lenkt landwirtschaftliche Rohstoffe in die Nahrungsmittelerzeugung oder eben in die energetische oder industrielle Verwertung. Der populistisch motivierte Ruf nach einem radikalen „Stopp“, wie er gerade im medialen Sommerloch landauf landab durch die Gazetten wabert, dient weder dem ehrgeizigen Projekt Energiewende, noch geht er den Ursachen des Hungers in zu vielen Regionen der Welt auf den Grund. Er ist einfach nur unüberlegt und ärgerlich!
Gabi von der Brelie