Stallbau Landwirtschaftliche Gerüche führten in der Vergangenheit in einigen Gebieten Niedersachsens faktisch zu einer Bausperre. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil gesprochen, dass Landwirte aufatmen lässt.
Viele landwirtschaftliche Bauvorhaben in Niedersachsen scheiterten in der Vergangenheit an der strengen Anwendung der Geruchsimmissionsrichtline (GIRL) durch die Landkreise. Ausgelöst hatte diese Misere ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg (Urteil vom 9.6.2015, 1 LC 25/14), das eine Baugenehmigung selbst dann für rechtwidrig erachtete, wenn die Immissionswerte die GIRL-Grenzwerte zwar überschreiten, durch den Ausbau aber insgesamt sanken, etwa durch zusätzliche Filter.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dieses Dilemma nun mit einer wegweisenden Entscheidung gelöst und das Urteil des OVG Lüneburg mit strikten Vorgaben aufgehoben.
Der Revisionskläger des zu entscheidenden Falls ist ein Landwirt, der auf seiner Hofstelle am Ortsrand einen Ferkelaufzuchtstall betreibt. Der Landkreis hatte ihm den Neubau eines Ferkelaufzuchtstalls für 1.920 Ferkel, drei Futtesilos und einen Güllebehälter genehmigt. Die von allen neun landwirtschaftlichen Betrieben in der näheren Umgebung ausgehenden Geruchsimmissionen von 34,7 % der Jahresstunden verringern sich durch den modernen Neubau um 1 % auf 33,7 %. Die Orientierungswerte für Geruch nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) mit dem geplanten neuen Stall werden jedoch immer noch überschritten.
Eine Nachbarin mit Wohngrundstück hatte gegen die Baugenehmigung des Landwirts geklagt. Das OVG Lüneburg gab ihr in zweiter Instanz Recht. Es war der Ansicht, dass landwirtschaftliche Vorhaben in geruchsbelasteten Gebieten auch dann unzulässig sind, wenn sich die Immissionslage insgesamt verbessert, denn eine Überschreitung der Werte nach der GIRL sei rücksichtslos. Weitere landwirtschaftliche Bauvorhaben in geruchsbelasteten Gebieten würde die unzumutbare Immissionslage verfestigen.
GIRL ist Orientierungshilfe
Ob ein einzelner bauwilliger Landwirt in der Lage ist, für die Einhaltung des Geruchswertes von 15 Prozent der Jahresstunden zu sorgen, war nach Auffassung des OVG unerheblich: Die Landwirte würden eine „Schicksalsgemeinschaft“ bilden und müssten sich dann eben über „gemeinsame Anstrengungen zur Immissionsminderung“ einigen. Diese Entscheidung hat in der Praxis zu einer völligen Bausperre in den betroffenen Dörfern geführt.
Das BVerwG hat das Urteil des OVG nun aufgehoben und entschieden, dass die übermäßig strikte Anwendung der GIRL durch das OVG das Baurecht der Landwirte unverhältnismäßig einschränkt (Urteil vom 27.6.2017, Az. 4 C 3.16). Jeder, der ein Gebäude errichten will, muss auf seine Nachbarn Rücksicht nehmen und darf keine unzumutbaren Gerüche verursachen. Um zu beurteilen, welche Gerüche zumutbar sind, kann, so die Richter des BVerwG, auf die Geruchsimmissionsrichtlinie zurückgegriffen werden.
Dabei dürfen aber diese Werte – anders als das OVG es gemacht hat – nicht strikt in der Weise angewendet werden, dass das Baurecht bei einer Überschreitung der Werte auf Null reduziert wird. Sie ist vielmehr nur eine Orientierungshilfe. Das notwendige Ausmaß an Rücksichtnahme wird nicht durch „sklavisch“ angewendete Richtwerte bestimmt, sondern auch durch die vorgefundene Umgebung, wie sie nun einmal ist. Ohnehin schon vorhandene Immissionen muss ein Nachbar in der Regel hinnehmen. Das, meint das BVerwG, führt zu dem Ergebnis, dass ein Bauvorhaben in der Regel schon dann zulässig ist, wenn es die Immissionslage nicht noch weiter verschlechtert. Ganz direkt wendet sich das oberste Verwaltungsgericht auch dagegen, dass das OVG Lüneburg mit seiner Entscheidung Landwirte, die investieren wollen, faktisch für die Immissionen anderer Berufskollegen im selben Dorf verantwortlich macht. Es sei nicht gerechtfertigt, dem Bauherrn sein Baurecht nur deswegen vorzuenthalten, weil die Betreiber anderer Anlagen ihre gesetzlichen Pflichten nicht erfüllen.
Gericht: Kein Sippenhaft
Die Entscheidung ist für Landwirte eine gute Nachricht. Baugenehmigen in geruchsbelasten Dorfgebieten sind wieder möglich. Damit sind zwar nicht alle Geruchsprobleme gelöst, der Blick der Juristen wird nun aber auf die immissionsschutzrechtlichen Pflichten der Stallbetreiber gelenkt. Das führt aber nicht zu einer Bausperre, sondern ermöglicht flexible Lösungen und zeigt vor allen Dingen, dass jeder seine eigenen Immissionen selbst in der Hand hat und nicht für die Immissionen des Nachbarn haftbar gemacht wird.
Zusammengefasst: Hat sich die Immissionslage wegen alter Baugenehmigungen verfestigt, müssen die im Immissionsschutzrecht geregelten Betreiberpflichten für Betreiber von immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen genau erfüllt werden. Sind sie aber erfüllt, dann darf eine Baugenehmigung nicht alleine deswegen verweigert werden, weil die Orientierungswerte nach GIRL nicht eingehalten sind.
Da das BVerwG die Entscheidung aufgehoben hat, muss das OVG den Fall neu verhandeln und entscheiden und dabei die Kriterien des BVerwG beachten. Rechtsanwalt
Jens Poppe, Farven