Verlorenes Vertrauen zurückgewinnsen

Verlorenes Vertrauen zurückgewinnsen - Foto: Rathmann
Foto: Rathmann

Amtswechsel Welche Schwerpunkte setzt die neue Landesregierung in der Agrarpolitik? Unmittelbar nach ihrer Berufung sprach LAND & Forst mit Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) über ihre Ziele.

Seit Ihrer Berufung haben Siesicher sehr viele Glückwünsche erhalten. Wie geht es Ihnen damit?
Als „Frau Ministerin“ angesprochen zu werden, fühlte sich anfangs natürlich noch ein wenig komisch an. Ich spürte aber auch gleich, dass damit Erwartungen verbunden sind, das Amt gut auszufüllen. Das sehe ich als Auftrag und große Verpflichtung.
Gehören die Schlagworte Digitalisierung und Breitband ab sofort auch zu Ihrem Alltagswortschatz?
Spätestens seit den Wahlkampffahrten sind sie Dauerbrenner. Darüber ist jetzt auch lange genug geredet worden, da wird sich etwas tun. Allerdings ist beides nur Mittel zum Zweck. Letztendlich geht es darum, dass unsere Dörfer leben sollen. Wer Familien für das Landleben begeistern will, der muss nicht nur Breitband anbieten, sondern auch die Kinderbetreuung, damit die jungen Frauen arbeiten gehen können. Nicht immer geht es um mehr Geld. Dringend überprüfen wollen wir zum Beispiel, wo bürokratische Hürden ehrenamtliche und private Projektträger behindern.
Welche Themen werden Sie zuerst angehen?
Da stehen Düngeverordnung und Tierwohl ganz vorn. Beim Thema Nährstoffe möchte ich, dass sich alle Akteure – also Abgeber, Aufnehmer, Dienstleister und Behörden – so rasch wie möglich an einen Tisch setzen und an Antworten auf die offenen Fragen arbeiten, die die Landwirtschaftsbetriebe jetzt haben. Parallel muss beschleunigt an technischen Lösungen gearbeitet werden. Auf meinen Wahlkampfreisen hat es mich immer wieder erstaunt, wie wenige es davon gibt. Dabei weiß man doch schon seit Längerem, dass man sie brauchen wird.
Woran denken Sie konkret?
Im Koalitionsvertrag werden Aufbereitungsanlagen in den Tierhaltungsregionen und Wirtschaftsdüngerlagerstätten in Ackerbauregionen als Bausteine genannt, ebenso emissionsarme Verteiltechnik. Die neue Landesregierung will sich für zusätzliche Forschungsvorhaben einsetzen und die Umsetzung der Düngeverordnung praxisnah mit Feldversuchen begleiten. Das Grünlandzen-
trum wird dafür im Auftrag des Landes die Federführung übernehmen.
Welche Aspekte sind Ihnen beim Tierwohl besonders wichtig?
Mit unserem niedersächsischen Tierschutzplan, der bereits seit mehr als einer Wahlperiode läuft, sind wir ja gut aufgestellt. Nach sechs Jahren halte ich es für sinnvoll, intensiv und ganz offen gemeinsam mit den beteiligten Praktikern zu analysieren, was sich als umsetzbar erwiesen hat und was nicht so funktioniert, wie man es erwartet hatte. Ich bin mir sicher, dass es auf Seiten der Tierhalter neue Ideen gibt, die sich gut in die Praxis umsetzen lassen und die auch finanzierbar sind.
Der große Vorteil ist, dass zwischen den Parteien – gerade mit unserem Koalitionspartner SPD – und mit vielen gesellschaftlichen Gruppen große Einigkeit darüber besteht, den Tierschutz schrittweise weiterzuentwickeln.
Viele Bauernfamilien bewegt aber fast noch mehr, dass ihre Arbeit nicht anerkannt wird.
Das kenne ich als Bäuerin und Landfrau aus eigenem Erleben, und dieses Gefühl ist mir in den letzten Wochen in allen Landesteilen begegnet. Gemeinsames Ziel ist es, verloren gegangenes Vertrauen zwischen Landwirten, Verbrauchern und Politik zurückzugewinnen. Nur so wird ein transparenter Dialog über Tierhaltung und Lebensmittelerzeugung möglich sein. Im Koalitionsvertrag ist wörtlich festgelegt, dass wir keine ideologischen Grabenkämpfe führen werden. Bis Mitte nächsten Jahres soll die Regierung einen Maßnahmenkatalog vorlegen, wie sie der modernen bäuerlichen Landwirtschaft zu höherer gesellschaftlichen Akzeptanz verhelfen will.
Zum Schluss noch eine Frage, die wir einem Minister noch nie gestellt haben: Wie wollen Sie künftig Beruf und Familie unter einen Hut bringen?
Vielleicht sollten Sie das wirklich auch die Männer fragen? Aber im Ernst, in unserem Betrieb ist jetzt für fünf Stunden täglich meine Arbeitskraft zu ersetzen. Wir haben zum Glück gute Mitarbeiter, die das übernehmen können – einer davon ist unser Sohn. Fast noch wichtiger war, sich schon in der Zeit des Schattenkabinetts klar zu werden, was sich für die Familie und den Betrieb ändert, wenn Mutter Ministerin werden sollte. Natürlich waren erst einmal alle sehr stolz. Dann kam aber schnell die Frage, wie wir damit umgehen, dass plötzlich alle mehr in der Öffentlichkeit stehen. Die Aufregung bei uns und in unserem Umfeld wird sich bestimmt bald legen. Aber es bleibt ein Schritt, der das Privatleben aller Familienmitglieder stark beeinflusst.
Fragen: Ralf Stephan
Sabine Hildebrandt

Zur Person
Die CDU hatte Barbara Otte-Kinast im August als Schattenministerin ins Rennen geschickt. Ein gut platzierter Coup, denn Otte-Kinast verkörpert so etwas wie den Gegenpol zu ihrem Vorgänger, den perfekten „Anti-Meyer“: eine moderne Frau, eloquent und liberal-konservativ. Im politischen Hannover wird sie schon nach dieser kurzen Zeit als kompetent, sympathisch und streitbar wahrgenommen.
Die Mutter dreier erwachsener Kinder ist von Beruf Hauswirtschaftsleiterin. Landwirtschaft war ihr im wahrsten Sinne des Wortes in die Wiege gelegt, stammt sie doch von einem Ackerbaubetrieb aus Ehmen (Wolfsburg-Fallersleben). Vor ihrer Heirat mit Jürgen Kinast war sie Hauswirtschaftsleiterin in der Evangelischen Heimvolkshochschule in Loccum. Seit 1992 führt sie mit ihrem Mann den Milchviehbetrieb mit Ackerbau und Biogas in Beber bei Bad Münder. 100 Milchkühe plus Nachzucht gehörten bisher zu ihrem Aufgabengebiet.
2014 wurde Otte-Kinast zur Vorsitzenden des Niedersächsischen Landfrauenverbandes Hannover (NLV) gewählt. In dieser Funktion gehörte sie dem Vorstand des Landvolks Niedersachsen und der Landwirtschaftskammer Niedersachsen an. Schon seit 2004 nimmt sie für die CDU ein Mandat im Kreistag Hameln-Pyrmont wahr, seit 2017 ist sie im Stadtrat.
red