Verwinkelte Pfade und viele Irrwege

Verwinkelte Pfade und viele Irrwege -

EIN KOMMENTAR VON Gabi von der Brelie
Strategische Entscheidungen werden für Landwirte immer schwieriger, das Recht auf Wachstum wird ihnen in der öffentlichen Diskussion quasi nicht mehr zugestanden. Es ist noch nicht allzu lange her, da rechneten Wissenschaftler auf Veranstaltungen den Bauern vor, um wie viel effektiver die Konkurrenz in anderen Ländern wirtschafte: Die Dänen oder Niederländer in der Schweinehaltung, die Neuseeländer in der Milcherzeugung, die Franzosen oder Engländer im Ackerbau. Kosten senken, Produktion steigern, Qualität erhöhen, es waren die berühmten kleinen Schrauben, an denen die Bauern drehen sollten. Die EU-Agrarpolitik tat das Ihrige, den Agrarbereich wirtschaftlicher auszurichten.

Viehställe lassen sich heute nicht mehr mit denen früherer Jahre vergleichen. Tiergesundheit, Tierkomfort, Tierwohl spielten damals keine Rolle, da ging es um Zuwachsraten in der Mast, der Milch- oder Legeleistung, dem Ertrag je Hektar. Betriebswirtschaftler rechneten sie in Deckungsbeiträge um, stellten Hitlisten auf. Echte Freude darüber gibt es leider kaum noch. Im Gegenteil, in der gesellschaftlichen Diskussion über die Landwirtschaft wird die dahinter stehende Leistung zum Ziel öffentlicher Kritik. Sie richtet sich gegen die angebliche Politik des Wachsens und Weichens, obwohl kein Landwirt seinen Hof zum Selbstzweck erweitert. Wer eine Zukunft in der Landwirtschaft haben will, dem bleibt meist keine andere Wahl. Höhere Standards, neue Maschinen, tiergerechte Ställe sowie angenehme Arbeitsbedingungen erfordern andere Betriebsgrößen als vor 50 Jahren.

Medien, Politiker und Vertreter verschiedener Interessengruppen reagieren irritiert auf die Leistungsbereitschaft der Agrar- und Ernährungswirtschaft, sie denken laut über einen Weg zurück nach. Kaum hat ein Sauenhalter die neuesten EU-Vorschriften umgesetzt, formulieren Minister aller Parteien die nächsten Auflagen. Wer soll die dicken Investitionen im Viehstall finanzieren, wenn danach weniger Tiere gehalten werden können? Die Sprunghaftigkeit politischer Zielvorgaben und eine von Launen geprägte Gesellschaft, die sich kaum Gedanken über den echten Wert ihrer Nahrungsmittel macht, haben Landwirte auf verwinkelte Pfade geschickt. Ein Zurück wird es nicht geben, der Weg nach vorn erfordert ein neues Verständnis von und für Landwirtschaft. Hier sind nicht allein die Bauern gefordert, hier muss sich auch die Gesellschaft auf die Landwirtschaft zubewegen, wenn sie eine Zukunft haben soll.
Gabi von der Brelie