Vom Satthaben und Sattmachen

Vom Satthaben und Sattmachen - Foto: Stephan
Foto: Stephan

Proteste­ Landwirte protestierten zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin. Einige mit Umwelt- und Tierschutzverbänden gegen Massentierhaltung und Gentechnik, andere gegen Vorurteile und für eine realistische Darstellung ihrer Arbeit.
Um zwei Uhr morgens hatten sich junge Landwirte aus der Veredlungsregion zwischen Südoldenburg und Münsterland auf den Weg gemacht, um in Berlin am „Flashmob“ unter dem Motto „Wir machen Euch satt!“ teilzunehmen. Mit dem englischen Begriff bezeichnet die Internetgemeinde spontane Zusammenkünfte auf öffentlichen Plätzen, die über soziale Netzwerke im Internet organisiert werden.
„Redet auch mit uns!“

Das Ziel dieses Treffens: Unmittelbar vor dem Beginn der nun schon zum fünften Mal stattfindenden „Wir haben es satt!“-Demo gegen die moderne Landwirtschaft in der Berliner Innenstadt wollten sie sich vor dem Hauptbahnhof dafür stark machen, dass die Öffentlichkeit ein ausgewogenes Bild von ihrer Arbeit erhält.

„Wie wir in den Medien und von Teilen der Politik wahrgenommen wird, geht uns gehörig gegen den Strich. Deshalb rufen wir dazu auf, endlich auch mit uns zu reden und nicht nur über uns“, sagte Marcus Holtkötter aus Altenberge (Westfalen), einer der Organisatoren, die seit einigen Monaten die Internetseite „BauernWiki. Frag‘ doch mal den Landwirt!“ betreiben.

Die Veranstalter gaben die Zahl der Teilnehmer mit zirka 900 an. Grundsätzlich keine offiziellen Angaben zu Teilnehmerzahlen macht die Berliner Polizei. Die vor Ort Dienst tuenden Einsatzkräfte schätzten rund 600. Mehrere Fernsehteams waren vor Ort. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) nutzte die Bilder, um in seiner Hauptnachrichtensendung sachlich über die Tierwohlinitiative zu berichten. Auch der NDR Mecklenburg-Vorpommern informierte.

In der medialen Berichterstattung dominierte jedoch die Demonstration mit dem Motto „Wir haben es satt!“, zu deren Veranstaltern unter anderem der BUND, Nabu, der Deutsche Tierschutzbund,  attac, die Bundesverbände der Berufsschäfer und Berufsimker sowie die AbL und der BDM gehören.

Irritierendes Bündnis
Die Unterstützung durch Misereor hatte besonders unter den Landwirten im Bistum Osnabrück für Unverständnis gesorgt. Das Hilfswerk hatte vor Weihnachten dort verstärkt Spenden eingeworben.

Die Forderungen „Stoppt Tierfabriken, Gentechnik und TTIP. Für die Agrarwende!“ vertraten nach Angaben der Veranstalter 50.000 Teilnehmer. Der Berliner „Tagesspiegel“ meldete unter Berufung auf Polizeikreise 25.000. Den Protestzug vom Potsdamer Platz zum Kanzleramt begleiteten rund 90 Traktoren.

„Die Welt ist nicht satt.“
Auch die Politik reagierte auf die Demo. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte ein Umdenken vor allem in der Fleischproduktion. Pro Tier müsse es eine bestimmte Fläche geben, Antibiotika dürften generell nicht mehr zum Einsatz kommen, sagte sie laut der Nachrichtenagentur dpa. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi erklärte, Lebensmittel von hoher Qualität müssten dennoch für alle erschwinglich sein.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sagte am Rande der Agrarministerkonferenz zur Welternährung, auf der Demonstration seien Themen angesprochen worden, bei denen man sich fragen müsse, ob etwas zu ändern sei. Mit dem Motto „Wir haben es satt!“ werde aber die Mehrheit der Landwirte in eine Ecke gestellt. Er empfehle, „aus den Ecken und aus der Selbstgewissheit herauszukommen und miteinander zu reden“. Die Leistungen der Landwirtschaft seien gefragt wie nie, hatte Schmidt zur Eröffnung der Grünen Woche erklärt und in Anspielung auf das Motto der Demo festgestellt: „Die Welt ist noch nicht satt.“

Auf die massive Kritik am geplanten Freihandelsabkommen TTIP mit den USA reagierte der Minister in teils drastischen Worten. Bei der Lebensmittelsicherheit solle nicht so getan werden, als würde in den USA alles gegessen, „was kreucht und fleucht“. Statt europäische und deutsche Standards aufzugeben biete sich vielmehr die Chance, sie sogar zu globalen Standards zu machen.
ste