Vorrang für Bürgerwindparks

Vorrang für Bürgerwindparks - Foto: Preugschat
Foto: Preugschat

Bürgerwindpark Bei einer vom Niedersächsischen Landvolkverband initiierten Infotagung zum Thema „Bürgerwindparks – regional Werte schöpfen und Akzeptanz schaffen“ holten sich vergangene Woche über 140 Teilnehmer in Altwarmbüchen bei Hannover viel Wissenswertes über den grünen Strom. Mitveranstalter waren der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund sowie die Beratungsstelle „Repowering-InfoBörse“, die bei der Kommunalen Umwelt-AktioN (U.A.N.) in Hannover angesiedelt ist.

Niedersachsens Vorzeigeregion für Bürgerwindparks (BWP) ist eindeutig die Gegend um Diepholz. Dort wird jetzt, zwölf Jahre nach dem Start, schon der zehnte BWP Ökostrom erzeugen. Die Diepholzer Erfolgsgeschichte geht auf das Engagement von Landvolk-Steuerberater Johann-Lüken Gerdes zurück. Der gebürtige Ostfriese überzeugte die Verbandsleitung, dass Bauern mit Windgeschäften ihre Höfe sichern können. Sie gründete eine Energie-Dienstleistungsgesellschaft, die zu 100 % dem Kreisbauernverband gehört.

Ab 5.000 € dabei
Die Gesellschaft verhandelt, so ließ Gerdes die Tagungsteilnehmer wissen,  im Auftrag der Grundeigentümer mit Kommunen, Projektierern, Banken und Anlagenherstellern. Sie bestellt Windgutachten und zahlt den Kommanditisten die Erlöse aus. Das sind vorwiegend Landwirte aus den Dörfern. Sie haben ebenso wie andere Grundeigentümer Vorrang beim Zeichnen von Windparkanteilen, anschließend die Bürger aus den jeweiligen Ortschaften. „Erst wenn nicht genug Unterschriften zusammen kommen, wird der Kreis erweitert“, betonte Gerdes. Ab 5.000 € sind Mann oder Frau dabei.

Lukrativ ist die Beteiligung allemal. Über 20 Jahre betrachtet, sollen aus 10.000 € Einlage 30.000 € werden. Die Gewerbesteuer sei auch beträchtlich, deren Gros (70 %) der Gemeinde zufließt, in dem der Windpark betrieben wird. Den Anwesenden empfahl Gerdes, für jedes einzelne Windrad im Windpark eine eigene Gesellschaft zu gründen. Nur so hätten die Banken vor Ort, die genauso profitieren sollen wie beispielsweise das örtliche Handwerk, eine Chance. „Sechs mal drei Mio. € sind für örtliche Sparkassen und Volksbanken einfacher zu finanzieren als einmal 18 Mio. €. Das wuppen die nicht“, betont Gerdes.

Auch das Repowering, also der Ersatz kleiner älterer Windkraftanlagen durch große leistungsfähige, beginne in alten Windparks. Wer in Windkraft investieren will, brauche jedoch einen langen Atem, meint Gerdes: „Drei bis vier Jahre müssen bis zur ersten Stromeinspeisung eingeplant werden.“

Neuer Windpark
Jüngstes Engagement ist der Windpark Wetscher Bruch östlich des Dümmers. Dessen sechs 3-MW-Anlagen ragen 185 m in die Höhe. In der Gemarkung erzeugen schon zwei Windparks mit drei und fünf Anlagen sowie drei Einzelwindmühlen umweltfreundlichen Strom. Dort hat es anfangs auch Ressentiments der Bevölkerung gegen weitere Großanlagen gegeben, wie Bürgermeister Hartmut Bloch von der Samtgemeinde Rehden betont. Doch aus Gegnern seinen nach vielen Gesprächen Kommanditisten geworden.
164 Anteilseigner (zu 85 % aus der eigenen Gemeinde) zeichneten knapp acht Mio. € Einlagen (von 5.000 bis 100.000 €, mit Deckelung von 350.000 € je Haushalt). „Insgesamt waren Konzeption und gemeinsame Vorgehensweise von Gemeinde und Landvolk ein voller Erfolg. Die Bürger identifizieren sich, es gibt sogar einen Fahrradtourismus zu den Baustellen“, freut sich der Bürgermeister.

Noch viel Potenzial

Dass bei der Windkraft noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, unterstrich in seinem Vortrag Carlo Reeker vom Bundesverband Wind-
energie (BWE). „Potenzial für die Windstromerzeugung an Land gibt es in Deutschland noch ausreichend. Auf 2 % der Landesfläche könnten 65 % des benötigten deutschen Stroms erzeugt werden“, sagt der Branchenvertreter, der auch fehlende Anreize zum Speichern von Windstrom beklagte. Helfen könne ein Kombikraftwerksbonus, der bei der nächsten Novellierung ins EEG aufgenommen werden müsste. Bedauerlich sei, dass wegen fehlender Netzkapazitäten heute schon 1 % des Windstroms nicht eingespeist werden können. Lösungen seien Bürgernetze wie etwa in Schleswig-Holstein,  eine bessere Volllaststundenregelung und Hochtemperaturleiterseile.

Durch mehr Windstromerzeugung im Binnenland, also mehr Strom vor Ort, könnte der Bau von Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland erheblich reduziert werden. Denkbar wäre z. B. auch eine moderate Senkung der Vergütung für Windstrom an der Küste und eine Erhöhung für Binnenlandstrom. „Dies gilt natürlich nur für Neuanlagen“, stellt der Windfachmann klar.

Landvolk hilft
Jurist Marcel Raschke von Repowering-Infobörse warnte Grundstückseigentümer davor, vorschnell Verträge mit Investoren abzuschließen. „Zu oft locken hohe Versprechungen.“ Die Kommunen könnten hier eine aktive Rolle spielen und durch frühe Aufklärung ein Klima pro BWP schaffen und den Prozess bei der Investorenauswahl beeinflussen. Um Bürger für den BWP zu begeistern, sollten diese auch den eigenen Windstrom zu günstigen Konditionen  verbrauchen können.

Landvolk-Energiereferent Harald Wedemeyer betonte, die Grundstückseigentümer sollten sich selbst auf Inhalte eines Nutzungsvertrages verständigen. Dabei könne der Landvolkverband behilflich sein. „So wird ein Grundstein für Eigeninitiativen gelegt und das Interesse an einer eigenen Windparkentwicklung gemeinsam mit Akteuren vor Ort geweckt.“

Ziel der Veranstaltung
Wedemeyer, auch Initiator der Infotagung, die er mit U.A.N.-Mitarbeiterin Wiebke Abeling organisierte: „Unser Ziel war es, mit der Veranstaltung nicht nur Landwirte, sondern vor allem Kommunalvertreter mit den Vorzügen von Bürgerwindparks vertraut zu machen. Vielerorts werden von den Bauämtern zwar die bauplanerischen Voraussetzungen geschaffen, dass zudem noch erhebliche finanzielle Mittel über BWP für die Kommunen generiert werden können, ist vielen kommunalen Akteuren bisher nicht bewusst.“ 
Werner Preugschat