Welche Konzepte für ländliche Räume?

Welche Konzepte für ländliche Räume? - Foto: Archiv/Molsen
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Landtagswahl Alle fünf Jahre werden die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages neu gewählt. Am 20. Januar ist es wieder so weit. LAND & Forst hat die Spitzenkandidaten der fünf derzeit im Parlament vertretenen Parteien nach ihren Postionen zu Themen befragt, die Menschen auf dem Land bewegen.

Fragen an die Spitzenkandidaten zur Landtagswahl
1. Nicht nur Landwirte, noch mehr die Repräsentanten des ländlichen Raumes und auch einige Politiker werben für Niedersachsen mit dem Etikett „Agrarland Nr. 1“. Empfinden Sie diese Aussage eher als Bürde oder als Ansporn?

2. Ein Erfolgsfaktor für die niedersächsischen Landwirte mit geringer Flächenausstattung ist die starke Veredlung. Was will Ihre Partei tun, um die moderne landwirtschaftliche Tierhaltung zukunftsfähig zu gestalten?

3. Der demografische Wandel stellt die ländlichen Räume vor enorme Herausforderungen. Wie wird Ihre Partei die Dörfer und kleinen Orte abseits der Ballungszentren lebenswert erhalten?

4. Die Lebensmittelqualität wird in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch hinterfragt, die Lebensmittelüberwachung dagegen sieht kaum Grund für Beanstandungen. Wie kann diese Diskrepanz aus Sicht Ihrer Partei aufgelöst werden?

5. Seit Jahren wird sehr engagiert über Klimaschutz und Klimawandel diskutiert. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei auf die Landwirte als Betroffene zukommen, und wie wollen Sie reagieren?

Antworten von David McAllister (CDU)

1 Die CDU in Niedersachsen freut sich über die besondere Bedeutung Niedersachsen als Agrarland Nr. 1 und sieht den Titel als Ansporn, die starke Rolle der Landwirtschaft im ländlichen Raum, ihren bedeutenden Anteil an der Wertschöpfung Niedersachsens sowie die Qualität ihrer Erzeugnisse auch künftig auf höchstem Niveau zu erhalten. Wir setzen uns gemeinsam mit den Landwirten dafür ein, die Lebensmittelsicherheit zu stärken, das Vertrauen der Verbraucher in die niedersächsische Landwirtschaft und ihre Produkte noch weiter zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Familienbetriebe zu stärken.

2 Die Nutztierhaltung hat für Niedersachsen eine herausragende Bedeutung. Sie sichert in erheblichem Maße Beschäftigung und Wertschöpfung im ländlichen Raum und hat dazu beigetragen, dass Niedersachsen gut durch die Wirtschaftskrise gekommen ist. Wir stehen zur intensiven und international wettbewerbsfähigen Landwirtschaft und wollen diese gemeinsam mit den Landwirten und ihren Familien weiterentwickeln. Der landwirtschaftliche Familienbetrieb, der die dominierende Betriebsform in Niedersachsen darstellt, liegt weiterhin im Fokus unserer politischen Arbeit.

Der Tierschutz in der Landwirtschaft muss allerdings weiterentwickelt werden, damit die Nutztierhaltung ihren hohen Stellenwert behält. Alle Maßnahmen müssen allerdings ergebnisoffen, ökonomisch vertretbar und auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten alle Maßnahmen nach Möglichkeit EU-weit umgesetzt werden. Die Nutztierhaltung darf nicht ins Ausland verlagert werden.

3 Die CDU in Niedersachsen setzt auf regionale Konzepte in enger Abstimmung mit den Kommunen vor Ort. Dabei wollen wir die positiven Erfahrungen des Zukunftsvertrages für starke Kommunen nutzen und in einem noch 2013 auszuhandelnden Zukunftsvertrag II anwenden. Einen wichtigen Beitrag wird auch eine Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit leisten. In unseren Kommunen gibt es unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen. Deshalb muss jede Stadt und Gemeinde individuell weiterentwickelt oder gegebenfalls stabilisiert werden. Dabei hilft das Land, zum Beispiel durch bewährte Strategien zur Dorfentwicklung, die dem demografischen Wandel Rechnung tragen.

Wir werden in der nächsten EU-Förderperiode auf einen noch effizienteren Einsatz europäischer Mittel zur Regionalentwicklung achten.

4 Die Lebensmittelqualität ist ein zentrales Kriterium für den nachhaltigen Erfolg der niedersächsischen Landwirtschaft. Daher war die Entwicklung und Stärkung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine entscheidende Weichenstellung für unser Land. Mit einer verbesserten Verbraucherinformation etwa durch Internetplattformen (wie etwa „lebensmittelwarnung.de“) und einer Stärkung und verbesserten Koordinierung der Verbraucherschutzbehörden (z. B. durch eine neue Task-force Lebensmittelsicherheit) wollen wir erreichte Erfolge verstetigen und zusätzliches Verbrauchervertrauen gewinnen. Die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen müssen künftig noch schneller und noch transparenter der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Verbraucherzentralen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Daher wollen wir sie neben der Landesförderung von jährlich einer Million Euro ab 2014 mit zusätzlichen Einnahmen aus dem Glückspielgesetz stärker fördern.

5 Die Landwirtschaft in Niedersachsen leistet bereits seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, etwa durch die Erzeugung von erneuerbaren Energien. Im Rahmen der Erzeugung von Lebensmitteln werden allerdings zwangsläufig auch durch die Landwirtschaft Treibhausgase emittiert. Wir setzen bei allen Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes auf die Zusammenarbeit mit Land- und Forstwirten. Nur gemeinsam können Verbesserungen erreicht werden. Niedersachsen fördert beispielsweise seit 2009 die Beratung zur Verbesserung der Energieeffizienz in landwirtschaftlichen Betrieben oder die klimaschonende Grünlandbewirtschaftung im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen.

Zukünftig liegt unserer Ansicht nach Potenzial in der Erhöhung der Stickstoffeffizienz, etwa durch Absenkung der Anforderungen an den Proteingehalt im Backweizen, oder der Weiterführung des Moorschutzprogramms.

Antworten von Stephan Weil (SPD)

1 Die Ernährungs- und Agrarwirtschaft bilden zusammen die zweitstärkste Wirtschaftsbranche Niedersachsens. Die SPD wird Niedersachsens Spitzenplatz als Agrarland Nr. 1 im Bund sichern. Wir wollen die niedersächsische Ernährungs- und Agrarwirtschaft zukunftssicher aufstellen und wettbewerbsfähig gestalten. Wir wollen, dass unsere Unternehmen auf den nationalen und internationalen Märkten weiterhin erfolgreich agieren können. Wir wollen dabei zugleich die Wertschöpfung in den ländlichen Regionen steigern und damit gute Arbeitsplätze vor Ort sichern und ausbauen.

Qualitativ hochwertige und innovative Produkte sind der Schlüssel für den Wohlstand in Europa. Das gilt auch für unsere Ernährungs- und Agrarwirtschaft und unsere Lebensmittel. Nicht die Ernährung der ganzen Welt mit kostengünstigsten Agrarrohstoffen ist das Ziel sozialdemokratischer Agrarpolitik. Die SPD unterstützt die Landwirte darin, qualitativ hochwertige Agrarprodukte herzustellen. Wir wollen, dass unsere Landwirte die steigende Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach regionalen und ökologischen Produkten bedienen können.

2 Schwarz-Gelb hat für unsere ländlichen Regionen bisher keine landespolitische Zukunftsstrategie entwickelt. Die SPD wird innerhalb eines neu zugeschnittenen Ministeriums für Europa, Regionale Entwicklung und Landwirtschaft die Verantwortung für die EU-Förderfonds zentral bündeln. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir zukünftig im engen Austausch mit den Kommunen und der Bürgergesellschaft passgenaue Fördermaßnahmen für den ländlichen Raum entwickeln können.

Wir werden die Wirtschaftsförderung effektiver gestalten und Regionen gezielter unterstützen, um Wertschöpfung und Innovation zu stärken. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist dies notwendiger denn je, um dem Anspruch der gleichwerten Lebensbedingungen in ganz Niedersachsen gewährleisten zu können.

3 Niedersachsen braucht auch in Zukunft eine leistungsfähige, multifunktional ausgerichtete Landwirtschaft, um Arbeitsplätze und Einkommen im ländlichen Raum zu sichern. Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung und damit der ganze Veredlungsbereich haben gegenwärtig ein erhebliches Legitimationsproblem. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, wie die Produktionsprozesse in der Landwirtschaft aussehen und wie Landwirtschaft zukünftig im Einklang mit dem Tierschutz, dem Klima-, Umwelt- und Naturschutz nachhaltig produzieren will. Langfristig werden die niedersächsische Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht ohne eine breite gesellschaftliche Akzeptanz produzieren können.

Die Intensivtierhaltung braucht klare Regeln, die Tierhaltungssysteme müssen weiterentwickelt und tiergerechter ausgestaltet werden. Die erforderlichen Veränderungen können nicht von heute auf morgen umgesetzt werden, aber die SPD wird klare Vorgaben machen. Wir werden uns nicht hinter Expertengremien und Forschergruppen verstecken. Wir werden die erforderlichen Diskussionsprozesse verantwortlich moderieren und dann auch politische Entscheidungen treffen.

Die Förderung landwirtschaftlicher Betriebe in Niedersachsen werden wir konsequent an dem Leitbild einer tiergerechten und klimaschonenden Landwirtschaft ausrichten. Eine SPD-geführte Landesregierung wird:

mit einem Masterplan „Tierschutz“ die notwendigen Veränderungs- und Umstellungsprozesse in der Nutztierhaltung voranbringen,

sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Kommunen unter anderem durch eine Novellierung des § 35 Baugesetzbuch effektive Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen von Vorhaben der Intensivtierhaltung bekommen,

die Überarbeitung der Tierschutznutztierverordnung, der Gülleverordnung und des Immissionsschutzgesetzes unterstützen.

4 Wir dürfen nicht in unseren Bemühungen nachlassen, dass hohe Maß an Qualitätsstandards in der Lebensmittelproduktion auszubauen. Kontrollen sind weithin nötig und sinnvoll. Das seit Anfang 2006 geltende EU-Hygienepaket bildet eine gute rechtliche Grundlage, die regelmäßig an die neuen Erfordernisse angepasst werden sollte. Lebensmittelunternehmer sind gefordert, ihr System der betrieblichen Eigenkontrollen auf dem aktuellen Stand zu halten. Gleichzeitig muss die Frequenz und Qualität der staatlichen Kontrollen regelmäßig kritisch hinterfragt werden. Entsprechend aktueller Risikobeurteilungen sollten Kontrollbehörden ihre Kontrollaktivitäten anpassen. Synergien zwischen den betrieblichen und staatlichen Kontrollen sollten stärker genutzt werden.

5 Landwirte werden in Zukunft in unterschiedlicher Form durch die Folgen des Klimawandels betroffen sein. Da sich die Erde unterschiedlich erwärmt, verändern sich die Niederschlagsmuster. In einigen Regionen kommt es zu größeren Extremen von Trockenheit und Niederschlägen. Auch kann der Klimawandel das Eindringen invasiver Arten begünstigen, weil wärmeliebende Arten sich auch in unseren Breiten etablieren.

Vielfältige Anpassungsstrategien an den Klimawandel werden bereits heute in Deutschland an vielen Landes-,

Bundes- und Unternehmensstandorten beforscht. Einen Schwerpunkt will die SPD auf die ausreichende Finanzierung einer anwendungsorientierten und interdisziplinär ausgerichteten Agrarforschungslandschaft legen. Die Ernährungs- und Agrarwirtschaft werden ihre Anstrengungen erhöhen müssen, um die Treibhausgasemissionen weiter zu senken. Eine SPD-geführte Landesregierung wird die Landesförderprogramme stärker auf eine klimaschonende Landbewirtschaftung und auf die Verbesserung der Energieeffizienz der landwirtschaftlichen Betriebe ausrichten.

Antworten von Stefan Birkner (FDP)

1 Für uns ist das ein Ansporn und auch eine Auszeichnung für unsere Arbeit. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft auch in Zukunft sicherstellen. Sie ist das Rückgrat unserer ländlichen Räume und unsere wirtschaftlichen Stärke. Dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Das heißt für uns, dass wir europäische Regelungen nur 1:1 umsetzen wollen, damit unsere Betriebe nicht im Wettbewerb benachteiligt sind. Außerdem wollen wir in Fragen von Umwelt- und Naturschutz kooperativ mit den Landwirten vorangehen und nicht im Konflikt. Wir sehen Landwirte als Partner und nicht als Gegner.

Wir sind im Übrigen auch Energieland Nr. 1. Denn die Energiewende findet auf dem Land statt.

2 Wir wollen den Tierschutzplan im Dialog mit den Landwirten ergebnisoffen umsetzen, um möglichst viel Tierschutz, der auch praktisch umsetzbar ist, zu erreichen. Wir dürfen aber unsere Betriebe nicht kaputtmachen! Außerdem wollen wir das privilegierte Bauen im Außenbereich auch weiterhin erhalten und mit einer verstärkten Forschung im Bereich der Filter- und Ablufttechnik Veredelung auch noch in Zukunft ermöglichen.

3 Wir wollen den ländlichen Raum stärken, indem wir auch kleine Schulstandorte aufrecht erhalten. Wir wollen die Infrastruktur ausbauen, damit die ländlichen Regionen besser für den Verkehr erschlossen werden. Wir werden auch den Breitbandausbau vorantreiben. Diese Maßnahmen sind unabdingbar für die Attraktivität des ländlichen Raumes für junge Familien. Ferner wollen wir die mittelständische Wirtschaft in unseren Regionen durch eine regionalisierte Wirtschaftsförderung unterstützen. Sie ist Jobmotor. Im kommunalen Finanzausgleich wollen wir die Interessen der Kommunen in der Fläche besonders bedenken.

4 Diese Diskrepanz ist aus unserer Sicht nur durch Transparenz aufzulösen. Sie ermöglicht Verbrauchern, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wir wollen daher die Verbraucherarbeit stärken und schon in der Schule über Herkunft und Umgang mit Lebensmitteln aufklären. Auf diesem Weg wollen wir wieder Verbindungen zwischen Verbrauchern und Urproduktion schaffen.  Skandale, die von den Medien veröffentlicht werden, betreffen immer nur einzelne, wenige Betriebe. Die gute Arbeit der Landwirte und die gute Qualität der Lebensmittel heute gerät dadurch leider oft in Vergessenheit. Auch die Einführung eines Tierschutzlabels, das Verbrauchern die erhöhten Tierschutzstandards in unseren Betrieben verdeutlicht, wollen wir als FDP unterstützen.

 

5 Statt Landwirte zu kritisieren, die politische und gesetzliche Vorgaben umsetzen, wollen und werden wir für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen. Es ist nicht akzeptabel, dass Landwirte in die Kritik geraten, nur weil sie die Vorgaben umsetzen und nachwachsende Rohstoffe anbauen. Gute landwirtschaftliche Praxis und Grundwasserschutz sind auch bei Energiepflanzenanbau möglich und werden von der großen Mehrheit der Betriebe beachtet.

Wir brauchen die landwirtschaftlichen Betriebe als Partner, damit die Energiewende gelingen kann. Auch in Zukunft brauchen wir die Landwirte, damit in Biogasanlagen grundlastfähige Energie produziert wird und damit Strom in Windkraftanlagen erzeugt werden kann. Damit es mehr Alternativen zum Mais gibt, wollen wir die Forschung in diesem Bereich vorantreiben und die Nutzung von landwirtschaftlichen Nebenprodukten noch stärker ausweiten.

Bei dem viel diskutierten Ausbau der Stromtrassen setzen wir darauf, dass die Grundeigentümer nicht mit der bisherigen Einmalzahlung abgespeist werden. Es darf nicht dazu kommen, dass wir einerseits die guten Windener­giemasten und andererseits die schlechten Strommasten haben. Wir brauchen für die unerlässlichen Trassenbauten Akzeptanz vor Ort. Wir haben die Erdverkabelung bei Siedlungsannäherung von Höchstspannungsleitungen möglich gemacht. Wir wollen, dass dies Standard bei allen Neubautrassen wird, wenn die Leitungen näher als 400 Meter an die Ortslagen oder 200 Meter an einzelne Gehöfte herankommen. Wir wissen: Landwirte spielen eine Schlüsselrolle für den Erfolg der Energiewende. Nur mit ihnen und nicht gegen sie wird die Energiewende gelingen.

Antworten von Stefan Wenzel

(Bündnis 90/Die Grünen)

1 Niedersachsen ist nur beim Umsatz Agrarland Nr. 1, bei den Arbeitsplätzen und der Zahl der Betriebe liegen wir leider hinter Bayern, weil wir sehr viele „Vorleistungen“ z.B. in Form von Soja für die niedersächsische Schweine- und Geflügelhaltung importieren. Außerdem sind von 2003 bis 2010 unter der CDU/FDP-Landesregierung über 30.000 bäuerliche Arbeitsplätze abgebaut worden, 10.000 auch im nachgelagerten Bereich. Das halten wir für eine schlechte Entwicklung gegen die Bauern.

Wir sehen eine Herausforderung darin, Niedersachsen zum tatsächlichen Agrarland Nr. 1 mit gut bezahlten Arbeitsplätzen und Einkommen zu machen. Das geht nur mit einer verbraucherfreundlichen Qualitätslandwirtschaft mit höheren Preisen und guten Umwelt-, Sozial- und Tierschutzstandards. Und auch in Schlachthöfen muss es einen Mindestlohn geben! Mit einer Beteiligung Niedersachsens am EU-Schulobstprogramm wollen wir – wie von den Landfrauen gefordert – zur gesunden Ernährung beitragen und vielen Obstbauern helfen. Milchviehhalter brauchen darüber hinaus endlich faire, d. h. deutlich höhere Preise von mindestens 45 Cent pro Liter.

2 Die starke Fokussierung insbesondere in der Region Weser-Ems auf eine weitere Erhöhung der Tierbestände ist dauerhaft kein Erfolgsmodell. Das zeigen die bereits heute hohen Pachtpreise und die steigenden Probleme mit Gülle und Ammoniak. Aufgrund der hohen Tierbestände in Niedersachsen drohen Vertragsstrafen der EU wegen der Nichteinhaltung der Wasserrahmenrichtlinie und der Ammoniak-Richtlinie, die einen maximalen Ausstoß von 550.000 Tonnen Ammoniak vorschreiben.

Landwirte werden in der Massentierhaltung zu faktischen Lohnmästern oligopolartig strukturierter Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe, die von der Einstallung, über Fütterung und Abnahme der Tiere bis hin zum Abnahmepreis alles diktieren. Außerdem schwindet die gesellschaftliche Akzeptanz der Massentierhaltung dramatisch, weshalb Agrarkonzerne dem Verbraucher ein unrealistisches Bild der Landwirtschaft vorspiegeln (Hühner auf der Wiese), damit er diese Produkte noch kauft. Wir wollen eine ehrliche Kennzeichnung von Agrarprodukten, damit die Landwirte, die höhere Umwelt- und Tierschutzstandards einhalten, dafür auch einen besseren Preis erzielen können.

3 Für die Zukunft des ländlichen Raumes ist es von entscheidender Bedeutung, die wohnortnahe Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Dies betrifft alle Lebensbereiche: ein bedarfsgerechtes Angebot der Kinderbetreuung, ein wohnortnahes Schulangebot und eine schnelle Internetversorgung, die heute für viele Wirtschaftsunternehmen entscheidend ist. Ferner muss die Sicherung der ärztlichen Versorgung wohnortnah sichergestellt und der öffentliche Verkehr bedarfsgerecht ausgebaut werden.

Das von CDU/FDP forcierte Sterben von Krankenhäusern im ländlichen Raum sehen wir sehr skeptisch. Ähnlich wie beim Emslandplan wollen wir für besonders negativ vom demografischen Wandel betroffene Räume regionale Handlungskonzepte in breitem Dialog entwickeln, um diese Regionen gezielt entwickeln zu können.

4 Lebensmittelqualität wird längst umfassender definiert, als dieses geschmacklich oder messtechnisch erfassbar ist. Die Qualitätsanforderungen der Verbraucher erstrecken sich längst auch auf Prozessqualitäten: Wie werden etwa die Nutztiere gehalten? Diese Fragen haben im Kaufverhalten eine hohe und stetig wachsende Bedeutung. Anschauliches Beispiel ist die Eierproduktion: Seit die Haltungsform, in der die Eier produziert wurden, für den Verbraucher sehr einfach erkennbar ist, werden kaum noch Käfigeier gekauft. Da wo keine Pflichtkennzeichnung erfolgt, verwenden Verarbeiter überwiegend billige Käfigeier aus dem Ausland. Dem Verbraucherwunsch nach ehrlichen Produkten sollte auch die niedersächsische Landwirtschaft entsprechend nachkommen.

Während der Umsatz für Bio-Lebensmittel im vergangenen Jahr um neun Prozent gewachsen ist, ging die ökologisch bewirtschaftete Fläche zurück. Dadurch geht der niedersächsischen Landwirtschaft in erheblichem Umfang Wertschöpfung verloren. Wir werden diesem Problem mit einer anderen Förderpolitik begegnen, indem wir – wie vom Landvolk gefordert – die Ökoprämien für umstellungswillige Betriebe auf das Niveau Nordrhein-Westfalens anheben werden.

5 Die Landwirtschaft ist sowohl Betroffene wie Verursacherin des Klimawandels. Rund 25 % der niedersächsischen Treibhausgasemissionen sind landwirtschaftlichen Ursprungs, wie die CDU-Regierungskommission Klimaschutz im Frühjahr dieses Jahres festegestellt hat. Deshalb wird eine klimaschonende Landwirtschaft, etwa die Grünland-Nutzung von Hoch- und Niedermoorböden oder die Vermeidung von Lachgas- und Methanemissionen durch einen gezielteren Einsatz von Stickstoffdüngern eine deutlich größere Rolle bei der künftigen Ausgestaltung der Agrarförderung des Landes spielen.

Von mehr Klimaschutz profitiert auch gerade die Landwirtschaft, etwa durch weniger Klimaschäden oder Ausbau der Bewässerung in trockener werdenden Gegenden.

Antworten von Manfred Sohn (Die Linke)

1 Wenn Sie unter „Agrarland Nr. 1“ Massentierhaltungen eine zunehmende „Vermaisung“ oder eine Überdüngung der Ackerflächen verstehen, dann ist dieser Zustand für Die Linke eindeutig eine Bürde. Wenn es allerdings in Niedersachsen  gelingt, dass die Landwirtschaft  so praktiziert wird, dass der Boden und die Natur möglichst wenig geschädigt werden, die dort Tätigen ein ausreichendes wirtschaftliches Einkommen haben und Tiere so gehalten werden, dass sie Platz haben, nicht verstümmelt werden und möglichst wenig Arzneimittel bekommen, dann ist „Agrarland Nr. 1“ ein Ansporn.

2 Auch hier gibt es unterschiedliche Interpretationen. Wenn Sie von „Veredlung“ auf landwirtschaftlichen Flächen geringer Größe sprechen, und dabei verstärkten Düngereinsatz und ein Zusammenpferchen der Tiere verstehen, dann ist dies nicht die Position der Linken. Wir wollen dagegen erreichen, dass für die Menschen in der Landwirtschaft ein auskömmliches Einkommen ermöglicht wird. Das geht über zunehmende Regionalvermarktung, einer Neuregelung der landwirtschaftlichen Sozialgesetzgebung mit einer Beitragshöhe nach dem Einkommen und nicht nach der Fläche, sowie Erzeugerpreisen, die ein Mindesteinkommen sichern.

3 Die Linke will die Wirtschaft im ländlichen Raum durch dezentrale Energiegewinnung und Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen stärken, z. B. durch Unterstützung des Landes von regionalen Vermarktungsinitiativen. Die Infrastruktur muss dringend verbessert werden, das heißt ein dichteres ÖPNV-Netz, die Gewährung ärztlicher Versorgung durch Förderung der Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten auf dem Land, z. B. durch die Einrichtung fachübergreifender poliklinikähnlicher Praxen und einem Gemeindeschwesterkonzept sowie spezifischer Kulturförderung, beispielsweise durch Reisetheater.

4 Die Lebensmittelqualität ist für die Menschen in Stadt und Land von herausragender Bedeutung. Diverse Lebensmittelskandale wie Dioxine in Eiern oder Fleisch oder Allergien durch genbehandelte Lebensmittel, die auch von der Lebensmittelüberwachung bestätigt wurden, haben das Vertrauen der Menschen in gesunde Lebensmittel geschwächt.

Die Linke will, dass in Zukunft jeder Mensch sicher sein kann, dass Essen nicht krank macht. Alle Lebensmittel, vor allem aber Fleischprodukte, sollen hinsichtlich ihrer Herkunft, Erzeugungsweise und ihrer Inhaltsstoffe klarer gekennzeichnet werden. Der gesamte Weg von Tieren von der Aufzucht bis zum Produkt ist durch einen Herkunftsnachweis zu dokumentieren: Es dürfen keine gentechnisch veränderten Futtermittel auf den Markt und es muss eine mengenunabhängige Kennzeichnungspflicht von Zusatzstoffen in Lebensmitteln erfolgen.

5 Die Landwirte können aktiv zum Klimaschutz beitragen, zum Beispiel durch die Erzeugung regenerierbarer Energien. Wind und Sonne, Biomasse und Wasser brauchen keine riesigen Kraftwerkseinheiten. Sie müssen auch nicht über tausende Kilometer transportiert werden. Produktion und Verbrauch können regional und genossenschaftlich organisiert werden – eine Herausforderung gerade für den ländlichen Raum.

Lebensmittel gehören auf den Teller, nicht in Agrarsprit-Anlagen. Um eine weitere Vermaisung von Niedersachsen zu stoppen, brauchen wir Beschränkung von Biogasanlagen auf landwirtschaftliche Abfallprodukte als Einsatzstoffe, mit obligatorischer Abluftreinigung sowie strikte Eigentumsbindung an örtliche Betriebe, Genossenschaften und Kommunen und Beschränkung der Materialzufuhr auf Betriebe aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der Lebensmittelherstellung.
red