Wolfsspuren contra Kuhfladen

Wolfsspuren contra Kuhfladen - Foto: Landvolk
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Wietzendorf Ein massiver Rückgang der Artenvielfalt werde vermutlich später in den Geschichtsbüchern stehen – als Meilenstein „grüner“ Umweltpolitik. Denn ohne Weidetiere verschwindet das Grünland. So brachte Mutterkuhhalter Martin Holm seine Sorge über die Rückkehr des Wolfes auf den Punkt – und erntete den Applaus der Weidetierhalter im voll besetzten Saal in Wietzendorf.  

Die Interessengemeinschaft der Weidetierhalter Nordostniedersachsen (WNON) hatte am Mittwoch voriger Woche zum ersten Mal niedersachsenweit eingeladen. „Der Wolf ist zurück – was wird nun?“, so der Anlass. Der Veranstaltungssaal in Wietzendorf, der mit mehr als 200 Zuhörern voll besetzt war, zeigte: Betroffenheit und Sorge sind groß.

Tierhalter brauchen Hilfe
Von Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), mit dem Vertreter der Interessengemeinschaft noch zwei Tage zuvor ein Gespräch geführt hatten, erhoffen sie sich wenig Unterstützung. Kurz nach dem für sie völlig unbefriedigenden Treffen hatten die Berufsschäfer von Ministerpräsident Weil die Entlassung des Umweltministers verlangt.

 Obwohl kein Vertreter des Ministeriums im Saal war – man habe keine Einladung erhalten, so die Erklärung – lautete der dringende Apell: „Wir sind Weidetierhalter, wir brauchen Hilfe“. Den Beleg dafür lieferten die Schilderungen im Laufe der Veranstaltung.  

Politische Unterstützung gab es vom CDU-Landtagsabgeordneten Ernst-Ingolf Angermann. Er fordert effektive Maßnahmen, im Fall des Goldenstedter „Problemwolfes“ eine Entnahme aus der Population. Stattdessen bekomme der Wolf nun einen „Gesprächskreis“. Experten seien sich einig, dass es in Niederachsen wolfsfreie Zone geben müsse. Am Deich sei zum Beispiel keine Prävention möglich.

Das belegten auch die Schilderungen von Edda Riedel, Leiterin des Beratungsrings Schafhaltung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Gero Hocker, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, berichtete von bösen Briefen, die er für die Forderung, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, bekommen habe – ausnahmslos aus Städten. Dort sitze das  grüne Wählerpotenzial. Obwohl es im Landtag ständig um Tierwohl gehe, scheine das Wohl der Weidetiere unwichtig zu sein. Mutterkuhhalter Martin Holm ist sich sicher, dass seine Form der Tierhaltung durch Landschaftspflege und Grünlanderhaltung einen öffentlichen Nutzen erfüllt. Seine Frage an die Gesellschaft lautet: „Was tun wir da eigentlich?“ Holm gliedert die Frage in vier Teile: den Sinn, die Kosten, den Verlust und die Angst.

Zum Sinn: Der Wolf solle zur Artenvielfalt beitragen, als Beutegreifer regulierend eingreifen und die Waldverjüngung unterstützen. Doch in dicht besiedelten Gebieten, das berichte eine Fachzeitschrift für Landschaftsarchitektur und Naturschutz, haben Großraubtiere nur noch geringen Nutzen. Sie werden von den Aktivitäten des Menschen überlagert.
Die Kosten: Holm rechnete vor, dass der Zaun, der benötigt würde, um alle Weidetiere ernsthaft zu schützen, mehr als 15 Mio. Euro kosten würde.
Der Verlust: Holm erinnert sich an eine Gruppe Jugendlicher, die etwas für den Erhalt der Schwalbe getan und dafür einen Preis bekommen haben. Jeder Weidetierhalter tue tagtäglich ganz automatisch etwas für den Erhalt der Schwalben, denn: „Wo Viecher sind, sind Fliegen, sind Schwalben. Ein Kuhfladen auf der Weide ist ein echtes Insektenhotel.“ Erst recht, wenn Mutterkühe, Schafe und andere Tiere extensive Grünlandflächen beweiden. Das alles stehe zur Disposition. „Die Weidetierhalter machen etwa 0,31 Prozent der Bevölkerung aus. Mit Familie vielleicht ein Prozent“, schätzt Holm und ergänzt: „Diese kleine Minderheit soll nun die ganze Last alleine tragen.“
Die Angst: Ein Radiosender sucht einen Namen für einen Wolf, damit es den Jägern im Zweifel schwerer falle, ihm nachzustellen. „Vielleicht hatten auch die gerissenen Schafe einen Namen“, denkt sich der Tierhalter. Die Namenswahl für den Wolf fiel auf „Hope“. Die Anruferin, die diesen Namen vorgeschlagen hatte, erzählte von ihren zwei Hauskatzen. „Ob sie dem Wolf auch den Namen Hoffnung gegeben hätte, wenn er zuvor einer ihrer Katzen mit Kehlbiss, ausgeweidet und mit abgebrochenen Rippen hinterlassen hätte?“, fragt sich Holm. Er möchte, dass seine Sorgen von Gesellschaft und Politik wahrgenommen und verstanden werden.

Die Sorgen teilt Islandpferdezüchter Götz George. Bei dem Halter von 120 Pferden, von denen 70 ganzjährig auf der Weide laufen, wurde im Mai ein Fohlen gerissen. Ob es ein Wolf war, blieb unbewiesen. George berichtet von zahlreichen Fehlern in der Beweiskette. Mit dem Ergebnis, dass ihm nur die Hälfte der Entschädigung angeboten wurde. Die nahm er bis heute nicht an, denn schließlich habe wohl kaum ein halber Wolf das Fohlen gerissen. George empfiehlt Betroffenen, eine eigene Probe zu nehmen und den gesamten Vorfall fotografisch zu dokumentieren.

Unauslöschliche Bilder
„Ist das Wohl des Wolfes so viel mehr wert als das Wohl des Menschen?“, fragte Gatterwildhalter Walter Cordes aus Brockhöfe. Seiner Meinung nach müsse dafür gesorgt werden, dass der Wolf den Respekt vor dem Menschen behalte. So könne ohne Weiteres festgelegt werden, dass er eine gewisse Entfernung zu Siedlungen nicht unterschreiten dürfe.

Über die ganze Palette von Versuchen der Wolfsabwehr – von Netzen über Esel bis zu Herdenschutzhunden – berichtete Schäfermeister Timo Bart aus dem „Problembezirk“ Goldenstedt im Landkreis Vechta. „Traurige Berühmtheit“ habe er durch zwei Wolfsübergriffe erlangt. Der Frage, warum die Tierhalter denn klagten, wenn Verluste doch entschädigt würden, begegnet er mit Unverständnis angesichts der Lämmer, die aus dem Bauch des noch lebenden Mutterschafes gucken, oder Schafen, die ohne Keule zu flüchten versuchen. „Solche Bilder vergisst man einfach nicht.“
vgk