Zur Lage Niedersachsen und Bayern sind die wichtigsten Agrarregionen in Deutschland. Wir sprachen mit Werner Hilse und Walter Heidl, den Präsidenten der beiden Landesbauernverbände, über aktuelle Stimmungen und Perspektiven.
Im westlichen Niedersachsen begann ein Beratungsringleiter neulich seine Begrüßung mit den Worten: „Wir sind orientierungs- und hilflos“. Was zermürbt die Bäuerinnen und Bauern so stark?
Heidl: Es würde mich wundern, wenn er wirklich orientierungs- und hilflos wäre. Er gibt aber ein Gefühl wieder, das durch die katastrophale Marktlage, noch viel mehr aber von der öffentlichen Diskussion über Landwirtschaft und Nutztierhaltung ausgelöst wird. Die Art und Weise, wie diese Diskussion geführt wird, treibt die Bauern auf die Palme, weil sie es von der Sache her nicht nachvollziehen können. Ich versuche immer wieder zu erklären, dass es eine öffentliche und eine veröffentlichte Meinung gibt. Die öffentliche Meinung zur Landwirtschaft ist positiv. Wahrnehmen tut man aber die veröffentlichte, die aus den Medien. Die, welche die veröffentlichte Meinung prägen, verfolgen ein Geschäftsmodell. Das muss man entlarven. Die Politik – die Grünen –, die großen Medien und die sogenannten NGOs (Nichtregierungsorganisationen wie die Umweltverbände – d. Red.) werden nie aufhören, so lange das Thema etwas hergibt. Das muss unseren Bauern bewusst werden und gerade deshalb dürfen sie sich nicht von ihrer Öffentlichkeitsarbeit abbringen lassen.
Hilse: Bei uns in Niedersachsen führt gerade auch diese nicht durchschaubare Politik zu einer Perspektivlosigkeit auf den Höfen, lähmt den Willen, Verbesserungen durchzustezn. Wenn ein Landwirt nur die Fenster in seinem Stall tauschen will, dann wird der gesamte Betrieb in Bezug auf Emissionen durchleuchtet. Da sagt fast jeder: Jetzt bloß nichts mehr anfassen! Was also jetzt neu dazugekommen ist, ist ein Politikrisiko. In der Vergangenheit konnte man bei einem Stallbau für mindestens 20 Jahre relativ sicher planen. Heute kommt die Politik und sagt plötzlich, so geht das nicht mehr. Klar ist, wir müssen Auswüchse bekämpfen, wir müssen hingucken, wo etwas wirklich nicht stimmt; aber alle in eine Haftung zu nehmen, das ist Unsinn. Das demotiviert. Wir haben in Niedersachsen fast keine Bautätigkeit mehr., was einer Veränderungssperre gleichkommt. Und auch für Ackerbauern wird das Korsett sehr eng, Stichwort Glyphosat, Stichwort Düngeverordnung. Ich vermisse als Praktiker, dass ich nicht mehr praktisch denken darf auf meinem Hof, sondern nur noch nach Gesetzen und Verordnungen.
Werden diese Horrorszenarien ein Dauerzustand sein?
Hilse: Wenn ich mich frage, wo habe ich als Bauer eine politische Heimat, dann muss ich feststellen, ich finde sie im Moment bei keiner Partei, auch nicht mehr in der CDU. Das sorgt bei vielen Berufskollegen für das Gefühl, keiner nehme mehr ihre Belange ernst.
Wie sieht es da in Bayern aus?
Heidl: Auch in der CSU nimmt die Entfernung zur Landwirtschaft zu, da fehlt zunehmend das Wissen. Insgesamt haben wir aber schon noch Zugang und können über die Landesgruppe im Bundestag auch Einfluss auf Entscheidungen nehmen, etwa beim Zuschuss zur Unfallversicherung.
Der Präsident des Niedersächsischen Landtags, ein CDU-Mann, sagte kürzlich vor Landwirten, die Agrarwende sei überparteilicher Konsens.
Hilse: Das sagt doch schon sehr viel. Ich bin enttäuscht darüber, wie man mit solchen Begriffen umgeht, die suggerieren, was jetzt gemacht wird, ist falsch. Was wir brauchen, ist eine Perspektive und keine Umkehr – nichts anderes wäre eine Wende. Jeder macht Fehler, auch die Landwirtschaft ist davon nicht frei. Wir sind bereit, Fehler abzustellen. Das haben wir auch in unseren Leitbildern dokumentiert. Wenn wir uns gegen neue Regeln, zum Beispiel in der Düngeverordnung wehren, dann deshalb, weil sie in der Praxis zum Teil so nicht umsetzbar sind. Wir sind keine Ewiggestrigen, wir erwarten aber eine fachlich-wissenschaftliche Erklärung für das, was wir umsetzen sollen.
Heidl: Ich möchte hier zwei Beispiele ergänzen. Wäre bei der Düngeverordnung das Phosphor dringeblieben, hätten wir über die Gehaltsstufen einzelflächenbezogen und für das einzelne Jahr enge Grenzen bekommen. Bei Phosphor ist aber in der Praxis eine Fruchtfolgebetrachtung sinnvoll und notwendig. Eine einzelflächenbezogene Nährstoffbilanz und Düngeplanung wäre der bürokratische Supergau. Und: In der Tierhaltung diskutieren wir über Alternativen zur derzeitigen Ferkelkastration. Die Politik blendet vollkommen aus, dass auch die Alternativen wie Ebermast oder der Einsatz des Medikaments Improvac mit Risiken verbunden sind. Ich habe die große Angst, dass der Verbraucher Improvac nicht akzeptieren wird.
Zu den Baustellen in der Landwirtschaft. Es gibt Regionen, wo die Viehdichte bei 7 GV je Hektar liegt. Wie ist denn damit umzugehen?
Hilse: Die sieben Großvieheinheiten sind schon eine besondere Entwicklung. Aber auch dort gibt es Betriebe, die haben weniger als zwei, und es gibt welche, die haben zehn. Die mit den hohen Viehdichten muss man sich im Einzelnen genau anschauen, zum Beispiel bei den Güllenachweisen. Alle über einen Kamm zu scheren ist aber falsch, weil es die anderen hindert, sich zu entwickeln.
Darüber hinaus brauchen wir die Derogationsregelung, um mehr als 170 kg N je Hektar auszubringen, wo dies möglich ist. Die würde uns die EU übrigens sofort genehmigen. Der Nachweis ist dabei das Entscheidende. Wenn den einer nicht erbringen kann, dann arbeitet er nicht nachhaltig.
Um es noch einmal klar zu sagen: Wir stehen als Bauernverband nicht zu denen, die sich außerhalb der Norm bewegen. Und die Norm ist für uns eine nachhaltige Landwirtschaft.
Heidl: Baustellen haben wir sicher auch im Gewässerschutz und bei der Erosion. Aber auch da sind wir aktiv an den Lösungen dran. Wir legen im Greening eben nicht Flächen still, was das Einfachste wäre, sondern wir nutzen das Instrument für Zwischenfrüchte zum Erosionsschutz oder wir legen Randstreifen entlang der Gewässer an.
In dem Zusammenhang kommen immer wieder Bestandsobergrenzen ins Spiel. Wären da nicht Förderobergrenzen die bessere Alternative?
Heidl: Wir haben bei der Investitionsförderung zum Teil Förderobergrenzen, und wir haben über die Förderung nach Standardkosten eine weitere Begrenzung. Ich sehe da aber noch einen anderen Weg, nämlich über das Umweltrecht. Natürlich brauchen wir auch da fachlich sauber begründbare Grenzwerte. Aber wenn es die gibt, dann kann man zielgenau arbeiten. Wenn in einer Region schon fünf Ställe stehen, ist die Situation eben eine andere, als wenn weit und breit kein Stall zu sehen ist.
Hilse: Wir dürfen dabei nicht nur nach oben schauen. Wir brauchen von unten her eine gewisse Bagatellgrenze. Wenn einer zwei Kühe mehr einstallen möchte, dann muss nicht gleich die ganze Genehmigungsmaschinerie angeworfen werden.
Sie stellen hier die fachlichen Kriterien in den Vordergrund. Laufen wir da nicht Gefahr, dass sehr schnell politische Kriterien ins Spiel kommen?
Heidl: Diese Gefahr besteht leider immer, weil Politik heute zunehmend nach dem Zeitgeist gemacht wird. Wir sagen, was fachlich sauber begründbar und belegt ist, das akzeptieren wir. Was darüber hinausgeht, also fachlich nicht begründbar ist, das lehnen wir ab. Das ist die große Herausforderung, dass wir die Politik hier auf die Sachlichkeit verpflichten, ja zur Sachlichkeit zwingen.
Die Politik ist die eine Seite, die Öffentlichkeit eine andere. Wie erklärt man einem Verbraucher, dass ein Betrieb, der mit seinen großen Gebäuden und neuen Maschinen einen stattlichen Eindruck macht, vom Staat beispielsweise 90.000 Euro im Jahr bekommt?
Heidl: Zunächst einmal: Wir reden überall von Datenschutz, aber die Ausgleichszahlungen dürfen mit Namen und Adresse im Internet stehen. Und zur eigentlichen Frage: 1. Wenn wir diese Direktzahlungen nicht hätten, müsste das Preisniveau ein anderes sein. 2. Um das Geld zu bekommen, müssen die Bauern zusätzliche Auflagen erfüllen. 3. Greening ist eine Leistung, die die Bauern zusätzlich erbringen: Biodiversität, Gewässerschutz und, und, und. All das rechtfertigt, dass die Gesellschaft diese Leistungen honoriert.
Hilse: Die Ausgleichszahlungen sind auch so etwas wie eine Strukturprämie. Würde man sie abschaffen, wären riesige Strukturbrüche die Folge. Das wäre mit den ökonomischen, den familiären und den emotionalen Komponenten, die da reinspielen, völlig unkalkulierbar. Das hätte auch enorme Auswirkungen auf das Eigentum. Ein Teil der Prämie wird ja durchgereicht an die Verpächter, an die Eigentümer. Die Ausgleichszahlungen sind also eine Prämie, die die Lebensmittel verbilligt, die das Eigentum schützt und, wenn es gut geht, dann profitiert auch noch der Bauer, der die Prämie erhält, davon.
Und zusätzlich wird der ländliche Raum gestützt, weil die Landwirtschaft Grundlage für den vor- und nachgelagerten Bereich ist.
Hilse: Richtig, die Alternative wäre die Urbanisierung, der Wegzug in die Stadt. Das wollen wir alle auch nicht, denn es ist alles andere als nachhaltig.
Heidl: Die Politik lobt zu recht den ländlichen Raum hoch. Aber lassen Sie mich hier noch auf etwas anderes hinweisen: Die Spanne zwischen Erzeugerpreis und Verbraucherpreis ist beim Schwein in den letzten vier Jahren von 4,20 Euro auf 4,80 Euro gestiegen, also um 60 Cent pro Kilo. Wo sind denn diese 60 Cent geblieben?
Ein anderes Thema. Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Initiative Tierwohl? Hat sich da der Aufwand gelohnt?
Heidl: Nun ja, wir sind beim Lebensmiteleinzelhandel gestartet mit den Visionären, wir sind gelandet bei den Erbsenzählern. Dennoch hat sich die Initiative absolut gelohnt. Die Landwirtschaft hat das klare Signal gegeben, dass sie die Tierschutzdiskussion ernst nimmt. Und der Landwirt kriegt einen Ausgleich für die zusätzlichen Leistungen, da rede ich bewusst nicht von Ausgleich und nicht von Gewinn. Wir haben doppelt so viel Angebot wie derzeit umsetzbar ist. Auch das ist ein deutliches Signal. Jetzt geht es darum, die Warteliste zu räumen. Dazu müssen wir neues Geld in den Topf bekommen. Ich glaube nicht, dass der LEH es sich leisten kann, das Angebot der Bauern auszuschlagen.
Wissen Politik und Gesellschaft überhaupt, wo sie hinwollen? Beispiel NEC-Richtlinie: Die Reduktion von Stickstoffemissionen wäre am einfachsten in hermetisch abgeschlossenen Ställen möglich, aber gefordert werden Freiluft und Freilauf.
Hilse: Es ist unheimlich schwer, die ganzheitliche Betrachtung, die wir Landwirte haben, in der Politik rüberzubringen.
Heidl: Wir stehen zahlreichen Politikern und Beamten gegenüber, von denen jeder nur seinen Bereich sieht – der eine Tierschutz, der andere Umweltschutz. Aber bei uns Bauern schlägt alles auf. Ich wollte auf meinem Betrieb eine Arena für die Zuchtsauen im Wartebereich bauen, überdacht, aber im Freien. Das wurde vom Landratsamt abgelehnt, Begründung: diffuse Emissionsquelle. Hätte ich die Arena im Gebäude gemacht und die Abluft übers Dach rausgeblasen, dann wäre das anstandslos genehmigt worden.
Da kann man doch bloß verzweifeln, oder?
Heidl: Nein! Das macht doch den Reiz der Landwirtschaft aus, dass wir so breit aufgestellt sind, dass wir mit so vielen Themen zurecht kommen müssen. Das macht auch Spaß. Die Herausforderung liegt darin, dass wir Leuten gegenüberstehen, die mit einem ganzen Stab nur einen Teilbereich bearbeiten, und wir müssen im Detail so fit sein, dass wir denen Paroli bieten können.
Hilse: Diese Vielfalt, solch komplexe Zusammenhänge und die Details zu einem großen Ganzen zu vereinen, das macht auch die Arbeit im Berufstand nicht ganz einfach. Es ist wichtig, dass wir hier immer wieder zu einem Konsens kommen, der die Details berücksichtigt, aber die Gesamtschau nicht aus den Augen verliert. Das gilt auch für jeden einzelnen Betrieb. Der Arbeitsplatz in der Landwirtschaft ist einer der teuersten. Allein das erfordert schon viel Umsicht. Und unsere Bauern sind gute Praktiker, gute Handwerker. Was sie darüber hinaus noch alles im Kopf haben müssen, das ist schon bewundernswert.
Da sind wir an einem spannenden Punkt. Welche positiven Signale können wir denn den Betrieben nach einem Jahr wie diesem mitgeben?
Heidl: Wirtschaftlich schwierige Zeiten und Angriffe von außen haben eigentlich immer dazu geführt, dass man näher zusammenrückt. Was mir dabei besonders Mut macht, ist, dass bei den jüngsten Protestaktionen viele junge Leute dabei waren.
Hilse: Und wenn die Jungen reden, dann hört auch die Politik wieder zu.
Heidl: Viele unserer jungen Leute haben noch die Leidenschaft für die Landwirtschaft, und wir müssen dafür sorgen, dass die eine Zukunft haben.
Hilse: Problem dabei ist, dass die Politik heute Entscheidungen trifft, die sie nicht in ihrer Gänze und mit ihren Folgen bedacht hat. Aber ich bin zuversichtlich, dass falsche Entscheidungen erkannt und geändert werden. Auch unser grüner Agrarminister hat erkennen müssen, dass mit Bio allein der Strukturwandel nicht gestoppt werden kann.
Nochmal zurück zum Zusammenhalt. Bündelung des Angebotes über bäuerliche Vermarktungsorganisationen müsste doch dann boomen.
Heidl: Der Markt wird immer aggressiver und gewachsene Strukturen, vor allem im Fleischbereich, haben es schwer. Wir müssen die Märkte vertikal organisieren, wenn es um Markenstrategien geht. Dazu braucht derjenige, der eine solche vertikale Bindung eingeht, eine höhere Wertschöpfung. Der Glücksritter, der springen will, der hat eben diesen Erlös nicht. Das ist die freie Entscheidung jedes Akteurs auf dem Markt, auch des Landwirts. Es gibt gerade in Bayern Molkereien, die mit Markenstrategien erfolgreich sind. Und der höhere Milchpreis ist der Grund, warum es in Bayern überhaupt noch Milchbauern gibt.
Hilse: Ein Patentrezept hat keiner von uns in der Tasche. Wir haben auch mal gedacht, wenn die Größe einmal da ist, dann haben wir auch die Marktmacht, etwa bei den Molkereien. Aber die Größe führt auch zu einem Marktzwang. Die großen Mengen müssen jeden Tag an den Mann gebracht werden.
Heidl: Wir brauchen die Vielfalt, die Großen und die Kleinen, und die müssen ein Konzept haben, das hoffentlich auf dem Markt erfolgreich ist.
Was raten Sie denn einem jungen Landwirt, der gerade seinen Betrieb übernommen hat oder kurz davor steht?
Hilse: Erst einmal die beste Ausbildung. Dazu gehört, dass er sich Erfahrungen außerhalb des eigenen Betriebes holt. Es muss eine stabile betriebliche Situation vorhanden sein. Dabei ist es ganz wichtig, dass Alt und Jung harmonieren. Der Jungbauer muss wissen, wie er seinen Betrieb orientieren will, und er darf sich dabei nicht auf die Politik verlassen. Es ist nicht mehr so einfach wie in der Vergangenheit. Trotz allem ist Landwirt immer noch ein wunderbarer Beruf, in dem man glücklich werden kann.
Heidl: Ich schließe mich hier ausdrücklich an, möchte nur einen Punkt ergänzen, nämlich die ganz persönliche Einstellung zu diesem Beruf. Wenn jemand die Leidenschaft mit den Genen mitbekommen hat und ein potenzieller Ehepartner das mitträgt – das heißt nicht, dass er mitarbeitet auf dem Betrieb –, dann sind die beiden so aufgestellt, dass sie erfolgreich sein können in der Zukunft. Es darf nicht der Zwang im Spiel sein, das machen zu müssen. Man muss die ganze Vielfalt der Unternehmermodelle sehen, und das ist viel mehr als nur wachsen oder weichen. Große Investitionen in nur einem Betriebszweig sind riskanter als eine Entwicklung mit mehreren Standbeinen.
Hat in den letzten Jahren der eine oder andere zu wenig bäuerlich gehandelt? Zu wenig gerechnet? Zu teuer gekauft oder gebaut? Zu leichtfertig investiert?
Heidl: Rechnen ist das eine, die ganze Sache muss finanziell auf soliden Beinen stehen. Aber der Bauch gehört schon auch dazu. Ich muss das Gefühl haben, dass die Entscheidung zukunftsfähig ist. Auf besondere Situationen eine Langzeitperspektive aufzubauen, das ist nicht nachhaltiges bäuerliches Denken. Viele waren in der Vergangenheit ein bisschen euphorisch unterwegs.
Hilse: Das heißt aber nicht, dass man keine neuen Dinge wagen darf. Als ich den Betrieb übernommen habe, war es noch nicht üblich, mit Fremdkapital zu arbeiten. Das ist heute selbstverständlich. Dennoch: Ein Betrieb, der heute zwei Millionen Euro in einen 500er Milchviehstall investiert und auf 30 Prozent Eigenkapital absackt, geht ein völlig anderes Risiko ein als einer, der das nach und nach entwickelt. Wer die große Investition tätigt, verlässt die klassische bäuerliche Schiene. Wer mit fremdem Kapital auf fremdem Boden und mit fremden Leuten Landwirtschaft betreibt, muss sich klar sein, dass er in Konkurrenz steht zu einem Heer an Familienbetrieben, die viel mehr in der Lage sind, Dinge abzupuffern. Groß ist nicht gleich gut, du musst immer das machen, was für deinen Betrieb und deine Region richtig ist.
Kommt die Demotivation auch daher, weil man sieht, wie viele mit ihrem Unternehmergeist auf die Nase gefallen sind?
Heidl: Mag sein, man darf aber nicht vergessen, dass momentan auch die, die sich mit kleineren stabileren Schritten entwickelt haben, in eine Ecke getrieben werden, wo sie sich fragen: Haben wir denn alles falsch gemacht? Da müssen wir den Betrieben Schützenhilfe geben, ihnen den Rücken stärken. Sie müssen die Erkenntnis gewinnen können, dass wir auch die aktuelle Negativphase überstehen. Ich bin mir sicher, dass auch in der Beurteilung der Landwirtschaft wieder Vernunft einkehren wird. Das heißt aber nicht, dass alles so bleiben wird, wie es ist.
Interview: Ralf Stephan,
Sepp Kellerer