
Oberverwaltungsgericht in Lüneburg soll rechtmäßige Gebietsabgrenzung prüfen
Kurz vor Ablauf der geltenden Fristen haben jetzt eine Reihe von Landwirtinnen und Landwirten direkte Klagen (Normenkontrollverfahren) beim zuständigen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen die Nds. Landesdüngeverordnung eingereicht. Die Mehrzahl der durch die roten (nitratsensiblen) oder auch „gelben“ Gebiete (wegen Phosphat eutrophierten Einzugsgebiete von Binnenseen) betroffenen Kläger wurden dabei intensiv durch ihre Kreislandvolkverbände beraten und unterstützt. Nachdem das OVG über ähnliche Klagen vor einem Jahr wegen einer zwischenzeitlich neu erlassenen Landesdüngeverordnung aus formalen Gründen nicht entscheiden wollte, nimmt die Landwirtschaft damit einen neuen Anlauf für eine gerichtliche Klärung vieler strittiger Punkte. Klageberechtigt sind nur betroffene Betriebe, nicht aber die berufsständischen Verbände.
Genau vor einem Jahr veränderte die Landesregierung die Ende 2019 erstmals erlassene Gebietskulisse der viel kritisierten „roten“ Gebiete. Dazu änderte die Landesregierung die Landesdüngeverordnung. Gleichzeitig wurde der Landwirtschaft von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zugesagt, im Rahmen eines Phasenmodells möglichst schnell weitere Anpassungen vorzunehmen. Dabei sollten mangelhafte Messstellen ausgemerzt und über zusätzliche Messstellen, die im Benehmen mit der Land- und Wasserwirtschaft ausgewählt werden sollen, landesweit eine Abgrenzung nach einem allgemein anerkannten geostatistischen Verfahren umgesetzt werden. Die Hauptverantwortung für die zugesagten Änderungen des Phasenmodells liegt beim Nds. Umweltministerium.
Im Januar 2022 legte die Bundesregierung auf Druck der EU-Kommission einen Entwurf mit neuen „Spielregeln“ für die Abgrenzung roter Gebiete durch die Bundesländer vor. Auch dieser Entwurf sieht eine Abgrenzung nach einem fachlich anerkannten geostatistischen Verfahren auf Basis von strengen Anforderungen an die dafür erforderlichen Messstellen vor, aber mit einer Übergangszeit bis 2028. Bis dahin soll die Abgrenzung weiter mit einem mangelhaften Ausweisungsnetz und auf Basis fachlich nicht nachvollziehbarer Abgrenzungsmethoden erfolgen dürfen. Eine derart lange Frist ist für die Landwirtschaft in den betroffenen Regionen nicht hinnehmbar und nicht vereinbar mit dem niedersächsischen Phasenmodell.
Ein Verstreichen der für Normenkontrollverfahren auf maximal ein Jahr befristeten Klagemöglichkeit würde eine direkte gerichtliche Überprüfung des mangelhaften Ausweisungsmessnetzes durch ein Obergericht möglicherweise erschweren. Deshalb wurde jetzt die Einreichung von Klagen notwendig, auch wenn das Umweltministerium bereits eine erhebliche Veränderung der Gebietskulissen der nitratsensiblen Gebiete für 2023 angekündigt hat. Aber selbst dann sollen weiter etwa 650.000 Hektar Nutzfläche als „rotes“ Gebiet ausgewiesen bleiben, die durch gut 240 Messstellen mit Nitratgehalten oberhalb der gesetzlichen Schwellenwerte von 50 mg/l bzw. 37,5 mg/l mit steigendem Trend hervorgerufen werden. Viele dieser Messstellen entsprechen aber nicht den heute geltenden Anforderungen an die Bauweise und anderen Kriterien. Außerdem werden in vielen „roten“ Gebieten die ebenfalls vorhandenen „grünen“ Messstellen nicht berücksichtigt. Ob dieses fachlich nicht nachvollziehbare Vorgehen auf dem Rücken der Betriebe zulässig ist, darüber sollen jetzt die Richter entscheiden.