Informationen des Arbeitgeberverbandes Agrar Genossenschaften Ernährung

Bauernverband Nordostniedersachsen e.V.

2/2019

I. Tarifpolitik

Tarifliche Ausbildungsvergütungen 2018

Die tariflichen Ausbildungsvergütungen sind in 2018 im bundesweiten Durchschnitt um 3,7% (Vorjahr: 2,6%) gestiegen. Bundesweit lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen in 2018 bei € 908,00 brutto im Monat. Zwischen den Ausbildungsberufen bestehen weiterhin erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Vergütungshöhe. Hohe tarifliche Vergütungen wurden z. B. in den Berufen Mechatroniker (West: € 1.091,00), Maurer (West: € 1.175,00), Industrie/Handel (West: € 1.051,00) gezahlt. Unter dem Gesamtdurchschnitt lagen dagegen die Vergütungen im Bereich der freien Berufe (West: € 833,00), im Handwerk (West: € 775,00) und in der Landwirtschaft (West: € 791,00). Die Auswertung hat auch ergeben, daß in einer Reihe von Ausbildungsberufen, in denen in den letzten Jahren viele Ausbildungsplätze unbesetzt blieben, die Vergütungen in 2018 relativ stark angehoben (z. B. Bäcker: 6,4%) wurden.

Mitgliederentwicklung bei den DGB-Gewerkschaften

Der DGB hat unter www.dgb.de unter der Rubrik „Mitgliederzahlen“ den Mitgliederstand 2018 der im DGB organisierten Gewerkschaften veröffentlicht. Bei den mit uns verhandelnden Gewerkschaften IG BAU und NGG handelt es sich um Organisationen mit vergleichsweise wenigen Mitgliedern (IG BAU: 247.181, NGG: 198.043). Die IG Metall (2.270.595) oder ver.di (1.969.043) sind die mitgliederstärksten Gewerkschaften.

Die IG BAU ist unser Tarifpartner bei der Landwirtschaft, den Baumschulen, den Bezugs- und Absatzgenossenschaften, den Wasser- und Bodenverbänden sowie bei einigen Haustarifverträgen. In 2015 waren noch 273.392 Personen Mitglied bei der IG BAU, in 2018 nur noch 247.181. Der Mitgliederrückgang um 26.211 Mitglieder innerhalb von 3 Jahren – verbunden mit Personalveränderungen – hat die IG BAU offenbar dazu bewogen, in Niedersachsen darüber nachzudenken, sich in einigen Branchen tarifpolitisch zurückzuziehen. Wir mußten leider feststellen, daß die IG BAU bislang nicht in der Lage war, sich eindeutig zu einer Fortsetzung der Tarifpartnerschaft zu äußern. Eine Klärung werden wir in den nächsten Monaten herbeiführen.

Entgelttarifvertrag für Molkereien in Weser-Ems

Die Gewerkschaft NGG hat den Entgelttarifvertrag für Molkereien in Weser-Ems vom 13.03.2018 mit Schreiben vom 07.01.2019 fristgerecht zum 31.03.2019 gekündigt. Mit Schreiben vom 13.03.2019 wurde eine Anhebung der Entgelte um 6,25% gefordert.

Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest. -4-

II. Arbeitsmarkt

Laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit ist die Entwicklung am Arbeitsmarkt weiterhin positiv. Im Februar 2019 ist die Zahl der Arbeitslosen um 33.000 auf 2.373.000 gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich die Arbeitslosenzahl damit um 173.000. Die Arbeitslosenquote betrug gegenüber dem Vormonat im Bundesdurchschnitt unverändert 5,3%. In Niedersachsen lag die Arbeitslosenquote im Februar 2019 bei 5,3%/2018: 5,8%), in NRW bei 6,6% (2017: 7,2%), in Schleswig-Holstein bei 5,5% (2017: 6,2%). Auch in den neuen Bundesländern verringerte sich die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vorjahr. Die Arbeitslosenquote betrug z. B. in Mecklenburg-Vorpommern im Februar 2018 8,4% (Vorjahr: 9,9%). Die Bundesagentur für Arbeit hat weiter darauf hingewiesen, daß die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter zugenommen hat. Die Beschäftigung in der Zeitarbeit sei dagegen weiter rückläufig. Den vollständigen Bericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt finden Sie unter www.arbeitsagentur.de > Arbeitsmarktberichte > Monatsbericht.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hat in seiner aktuellen Studie zur regionalen Mobilität von Auszubildenden darauf hingewiesen, daß der Ausbildungsstellenmarkt sich regional sehr unterscheidet. In einigen Regionen stehen deutlich mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung als in anderen. Auch wenn Großbetriebe nur ca. 30% aller Auszubildenden ausbilden, spielt die Zahl der Großbetriebe laut dem IAB eine erhebliche Rolle. Je höher der Anteil der Beschäftigten in Großbetrieben, desto besser fällt die regionale Ausbildungsplatzversorgung aus.

Die IAB-Studie weist darauf hin, daß insbesondere der Schulabschluß der Auszubildenden Einfluß auf die regionale Mobilität der Auszubildenden hat. Abiturienten sind eher mobil: 57% absolvieren ihre Ausbildung im Wohnortkreis, 29% in einem Nachbarkreis und 15% weiter entfernt. Bei Auszubildenden mit mittlerer Reife liegen die entsprechenden Anteile bei 67%, 15% sowie 8%. Bei Auszubildenden mit Hauptschulabschluß bzw. ohne Schulabschluß sind es über 70%, die eine Ausbildung vor Ort absolvieren. Der Bericht betont, daß mobile Auszubildende in ländlichen Regionen häufig nicht nur zwischen Wohnort und Ausbildungsbetrieb, sondern auch weitere Entfernungen zur Berufsschule zurücklegen müssen. Vorgeschlagen wird, hier sog. Mobilitätsanreize (z. B. Azubi-Ticket) zu gewähren. Den IAB-Bericht finden Sie unter www.Iab.de > Publikationen > IAB-Kurzberichte. -5-

Im Zeitraum Oktober 2018 bis Februar 2019 ist im Vorjahresvergleich die Zahl der Bewerber für eine Ausbildung ab Herbst 2019 gesunken (-2,1%). Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze ist um 4,2% deutlich gestiegen.

III. Mindestlöhne in Europa: Verbindliche Lohnuntergrenzen

In 22 der 28 EU-Staaten gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn. In Deutschland wurde er vor vier Jahren eingeführt. 2018 kam man bei einer Vollzeitstelle auf knapp € 1.500,00 brutto im Monat – mehr verdienten Mindestlohnbezieher nur in Luxemburg, Irland, den Niederlanden und Belgien. Seit Anfang Januar beträgt der hiesige Mindestlohn € 9,19 je Stunde, dadurch erhöht sich das entsprechende Monatsentgelt auf € 1.552,00. Auch in Spanien und Frankreich ist der Mindestlohn zum Jahreswechsel angehoben worden, in Spanien auf € 900,00 monatlich, in Frankreich auf annähernd € 1.600,00 im Monat.

Im bevorstehenden Europawahlkampf wird es zu diesem Thema wohl wieder eine Grundsatzdiskussion geben, denn einige Spitzenkandidaten plädieren für die Einführung eines EU-weiten Mindestlohns. -7-

IV. Sozialrecht

Neues Portal REHADAT zur Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe

Alles, was Unternehmen zur Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe wissen müssen, gibt es auf dem neuen REHADAT-Portal unter www.rehadat-ausgleichsabgabe.de.

Ab einer Betriebsgröße von 20 Arbeitsplätzen sind Unternehmen in Deutschland verpflichtet, 5% ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Personen zu besetzen. Tun sie dies nicht, fällt eine sogenannte Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe an.

Wichtig zu wissen: Die Ausgleichsabgabe muß bis zum 31. März 2019 für das abgelaufene Kalenderjahr gezahlt werden. Unternehmen können die Ausgleichsabgabe am einfachsten mit der Software IW-Elan berechnen und auch elektronisch anzeigen (www.iw-elan.de). Das neue Online-Portal www.rehadat-ausgleichsabgabe.de liefert wesentliche Informationen rund um die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe nach § 160 SGB IX.

Nutzer und Nutzerinnen finden im Portal z. B. Antworten auf folgende Fragen:

– Wie wird die Abgabe berechnet und entrichtet?

– Welche gesetzlichen Vorschriften gibt es?

– Wie kann die Ausgleichsabgabe reduziert werden?

– Welche Sonderregelungen gelten für kleine Betriebe und welche schwerbehinderten

Beschäftigten zählen doppelt?

– Welche Rolle spielen Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen?

– Wofür wird das Geld verwendet, das in den Topf der Ausgleichsabgabe fließt?

Ein weiteres Plus der neuen REHADAT-Website: Nutzer und Nutzerinnen gelangen mit wenigen Klicks zu allen Informationen, die sich in den REHADAT-Portalen zur Ausgleichsabgabe finden, wie etwa zur Ersparnisrechner-App, zu den Kontaktdaten der Integrationsämter und Agenturen für Arbeit, zu Urteilen zum Thema Anzeigeverfahren und vielem mehr.

Über REHADAT: REHADAT ist das zentrale unabhängige Informationsangebot zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Die Informationen richten sich an Betroffene und alle, die sich für ihre berufliche Teilhabe einsetzen. Alle Angebote sind barrierefrei und kostenlos zugänglich. REHADAT ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW), gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus dem Ausgleichsfonds. -8-

Unfallversicherung – Keine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls bei vorsätzlichem Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.09.2018

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat in seinem vorgenannten Urteil entschieden, daß allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten, selbst wenn dieser vorsätzlich ist, noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls i. S. d. §§ 104, 105 SGB VII indiziert.

Die Klägerin arbeitete im Jahr 2014 in einem Baumschulenbetrieb, in dem der Beklagte zu 2) als ihr Vorgesetzter und der Beklagte zu 3) als Objektleiter beschäftigt waren. Ende der 90er Jahre war für den Beschnitt von Bäumen ein fahrbares Gerüst mit einer Hebeplattform angeschafft worden, welches schwerer ausgelegt war als die übrigen für den Baumschnitt im Betrieb eingesetzten Gerätschaften. Die gelieferte Hydraulikbühne war mit einem Schild versehen, auf dem stand: „Maximal 250 kg, 2 AK“. Obwohl das Schild an der Maschine als Maximalbelastung zwei Personen auswies, wurde die Bühne zeitweise mit vier Mitarbeitern besetzt.

Am 17.07.2014 kam es zu einem schweren Unfall. Die Klägerin und drei weitere Personen standen auf der ausgefahrenen Plattform in vier Meter Höhe, als diese plötzlich absackte. Alle vier Personen stürzten ab und verletzten sich schwer.

Die Klägerin ist der Meinung, der Beklagte zu 2) habe vorsätzlich gehandelt, da er ungeachtet des Warnschildes angeordnet habe, daß sie und ihre Kolleginnen und Kollegen auch zu viert auf der Bühne zu arbeiten hätten. Der Beklagte zu 2) sei demnach gem. § 105 Abs. 1 SGB VII zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet. Dasselbe gelte für den Beklagten zu 3).

Die Klägerin forderte daher eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall.

Das Arbeitsgericht Brandenburg hat die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) im Wege eines Teilurteils abgewiesen.

Die Klägerin hatte mit der Berufung gegen das Teilurteil keinen Erfolg.

Im Allgemeinen kommt die Unfallversicherung für den Schaden des Versicherten auf. Damit gilt eine grundsätzliche Haftungsentlastung für den Arbeitgeber und für andere Arbeitnehmer, die auch den Anspruch auf Schmerzensgeld umfaßt. Die Haftungsentlastung gilt allerdings -9-

nicht bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls bzw. Personenschaden durch den Arbeitgeber oder einen anderen Arbeitnehmer, vgl. §§ 104, 105 SGB VII.

Das LAG entschied, daß der Klägerin der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagten zu 2) und 3) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Das Arbeitsgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen für vorsätzliches Handeln der Beklagten zu 2) und 3) nicht nachgewiesen sind. Den geltend gemachten Klageansprüchen steht der Haftungsausschluß nach § 104, 105 SGB VII entgegen.

Das LAG entschied weiter, daß allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls i. S. d. §§ 104, 105 SGB VII indiziert. Ein solcher ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt, wenn dieser gewollt war oder sein Eintritt billigend in Kauf genommen wurde. Der Vorsatz des Schädigers muß demnach nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift mißachtet, will in den meisten Fällen aber nicht die Schädigung und den Arbeitsunfall des Arbeitnehmers selbst herbeiführen, sondern er hofft, daß diesem kein Unfall widerfahren werde.

Es reicht insoweit aus, daß sich aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, daß diese darauf vertraut haben, es werde kein Absturz aus großer Höhe und damit eine Verletzung von Mitarbeitern stattfinden. Es konnte zudem nicht festgestellt werden, daß die Beklagten die entstandenen Gesundheitsschäden der Klägerin bewußt in Kauf genommen haben.

Das LAG ist in seiner Entscheidung der Rechtsprechung der Bundesgerichte gefolgt, daß die vorsätzliche Verletzung von Pflichten allein nicht genügt, um dem Haftungsausschluß gemäß §§ 104, 105 SGB VII entgegenzutreten.

Der Vorsatz muß demnach nicht nur die Schädigungshandlung selbst umfassen, sondern auch den konkret eingetretenen Schaden seiner Art bzw. den Eintritt eines ernstlichen Personenschadens. Dies gilt sowohl für das Haftungsprivileg des § 104 SGB VII als auch das Privileg des § 105 SGB VII.

Der durch das LAG entschiedene Fall zeigt, daß die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers, im Falle eines Arbeitsunfalls durch den Arbeitgeber bzw. andere im Betrieb tätige Personen hierfür haftbar zu machen, äußerst gering sind. Auch dann, wenn der Arbeitgeber in erheblichem Umfang gegen Arbeitsschutzvorschriften verstößt, reicht dies noch nicht dafür aus, um einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schmerzensgeld auszulösen. Dies hängt mit Sicherheit mit der Entscheidung des Gesetzgebers zusammen, nach der Arbeitgeber weitestgehend von der Haftung freigestellt werden. Dem geschädigten Arbeitnehmer steht -10-

stattdessen ein Anspruch gegenüber dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Allerdings umfaßt der Leistungskatalog der Berufsgenossenschaft kein Schmerzensgeld.

Geringfügigkeitsrichtlinien aktualisiert

Die Spitzenverbände der Sozialversicherung haben die Geringfügigkeitsrichtlinien aktualisiert. Eingeflossen sind u. a. die unbefristet geltenden Zeitgrenzen für die kurzfristige Beschäftigung sowie das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. Dezember 2017 (B 12 R 10/15 R) zur monatlichen Entgeltgrenze bei geringfügigen Beschäftigungen.

Daneben hat es u. a. folgende Änderungen/Klarstellungen gegeben:

¡ Eine Zeitgrenze von 3 Monaten gilt nun ebenfalls dauerhaft, wenn die Verdienstgrenze von 450-Euro-Minijobs unvorhergesehen überschritten wird.

¡ Steuerfreie Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiterpauschale) und § 3 Nr. 26a EStG (Ehrenamtspauschale) werden bei der Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts zur Prüfung einer geringfügig entlohnten Beschäftigung künftig kalenderjährlich berücksichtigt.

¡ Unter den drei Monaten, die eine kurzfristige Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres ausgeübt werden darf, sind sowohl Kalender- als auch Zeitmonate zu verstehen. Für die Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungszeiten werden volle Kalender- und Zeitmonate mit 30 Kalendertagen berücksichtigt.

¡ Ein kurzfristiger Minijob darf nicht berufsmäßig ausgeübt werden. Die Berufsmäßigkeit muß nur dann geprüft werden, wenn der zu erwartende Gesamtverdienst im Kalendermonatsdurchschnitt mehr als € 450,00 beträgt.

¡ Für einen 450-Euro-Minijobber aus dem Ausland, der nach deutschem Sozialversicherungsrecht zu versichern ist, sind in der Regel Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung zu zahlen.

Weiterhin wird seitens der Spitzenverbände klargestellt, daß der Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 5. Dezember 2017 (B 12 KR 16/15 R) in bezug auf bis zu einem Jahr bestehende Rahmenvereinbarungen nicht gefolgt wird. Das BSG hatte in seinem Urteil -11-

ausgeführt, daß auch eine auf nicht mehr als ein Jahr befristete Beschäftigung bereits regelmäßig und damit berufsmäßig sein kann.

Die geänderten Geringfügigkeitsrichtlinien (Änderungen in Fettdruck) werden wir bei Interesse gerne per Mail versenden.

Praxisfragen zur A1-Bescheinigung

Mit Wirkung zum 01.01.2019 ist § 106 SGB IV neu geregelt worden. Nunmehr ist vorgeschrieben, daß die A1-Bescheinigung nur noch im elektronischen Beantragungsverfahren beantragt werden kann. Diese gesetzliche Änderung nehmen wir zum Anlaß, um in Kürze die wichtigsten praxisrelevanten Fragen zur A1-Bescheinigung darzustellen.

1. Was ist eine A1-Bescheinigung?

Die A1-Bescheinigung gilt bei jedem grenzüberschreitenden Arbeitseinsatz eines Arbeitnehmers innerhalb der EU sowie für Entsendungen im EWR-Ausland (Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie für Entsendungen zwischen der EU und der Schweiz. Sie dient als Nachweis dafür, daß die Rechtsvorschriften des Entsendestaates und damit das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaates weiter gilt. Durch die A1-Bescheinigung kann nachgewiesen werden, daß Sozialversicherungsbeiträge im Entsendestaat entrichtet werden, um eine Doppeltverbeitragung oder sogar Unterbrechung im Sozialversicherungsverlauf während der Entsendedauer zu vermeiden.

Eine A1-Bescheinigung, die vom zuständigen Träger ausgestellt worden ist, entfaltet Bindungswirkung gegenüber den Sozialversicherungsträgern der anderen EU-Mitgliedsstaaten, was zur Folge hat, daß die Sozialversicherungsbeiträge nicht zusätzlich im EU-Ausland abgeführt werden müssen.

Seit 2017 ist in § 106 SGB IV das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren geregelt. Die A1-Bescheinigung kann seit dem 01.01.2018 auch über das Entgeltabrechnungsprogramm beantragt werden. Seit dem 01.01.2019 ist die Nutzung des elektronischen Verfahrens für Arbeitgeber sogar verpflichtend.

2. Wann muß eine A1-Bescheinigung beantragt werden?

Eine Entsendung liegt bei allen Personaleinsätzen im europäischen Ausland vor, wobei die Dauer oder die Art des Personaleinsatzes keine Unterscheidungsmerkmale für eine Entsendung sind. Dies hat zur Folge, daß für alle Dienstreisen, seien es nur einzelne Tage oder sogar nur einzelne Stunden, eine A1-Bescheinigung zu beantragen und einzuholen ist. -12-

Die gesetzlichen Krankenkassen weisen darauf hin, daß aufgrund der drohenden Konsequenzen eine A1-Bescheinigung lieber zu häufig beantragt werden soll.

Eine nachträgliche Beantragung der A1-Bescheinigung ist nicht möglich. Im Falle einer kurzfristig geplanten Reise ist die Bearbeitung des Antrags einer A1-Bescheinigung nicht innerhalb der kurzen Zeit möglich. Für solche Fälle empfehlen wir, die A1-Bescheinigung trotz der Kurzfristigkeit vor Reiseantritt zu beantragen und dem Mitarbeiter eine Kopie des gestellten Antrags mitzugeben. In diesem Zusammenhang weisen wir auch nochmals darauf hin, daß die Mitarbeiter auch die entsprechende A1-Bescheinigung bei ihrem Auslandsaufenthalt mitführen müssen.

3. Konsequenzen für den Arbeitgeber bei Auslandeinsätzen ohne A1-Bescheinigung

Das Mitführen der A1-Bescheinigung ist für die Mitarbeiter verpflichtend und dient dem Nachweis der Sozialversicherungspflicht. Das Mitführen der A1-Bescheinigung wird durchaus auch europaweit von den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten geprüft.

Die Prüfung erfolgt in den meisten Fällen entweder direkt am Flughafen oder auch direkt auf dem Firmengelände/auf Montagestellen. In der jüngsten Vergangenheit sind diese Kontrollen vor allem in Frankreich und Österreich durchgeführt worden.

Für den Fall, daß die entsandten Arbeitnehmer eine A1-Bescheinigung im Rahmen einer Kontrolle nicht vorlegen können, werden durch die zuständigen Behörden im Ausland teils sehr empfindliche Buß- und Verwarngelder mit einer Bußgeldhöhe, die durchaus im fünfstelligen Bereich liegen kann, geahndet. -13-

V. Rechtsprechungsübersicht

Beim Tod eines Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis haben die Erben Anspruch auf Urlaubsabgeltung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2019

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seiner Entscheidung vom 22.01.2019 Klarheit geschaffen über die Frage, ob ein Erbe Anspruch auf Urlaubsabgeltung beim Tod eines Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis hat. Hierbei hat das BAG sich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeschlossen und den Anspruch bestätigt.

Der Ehemann der Klägerin verstarb am 20.12.2010. Er hatte ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, welches durch seinen Tod endete. Aufgrund tarifvertraglicher Regelung stand dem Erblasser, also dem Ehemann, in dem Kalenderjahr ein Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub zu. Zusätzlich war der Ehemann mit Wirkung vom 18.08.2010 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Gem. § 125 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB IX a. F. hatte er für das Jahr 2010 anteiligen Zusatzurlaub von zwei Arbeitstagen. Nunmehr verlangte die Klägerin Abgeltung von insgesamt 25 Arbeitstagen des Resturlaubs. Dieser stand ihrem Ehemann zum Eintritt des Todes für das Jahr 2010 noch zu. Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage jeweils stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hiergegen vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Die Beklagte wurde verurteilt, € 5.857,75 brutto an Urlaubsabgeltung an die Klägerin zu zahlen. Grundsätzlich ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommener Urlaub nach § 7 Abs. 4 BurlG abzugelten. Nach europäischen Recht und einer Auslegung der §§ 1 und 7 Abs. 4 BurlG ergibt sich, daß ein Resturlaubsanspruch auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Versterben des Mitarbeiters endet. Dies hat der EuGH in bezug auf die Arbeitszeitrichtlinie und den gewährleisteten Anspruch auf bezahlten Jahresmindesturlaub entschieden und dabei klargestellt, daß der Mindestjahresurlaub nicht mit dem Tod des Mitarbeiters untergehen darf ohne einen Anspruchsübergang auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub auf die Rechtsnachfolger im Wege der Erbfolge. Insofern folgt für eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschriften des BUrlG, daß als Teil der Erbmasse hier auch die Vergütungskomponente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaubs inbegriffen ist. Dabei umfasse der Anspruch einerseits den bezahlten Erholungsurlaub, aber auch z. B. Zusatzurlaub für schwerbehinderte -14-

Menschen nach § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F. und ggf. auch, sofern kein Ausschluß geregelt ist, tariflichen Mehrurlaub.

Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2018

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit vorgenanntem Urteil entschieden, daß, sofern ein Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub hat, der weniger als einen halben Urlaubstag beträgt, dieser Anspruch weder auf volle Urlaubstage auf- noch abzurunden ist. Es verbleibt dann bei dem bruchteiligen Urlaubstag.

Die Klägerin verlangt die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2007-2015. Der Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem Jahre 2002 als Bürokauffrau. Der geschlossene Arbeitsvertrag sah einen Anspruch auf 25 Arbeitstage Jahresurlaub vor. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin, die ihre Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche erbrachte, betrug € 1.300,00. Die Klägerin, welche der Beklagte im Jahr 2007 keinen Urlaub gewährte, brachte am 05.01.2008 ein Kind zur Welt. Im Anschluß an die Mutterschutzfristen nahm sie vom 02.03.2008 bis zum 04.01.2011 Elternzeit in Anspruch. Nach der Geburt eines weiteren Kindes am 15.09.2011 befand sich die Klägerin im Anschluß an die Mutterschutzfrist vom 11.11.2011 bis zum 14.09.2014 in Elternzeit, ohne zuvor Urlaub erhalten zu haben. Vom 13.10.2014 bis zum 11.01.2015 sowie vom 15.01.2015 bis zum 29.03.2015 war die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Für den Zeitraum vom 06.07.2015 bis zum 24.07.2015 erteilte der Beklagte der Klägerin Urlaub. Mit Schreiben vom 15.06.2015 teilte der Beklagte der Klägerin mit, den Erholungsurlaub um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit zu kürzen. Die Klägerin machte gegenüber dem Beklagten die Abgeltung von 190 Urlaubstagen geltend. Das Arbeitsgericht Leipzig hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen dazu verurteilt, Urlaubsabgeltung für insgesamt 74,58 Urlaubstage zu zahlen. Diesen Wert berechnete das Arbeitsgericht durch Ermittlung der Urlaubsansprüche für die einzelnen Jahre, welche teilweise auch Bruchteile von weniger als einem halben Arbeitstag ergaben.

Das BAG erachte die Revision des Beklagten insofern als begründet, als daß der Klägerin in den Vorinstanzen Urlaubsabgeltung für mehr als 70,5 Urlaubstage zugesprochen wurde. Es hat unter anderem ausgeführt, daß die Klägerin keinen Anspruch darauf habe, daß der Beklagte für das Jahr 2008 mehr als 6,25 Arbeitstage und für das Jahr 2012 überhaupt Urlaub abgelte. Hinsichtlich des Urlaubes für das Jahr 2008 – der gemäß § 24 MuSchG für -15-

die Dauer der Mutterschutzfristen nicht gekürzt werden könne – hat es entschieden, daß eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen im Streitfall nicht in Betracht komme. Für eine Rundung fehlt es an einer erforderlichen Rechtsgrundlage. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, für die in § 5 Abs. 2 BUrlG eine Rundung von Urlaubsansprüchen vorsieht, liegen im Streitfall nicht vor. Gem. § 5 Abs. 2 BUrlG sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden. Zum einen ergibt der von der Klägerin beanspruchte Bruchteil (0,25 Arbeitstage Urlaub) nicht einen halben Urlaubstag.

Zum anderen beantwortet die Bestimmung allein die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Teilurlaub nach § 5 Abs. 1 BUrlG zu runden ist. Der der Klägerin für das Jahr 2008 zustehende Urlaub sei kein Teilurlaub, sondern resultiere daraus, daß die Anwendung des § 17 Abs. 1 BEEG zu einem bruchteiligen Urlaubsanspruch geführt habe. § 5 Abs. 2 BurlG schließe darüber nicht aus, daß einem Arbeitnehmer ein Urlaubsanspruch zusteht, der sich nach Bruchteilen bemißt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Vorschrift im Umkehrschluß nur zu entnehmen, daß ein Urlaubsanspruch, der weniger als einen halben Tag umfaßt, nicht aufzurunden ist, nicht jedoch, daß er ersatzlos entfalle.

Mit dem Urteil setzt das BAG die arbeitnehmerfreundliche Tendenz in der Urlaubsrechtsprechung fort. Es orientiert sich hierbei strikt an dem Wortlaut des §§ 5 Abs. 2 BUrlG, der ausdrücklich lediglich den Fall der Aufrundung von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, regelt. Der eigentlich naheliegenden Sichtweise, daß im Umkehrschluß Tage von weniger als einen halben Tag abzurunden wären, folgt das BUrlG nicht.

Kein Widerruf von außerhalb der Geschäftsräume abgeschlossenen Aufhebungsverträgen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2019

In der o. g. Entscheidung hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem außerhalb der Geschäftsräume abgeschlossenen Aufhebungsvertrag zu beschäftigen. Allein die Tatsache, daß dieser in der Privatwohnung abgeschlossen wurde, berechtigt den Arbeitnehmer nicht zum Widerruf.

Die Klägerin, eine Reinigungskraft, schloß in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten der Beklagten einen Aufhebungsvertrag. Dieser sah die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vor. Zwischen den Parteien sind der -16-

Anlaß und der Ablauf der Vertragsverhandlungen umstritten. Die Klägerin trägt vor, daß sie am Tag des Vertragsschlusses erkrankt war. Sie hat den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen. Mit ihrer Klage wendet sie sich u. a. gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) haben die Klage abgewiesen.

Das BAG hat das Urteil des LAG Niedersachsen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Der Grund für die Zurückweisung liegt darin, daß das LAG nicht geprüft habe, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluß des Aufhebungsvertrages beachtet wurde. Es habe zwar rechtsfehlerfrei erkannt, daß dem Vertrag der Klägerin kein Anfechtungsgrund entnommen werden könne und der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich sei. Allerdings habe es das Gebot des fairen Verhandelns als arbeitsvertragliche Nebenpflicht nicht beachtet. Diese Nebenpflicht werde verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schaffe, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners deutlich erschwere. Dies könne im vorliegenden Fall insbesondere dann sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewußt ausgenutzt worden wäre. In einem solchen Fall hätte die Beklagte Schadensersatz zu leisten. Sie müßte den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde. Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies würde zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen. Aus diesem Grunde habe das LAG die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages erneut zu beurteilen.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

– Telemedizinische Diagnosen/Krankschreibung per WhatsApp –

Bundesweit galt bis zum 10.05.2018 die Regelung in § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte (MBO-Ä), wonach Ärztinnen und Ärzte individuelle ärztliche Behandlungen, insbesondere auch Beratungen, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen dürften. Auch bei einem telemedizinischen Verfahren war zu gewährleisten, daß eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar, d. h. persönlich behandelt. Umgangssprachlich wurde diese Regelung als „Fernbehandlungsverbot“ bezeichnet. -17-

Der 121. Deutsche Ärztetag hat dieses „Fernbehandlungsverbot“ nun erstmals gekippt. Es wurde beschlossen, daß § 7 Abs. 4 MBO-Ä künftig vorsieht, daß Ärzte „im Einzelfall“ auch bei ihnen noch unbekannten Patienteninnen und Patienten Beratungen oder Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsmedien vornehmen dürfen. Dies soll allerdings nur gelten, sofern dies „ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt“ gewahrt ist. Diese Änderung hat ein Anbieter in Hamburg genutzt und bietet aktuell gegen Entgelt Krankschreibungen über den Kurzmitteilungs-Dienst „Whatsapp“ an, die zunächst als Fotografie und später im Original an die Patientin oder an den Patienten übersandt wird. Zuvor muß die Patientin oder der Patient auf einer Website Fragen zum Gesundheitszustand beantwortet haben.

Zu der Frage, inwiefern Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die über den Kurzmitteilungs-Dienst „Whatsapp“ ausgestellt worden sind, zulässig und von Arbeitgebern zu akzeptieren sind, teilte die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) folgendes mit:

„[…] Aufgrund der Änderungen in der Musterberufsordnung ist es für die Wirksamkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht notwendig, daß die Diagnose durch einen Arzt aufgrund einer persönlichen Untersuchung erstellt wurde. Bei Krankschreibung gilt grundsätzlich, daß sich Arbeitgeber auf die Beurteilung der bescheinigten Ärzte verlassen müssen. Ob die Untersuchung mit oder ohne persönlichen Kontakt zwischen Patienten und Ärzten erfolgt ist und um welche Krankheit es sich handelt, geht für Arbeitgeber aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht hervor. Nach geltendem Recht müssen Arbeitgeber daher auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen akzeptieren, die ausschließlich aufgrund einer telemedizinischen Untersuchung ausgestellt wurden. Entfällt der persönliche Kontakt zum Arzt, besteht das Risiko, daß die Hemmschwelle für Arbeitnehmer sinken kann, falsche oder übertriebene Angaben über ihren Gesundheitszustand zu machen. Insofern kann bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Online-Dienste eine höhere Gefahr der Fehleinschätzung bestehen.

Einer von einem Arzt nach einer telemedizinischen Diagnose ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann ein geringerer Beweiswert zukommen. Bei Zweifeln muß der Arbeitgeber darlegen und beweisen, daß die Bescheinigung ohne eine persönliche Untersuchung im Rahmen des Online-Angebotes ausgestellt wurde.“

Wenn „begründete Zweifel“ am rechtmäßigen Zustandekommen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegeben sind, sind Sie als Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, diese zu akzeptieren. Sie haben die Möglichkeit, eine Überprüfung durch Einschaltung des Medizinischen Dienstes nach § 275 SGB V durchführen zu lassen oder die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher als in § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geregelt zu -18-

verlangen. Im übrigen überprüfen die von dem Anbieter eingesetzten Ärzte alle Anfragen aktuell ausschließlich von Schleswig-Holstein aus. Eine Online-Krankschreibung wird daher von einem Arzt ausgestellt sein, der an einem Ort praktiziert, der unter Umständen nicht Wohnort oder Arbeitsstätte der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers ist.

Erlöschen des bezahlten Jahresurlaubs am Ende des Kalenderjahres nur bei korrektem Arbeitgeber-Hinweis

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019

Bereits mit unserem Rundschreiben Nr. 1/2019 vom 07.01.2019 hatten wir über Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) informiert: Hiernach soll ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb mit dem Jahresende verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Für das Erlöschen des Urlaubs müsse, so der EuGH, der Arbeitgeber nachweisen, daß der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dieser Entscheidung des EuGH hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun angeschlossen.

Die Beklagte beschäftigte den klagenden Wissenschaftler vom 01.08.2001 bis 31.12.2013. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger erfolglos, den von ihm in den Jahren 2012 und 2013 nicht genommenen Erholungsurlaub von insgesamt 51 Arbeitstagen mit einem Bruttobetrag in Höhe von € 11.979,26 abgegolten zu erhalten. Während des Arbeitsverhältnisses hatte er keinen Antrag auf Gewährung des Urlaubs gestellt.

Das BAG hat die streitige Angelegenheit zwar zur weiteren Aufklärung an das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen. Nach Ansicht des BAG wird das LAG aufzuklären haben, ob der beklagte Arbeitgeber seinen Obliegenheiten gegenüber dem Kläger hinsichtlich der Aufklärung über die Urlaubsnahme nachgekommen ist.

Ebenso wie der EuGH ist das BAG nämlich der Ansicht, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen hat, daß der Urlaub am Ende des Urlaubsjahres oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt. Hierzu ist, so das BAG, erforderlich, daß die konkret noch zu nehmenden Urlaubstage beziffert wurden und der Arbeitgeber rechtzeitig und nachweisbar über den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs aufgeklärt hat. Erst dann kann, sofern der Arbeitnehmer auf diesen -19-

Hinweis gleichwohl aus freien Stücken keinen Urlaubsantrag stellt, der Urlaub am Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums tatsächlich erlöschen.

Wie zu erwarten war, folgt das BAG den EuGH-Entscheidungen vom 02.11.2018 voll umfänglich. Für die Arbeitgeber stellt sich nun die neue Situation, daß sie rechtzeitig und konkret sowie nachweisbar jeden einzelnen Arbeitnehmer darauf hinweisen müssen, daß und in welcher Höhe sein konkreter Urlaubsanspruch am Ende des Urlaubsjahrs bzw. des Übertragungszeitraums verfallen wird, sofern er keinen entsprechenden Urlaubsantrag stellt. Wir empfehlen daher folgendes Vorgehen:

Im Sommer des jeweiligen Urlaubsjahrs (Zeitraum bis einschließlich August empfohlen) sollte jeder Mitarbeiter in Textform darauf hingewiesen werden, wie viele (freie, also noch nicht bereits genehmigte) Urlaubstage ihm in diesem Urlaubsjahr noch zustehen. Der Arbeitnehmer soll darauf hingewiesen werden, daß er die entsprechenden Urlaubstage noch vor Ablauf des Urlaubsjahrs beantragen und nehmen soll, da sie andernfalls verfallen. Der Zugang dieses Hinweises an den Arbeitnehmer sollte nachweisbar sein. Obwohl sich die Entscheidungen des EuGH und des BAG nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub (nach dem BUrlG und ggf. Zusatzurlaub nach dem SGB IX) beziehen, ist ratsam, auch evtl. zustehenden tariflichen oder arbeitsvertraglichen Mehrurlaubsanspruch in den konkreten Hinweis mit aufzunehmen.

Ein am Jahresende gem. § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG noch bis zum 31.03. des Folgejahres übertragener Urlaubsanspruch sollte ebenfalls mit einem entsprechenden konkreten Hinweis belegt werden: Hier sollte zu Beginn des Übertragungszeitraums, also innerhalb des Monats Januar, auf den übertragenen Resturlaubsanspruch aus dem Vorjahr konkret hingewiesen werden und der Arbeitnehmer aufgefordert werden, diesen bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums am 31.03. zu beantragen und zu nehmen, da er andernfalls verfällt. Auch dieser Hinweis sollte in Textform ergehen und sein Zugang nachweisbar sein.

Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für eine während der Arbeitszeit liegenden Untersuchung oder Behandlung, wenn der Arbeitnehmer nicht versucht hat, die Arbeitsversäumnis möglichst zu vermeiden

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2018

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Voraussetzung für einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für den Fall eines nicht krankheitsbedingten Arztbesuches während der Arbeitszeit präzisiert. -20-

Die Parteien des Rechtstreites streiten darüber, ob der Kläger für die Dauer eines Arztbesuches einen Anspruch auf bezahlte Freistellung hat.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils gültigen Tarifverträge des Groß- und Außenhandelsverband Niedersachsen e.V. Anwendung, der für bestimmte Fälle, etwa die eigene Eheschließung, die Niederkunft der Ehefrau etc. Ansprüche der Arbeitnehmer Freistellung von der Arbeit ohne Anrechnung auf den Urlaub unter Fortzahlung des Entgeltes formiert. Eine Sonderregelung besteht für den Fall von Arztbesuchen während der Arbeitszeit.

Der Kläger nahm während seiner Arbeitszeit einen anderthalbstündigen Arzttermin in Anspruch. Aufgrund der Sprechzeiten des behandelnden Arztes und seiner Arbeitszeiten konnte der Kläger keinen Arzttermin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit erhalten. Für die Zeit vor und nach diesem Arzttermin nahm er Freizeitausgleich, so daß er an diesem Tag insgesamt nicht arbeitete. Die Beklagte zahlte für diesen Tag die Arbeitsvergütung und belastete das Arbeitszeitkonto mit der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit des Klägers von 8,25 Stunden.

Mit der Klage macht der Kläger einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Zeit des Arztbesuches geltend. Er begehrt insoweit eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto im Umfang von 1,5 Stunden für die Dauer des Arztbesuches.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein

Begehren auf Zeitgutschrift weiter.

Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Das LAG stützt seine Entscheidung darauf, daß ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung nicht dadurch verliere, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sei, § 616 BGB.

Ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis kann auch beim Arztbesuch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann. Zwar ist nicht jeder Arztbesuch als notwendige Abwesenheit zu betrachten, nur weil der behandelnde Arzt einen Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Behandlung oder Untersuchung in seine Praxis bestellt. Der Arbeitnehmer muß versuchen, die Arbeitsversäumnis möglichst zu vermeiden. Hält der Arzt außerhalb der Arbeitszeit Sprechstunden ab und sprechen keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, muß der Arbeitnehmer die Möglichkeit der Sprechstunde außerhalb der -21-

Arbeitszeit wahrnehmen. In vorliegendem Fall konnte der Kläger den Arztbesuch während der Arbeitszeit aufgrund der Praxissprechstunden und seiner persönlichen Arbeitszeitlage nicht vermeiden.

Das LAG kam im vorliegenden Fall ferner zu dem Ergebnis, daß die Regelungen des Tarifvertrages zur Freistellung in bestimmten Fällen keine abschließenden Regelungen zur Verdrängung von § 616 BGB darstellen und ein Anspruch daher nicht ausgeschlossen sei. Dies vor dem Hintergrund, daß zum einen die zur Freistellung von der Arbeit für bestimmte persönliche Ereignisse (§ 13 des MTV) sowie die Vergütung der unumgänglich notwendigen Abwesenheit in Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis (§ 14 MTV), normiert ist.

Das LAG kommt durch Auslegung des Tarifvertrages sowie der Tarifhistorie zu dem Ergebnis, daß Fälle eines Arztbesuches nicht unter die allgemeinen Freistellungsregelungen, sondern nach den Regelungen über Arbeitsversäumnis bei Erkrankung behandelt werden sollten.

Daher standen die Regelungen zur Arbeitsfreistellung aus persönlichen Gründen der Vergütungspflicht nicht entgegen.

Das LAG prüft exemplarisch die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs für einen nicht krankheitsbedingten Arztbesuch während der Arbeitszeit. Das LAG stellt ferner klar, daß der Arbeitnehmer möglichst versuchen muß, die Arbeitsversäumnis zu vermeiden.

Es stellt abschließend klar, daß entsprechende Zahlungsansprüche gem. § 616 BGB durch tarifvertragliche Regelungen und wohl auch einzelvertragliche Abreden abbedungen werden können. Insoweit sollte jedoch eine explizite, lückenlose und zweifelsfreie Regelung aufgenommen sein, um den strengen Anforderungen der Rechtsprechung an eine Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu genügen.

Arbeitgeberverband Agrar, Genossenschaften, Ernährung Niedersachsen e.V.