Informationen des Arbeitgeberverbandes Agrar Genossenschaften und Ernährung

Bauernverband Nordostniedersachsen e.V.

AGE News 1/2019

 07.01.2019

I. Verbandsnachrichten

§ Mitgliederentwicklung/Beratungstermine/Prozeßtätigkeit

II. Tarifpolitik

§ Allgemein/Lohn- und Gehaltstarifvertrag für Raiffeisen Bezugs- und Absatzgenossenschaften in Weser-Ems

III. Arbeitsmarkt

§ Europa: Teilzeitjobs – Deutschland auf Platz 3

§ Befristungen

IV. Mindestlohnanpassung

V. Sozialrecht

§ Beitragsbemessungsgrenzen

§ Höchstbetrag Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung: 4% der BBG/RV

§ GKV-Versichertenentlastungsgesetz

§ RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz

§ Pflege- und Arbeitslosenversicherung

§ Steuerbefreiung für Diensträder

§ Nichtanrechnung des unmittelbar vor dem Rentenbeginn liegenden Arbeitslosengeldbezugs auf die 45 Pflichtbeitragsjahre der Rente für besonders langjährig Versicherung bei (Teil)Betriebsschließung

VI. Rechtsprechungsübersicht

§ Kein automatischer Übergang des Jahresurlaubs bei fehlendem Urlaubsantrag

§ Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung eines technischen Überwachungssystems (Microsoft Excel)

§ Ausschlußfrist

I. Verbandsnachrichten

Die Mitgliederentwicklung in 2018 verlief positiv. Waren Ende 2017 insgesamt 356 Unternehmen Mitglied unseres Verbandes, erhöhte sich die Anzahl der Mitgliedsunternehmen zum 31.12.2018 auf 369.

Die Inanspruchnahme der AGE-Juristen durch die Verbandsmitglieder nahm in 2018 weiter zu, so stieg die Anzahl der Beratungstermine auf 178 (2017: 126). Neben der Beratungstätigkeit nahm auch die Prozeßtätigkeit zu. In 2018 haben die AGE-Juristen insgesamt 85 neue Arbeitsgerichtsverfahren betreut, davon 64 vor den niedersächsischen Arbeitsgerichten in Oldenburg, Osnabrück, Lingen, Emden, Verden, Stade, Nienburg, Hannover, Hameln, Braunschweig und Göttingen.

19 Arbeitsgerichtsverfahren wurden in anderen Bundesländern (Arbeitsgerichte: Kiel, Flensburg, Lübeck, Schwerin, Rostock, Stralsund, Hamburg, Neuruppin, Stendal, Halle, Krefeld, Münster, Wiesbaden) geführt.

II. Tarifpolitik

Mit insgesamt 16 Verhandlungstagen verliefen die diversen Tarifverhandlungen in 2018 im Vergleich zum Vorjahr (25 Verhandlungstage) vergleichsweise ruhig. Die Verhandlungen konnten in allen von dem AGE tarifpolitisch betreuten Branchen erfolgreich abgeschlossen werden, zuletzt die Entgeltverhandlungen für die Bezugs- und Absatzgenossenschaften in Weser-Ems wie folgt:

Ende November 2018 haben wir im Rahmen der 4. Verhandlungsrunde mit der IG BAU die Tarifrunde 2018 erfolgreich zum Abschluß bringen können. Für den Zeitraum vom 01.02.2018 bis 31.07.2018 gelten die Löhne/Gehälter des Lohn-/Gehaltstarifvertrages vom 11.04.2017 weiter. Für den o. g. Zeitraum erhalten Vollzeitbeschäftigte eine Einmalzahlung in Höhe von € 300,00, Teilzeitbeschäftigte werden anteilig berücksichtigt. Ab dem 01.08.2018 werden die Entgelte um 2,8% angehoben, ab dem 01.03.2019 um weitere 3%. Der Lohn-/Gehaltstarifvertag hat eine Laufzeit bis zum 31.12.2019.

III. Arbeitsmarkt

Europa: Teilzeitjobs – Deutschland auf Platz 3

Eurostat hat Zahlen zu den Teilzeit- Beschäftigungsverhältnissen in der EU veröffentlicht. Das Ergebnis: In den Niederlanden ist Teilzeit besonders weit verbreitet. Mit dem europäischen Höchstwert von 46,6% Teilzeitbeschäftigter im Alter von 20 bis 64 Jahren liegt unser Nachbarland mit deutlichem Abstand vorne. Auf Platz 2 folgt Österreich mit 28,2% Teilzeitbeschäftigter vor Deutschland mit 26,9%. In süd- und osteuropäischen Ländern ist Teilzeitarbeit dagegen fast noch ein Fremdwort. In Bulgarien beträgt der Anteil 2,1%, in Ungarn 4,3% und in Kroatien 4,8%.

Das Arbeitszeitmodell Teilzeit bietet zahlreiche Vorteile: Arbeitnehmer können Beruf und Familie leichter unter einen Hut bringen und Unternehmen können Teilzeitarbeit für einen bedarfsgerechten Personaleinsatz nutzen.

IV. Mindestlohnanpassung

Ab dem 01.01.2019 beträgt der Mindestlohn 9,19 €, ab dem 01.01.2020 9,35 € brutto je Stunde. Dadurch steigt der gesetzliche Mindestlohn um insgesamt 5,8%. Dies bedeutet für die Arbeitnehmer, daß eine Lohnerhöhung von etwa 790 Mio. € 2019 und rd. 390 Mio. € im Jahr 2020 erfolgt. Durch die „Zweite Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns“ wird die von der Mindestlohnkommission am 26.06.2018 beschlossene Erhöhung rechtsverbindlich.

Um die Umsetzung des Mindestlohns sicherzustellen, will die Bundesregierung den Zoll durch mehr Personal verstärken und in dieser Legislaturperiode sind 7.500 zusätzliche Stellen geplant.

V. Sozialrecht

Beitragsbemessungsgrenzen:

Kranken- und Pflegeversicherung

– jährlich: € 54.450,00 (2018: € 53.100,00)

– monatlich: € 4.537,50 (2018: € 4.425,00)

Renten- und Arbeitslosenversicherung (West)

– jährlich: € 80.400,00 (2018: € 78.000,00)

– monatlich: € 6.700,00 (2018: € 6.500,00)

Höchstbetrag Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung: 4% der Beitragsbemessungsgrenze/RV (§ 1 a Absatz 1 BetrAVG)

2018: € 78.000,00 x 4% = € 3.120,00

2019: € 80.400,00 x 4% = € 3.216,00

Seit dem 01.01.2019 sind Arbeitgeber verpflichtet, einen Zuschuß zur betrieblichen Altersversorgung durch Entgeltumwandlung zu leisten. Ein in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherter Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, daß ein Teil seiner Entgeltansprüche für die betriebliche Altersversorgung verwendet wird (Entgeltumwandlung). Wie bereits ausgeführt, ist der Anspruch auf 4% der Beitragsbemessungsgrenze (RV) begrenzt. Dies wird 2019 zu einem Betrag in Höhe von € 268,00 monatlich führen. Da der Arbeitgeber bei der bisherigen Entgeltumwandlung die Sozialversicherungsbeiträge für den umgewandelten Betrag spart, werden geringere Rentenversicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer abgeführt, was zu einer entsprechend geringeren Rente führt. Der Gesetzgeber will dies durch das Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge verhindern und gleichzeitig auch für Geringverdiener einen finanziellen Anreiz zur Entgeltumwandlung schaffen. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sieht daher vor, daß ein Arbeitgeber ab 2019 einen Zuschuß zur Entgeltumwandlung leisten muß. Nach § 1 a BetrVAG ist der Arbeitgeber verpflichtet, 15% des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuß zu leisten, sofern er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Diese Verpflichtung zur Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses findet nur auf die Entgeltumwandlung in den Durchführungswegen Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung Anwendung. Sie gilt nicht bei Direktzusagen oder Unterstützungszusagen.

GKV-Versichertenentlastungsgesetz

Ab dem 01.01.2019 kommt es wieder zur Beitragsparität bei der GKV.

Der Zusatzbeitrag zur GKV wird hälftig durch den Arbeitgeber getragen. Bei dem Beitragszuschuß für freiwillig Krankenversicherte ist zusätzlich der hälftige Zusatzbeitrag zu berücksichtigen, beim Beitragszuschuß für PKV-Versicherte zusätzllch der hälftige durchschnittliche Zusatzbeitrag.

Der GKV-Schätzerkreis erwartet für 2019 Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 231,1 Mrd. Euro und Ausgaben in Höhe von 244,4 Mrd. Euro. Angesichts des Differenzbetrages von 13,3 Mrd. Euro wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag daher voraussichtlich 0,9% betragen. Die von den einzelnen Krankenkassen erhobenen Zusatzbeiträge können vom durchschnittlichen Zusatzbeitrag zum Teil erheblich abweichen. Einzelheiten hierzu können Sie unter „www.gkv-spitzenverband.de Krankenkassenliste“ ersehen.

RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz

Das Rentenniveau soll bis 2025 nicht unter 48% absinken. Der RV-Beitragssatz soll bis 2025 nicht auf über 20% ansteigen. Der im November 2018 veröffentlichte Rentenversicherungsbericht enthält Modellrechnungen zur Entwicklung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung:

2019 bis 2023: 18,6%

2024: 19,9%

2025: 20,0%

2026: 20,7%

2027: 21,1%

2028: 21,3%

2029: 21,7%

Pflege- und Arbeitslosenversicherung

Der Pflegebeitragssatz wird ab dem 01.01.2019 um 0,5% erhöht. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird zum 01.01.2019 um 0,4% abgesenkt. Eine weitere Absenkung um 0,1% ist bis Ende 2022 befristet. -9-

Steuerbefreiung für Diensträder

Beschlüsse des Finanzausschusses vom 07.11.2018

Durch Entscheidung vom 07.11.2018 des Finanzausschusses des Bundestages soll der geldwerte Vorteil über eine Überlassung eines betrieblichen Fahrrads durch den Arbeitgeber vom Arbeitnehmer in Zukunft nicht mehr versteuert werden müssen. Steuerfrei sollen danach auch sogenannte Jobtickets werden. Dies wurde durch die Fraktionen von CDU/CSU und SPD beschlossen. Die AfD-Fraktion und die FDP-Fraktion lehnten das Gesetz ab. Die Links-Fraktion und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich hierbei.

Zusätzlich sieht der Gesetzesentwurf auch Änderungen an den Vorschriften über die Privatnutzung von Dienstwagen vor in bezug auf das EStG. Hierbei ist die private Nutzung eines Dienstwagens mit 1% für jeden Kalendermonat zu versteuern. Dabei ergibt sich nunmehr eine Änderung für Elektroautos, wonach für Elektroautos, die nach dem 31.12.2018 und vor dem 01.01.2022 zugelassen werden, dieser Wert auf 0,5% sinkt. Auch extern aufladbare Hybridelektrofahrzeuge können in diese Regelung einbezogen werden. Hierfür ist allerdings die Voraussetzung, daß diese Fahrzeuge mindestens 50 km Reichweite allein aufgrund des Elektroantriebs haben und ein bestimmter Co²-Wert nicht überschritten wird.

Darüber hinaus wurden Arbeitgeberzuschüsse zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ebenfalls steuerfrei gestellt. Dies soll auch zu Beginn des Jahres 2019 stattfinden. Die steuerfreien Leistungen für Jobtickets sollen künftig auf die Entfernungspauschale angerechnet werden, um „systemwidrigere Überbegünstigungen“ zu vermeiden, die gegenüber Arbeitnehmern, die diese Aufwendungen selbst aus ihrem versteuerten Einkommensbezug bezahlen müssen, entstehen würden.

Nichtanrechnung des unmittelbar vor dem Rentenbeginn liegenden Arbeitslosengeldbezugs auf die 45 Pflichtbeitragsjahre der Rente für besonders langjährig Versicherte bei (Teil-)Betriebsschließung

Bundessozialgericht, Urteil vom 28.06.2018

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 28.06.2018 entschieden, daß der Zeitraum des Arbeitslosengeldbezugs unmittelbar vor Rentenbeginn nicht auf die 45-jährige Wartezeit der Rente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236 b Abs. 1 SGB VI anzurechnen ist, wenn der Grund der Arbeitslosigkeit auf einer (Teil-)Betriebsschließung beruht.

I. Sachverhalt

Die Beteiligten stritten über die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte für die Zeit ab 01.07.2014. Die beklagte Rentenversicherung hatte dem Kläger die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte nach § 236 b Abs. 1 SGB VI verweigert, weil dieser statt der erforderlichen Vorversicherungszeit von 540 Monaten nur 536 Wartemonate aufwies. Die Beklagte hatte dabei allerdings den vorangegangenen Arbeitslosengeldbezug des Klägers unberücksichtigt gelassen. Der Kläger arbeitete zuletzt als Sachbearbeiter Finanzen und Rechnungswesen in dem Bereich Hauptverwaltung eines bundesweit tätigen Bildungsdienstleisters, und zwar in einem Außenbüro der Hauptverwaltung. Nach Schließung des Außenbüros aufgrund betriebsorganisatorischer Veränderungen, die zu einer interessenausgleichspflichtigen Maßnahme geführt hatten, war der Kläger vor der Rente in den Arbeitslosengeldbezug mit der Maximaldauer von 24 Monaten eingetreten. Sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg und dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen blieb der Kläger erfolglos. Auch das BSG gab der beklagten Rentenversicherung vollumfänglich Recht.

II. Entscheidungsgründe

Das BSG hat in seiner Entscheidung zunächst klargestellt, daß der Ausschluß der Anrechenbarkeit eines Arbeitslosengeldbezugs auf die Wartezeit auch den Fall umfaßt, daß eine Teilbetriebsschließung erfolgt. Die in § 51 Abs. 3 a S. 1 Nr. 3 a) SGB VI aufgeführte Regelung, wonach der Bezug von Entgeltersatzleistungen vor Rente ausnahmsweise bei Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers erfolgen kann, sei eng auszulegen. Der Bezug von Arbeitslosengeld sei nur dann durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, wenn das gesamte Unternehmen des konkreten rechtlichen Arbeitgebers als Basis vorhandener Beschäftigung wegfalle, d. h. die gesamte Unternehmensorganisation insbesondere durch Entlassung aller Arbeitnehmer, d. h. Beendigung sämtlicher Beschäftigungen, und Veräußerung oder sonstige Weggabe aller Sachmittel aufgelöst werde. Das Ziel, eine mißbräuchliche Frühverrentung durch geplanten Arbeitslosengeldbezug vor Rente von vorneherein auszuschließen, sei regelmäßig nur erreichbar, wenn unter Geschäftsaufgabe die Aufgabe des Gesamtunternehmens des Arbeitgebers zu verstehen sei. Das BSG stellte nach ausführlicher Prüfung zudem fest, daß der Ausschluß der Anrechenbarkeit des Arbeitslosengeldbezugs in § 51 Abs. 3 a S. 1 Nr. 3 a) SGB VI nicht verfassungswidrig ist.

III. Bewertung/Folgen der Entscheidung

Im Ergebnis bedeutet das, daß der Zeitraum eines Arbeitslosengeldbezugs vor der Rente nur dann auf die Wartezeit von 45 Jahren zum Bezug einer Rente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236 b Abs. 1 SGB VI angerechnet werden kann, wenn die Arbeitslosigkeit nach § 51 Abs. 3 a S. 1 Nr. 3 a) SGB VI durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Eine (Teil-)Betriebsschließung reicht insoweit nicht aus. Die strenge Vorgabe und Auslegung des § 51 Abs. 3 a S. 1 Nr. 3 a) SGB VI ist zudem mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das Vorgenannte sollte insbesondere bei Arbeitnehmern Berücksichtigung finden, die die vorausgesetzte Vorversicherungszeit noch nicht vollständig erfüllt haben und mit denen entweder, zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung aufgrund einer durchgeführten (Teil-) Betriebsschließung, ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden soll oder bei denen, nach Ausspruch einer solchen Kündigung, ein gerichtlicher Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll. -12-

VI. Rechtsprechungsübersicht

Kein automatischer Untergang des Jahresurlaubs bei fehlendem Urlaubsantrag

Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 06.11.2018

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 06.11.2018 in zwei Entscheidungen mitgeteilt, daß ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren darf, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Wenn der Arbeitgeber jedoch nachweist, daß der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen und er in die Lage versetzt worden war, den Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Urlaubsanspruchs nicht entgegen.

I. Sachverhalte

Der erste Kläger absolvierte seinen juristischen Vorbereitungsdienst beim Land Berlin als Rechtsreferendar. In den letzten fünf Monaten seines Referendariats hatte er sich dazu entschieden, keinen Jahresurlaub zu nehmen. Nach Abschluß des Referendariats beantragte der Kläger dann eine finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Resturlaubs. Das Land Berlin lehnte den Antrag mit der Begründung ab, § 9 der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter sehe einen Abgeltungsanspruch nicht vor.

Der zweite Kläger war bis zum 31.12.2013 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (MPG) beschäftigt. Die MPG forderte ihn mit Schreiben vom 23.10.2013 auf, vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am Jahresende seinen Urlaub zu nehmen. Die Arbeitgeberin legte jedoch nicht von sich aus einseitig und für den Kläger verbindlich seine Urlaubstage fest. Da der Kläger nur zwei Tage Urlaub nahm, forderte er die MPG zur Zahlung und Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen auf. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg bzw. das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht beantragt hat.

II. Entscheidungen

Der EuGH hat entschieden, daß Art. 7 der EU-Arbeitszeit-Richtlinie es nicht zuläßt, daß ein Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch deshalb verliere, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub beantragt hat. Diese Ansprüche könnten nur dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber jedoch zu beweisen habe. Erweise es sich, daß der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen darauf verzichtet habe, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, stehe die Arbeitszeitrichtlinie dem Verlust des Urlaubsanspruches und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Urlaub nicht entgegen. Allerdings müsse der Arbeitnehmer hierfür auch tatsächlich in die Lage versetzt worden sein, seinen Urlaubsanspruch rechtzeitig wahrzunehmen.

III. Bewertung/Folgen der Entscheidungen

Der EuGH hat zum wiederholten Mal den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub aus Art. 7 EU-Arbeitszeitrichtlinie zugunsten des Arbeitnehmers (zu) weit ausgelegt. Künftig werden Arbeitgeber sehr darauf achten müssen, den Arbeitnehmern die Möglichkeit einzuräumen, ihren Urlaub zu nehmen und dies auch nachzuweisen. Dazu genügt es, den Arbeitnehmern rechtzeitig mitzuteilen, daß ihr Urlaub am Ende des Bezugs- oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn sie ihren Urlaub nicht nehmen. Zugleich muß sichergestellt sein, daß der Arbeitnehmer seinen Freistellungsanspruch auch tatsächlich realisieren kann. Will der Arbeitgeber zukünftig sicherstellen, daß der Arbeitnehmer seinen Urlaub in natura nimmt, wird es sich anbieten, stärker vom Bestimmungsrecht des Arbeitgebers Gebrauch zu machen. Der Arbeitgeber darf den Urlaubszeitraum selbst verbindlich festlegen, wenn der Arbeitnehmer keine entgegenstehenden Urlaubswünsche äußert. Auch zukünftig – vorbehaltlich weiterer Urteile des EuGH – ist der Arbeitgeber aber weiterhin nicht verpflichtet, seine Arbeitnehmer zu zwingen, den ihnen zustehenden Urlaub tatsächlich zu nehmen.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung eines technischen Überwachungssystems (Microsoft Excel)

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.10.2018

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in dem vorgenannten Beschlussverfahren entschieden, daß das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darauf gerichtet ist, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind und in diesem Zusammenhang unterliegen Nutzung und Einsatz softwarebasierter Personalverwaltungssysteme der Mitbestimmung, auch wenn es sich um „alltägliche Standardsoftware“ (hier Microsoft Excel) handelt.

I. Entscheidungsgründe

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat haben über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Verwendung von Microsoft Excel zur Erfassung von Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter, welche zunächst händisch erfaßt worden sind, gestritten. Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats, die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats oder diese ersetzenden Spruch der Einigungsstelle in einer näher bezeichneten Excel-Tabelle näher bezeichnete Einträge mit näher bezeichneten Kürzeln vorzunehmen, (im wesentlichen) stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht (im wesentlichen) zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

II. Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Das BAG hat in den Entscheidungsgründen dargelegt, daß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, gibt.

Nach Ansicht des BAG umfaßt die Überwachung in diesem Sinn sowohl das Sammeln von Informationen als auch das Auswerten bereits vorliegender Informationen. In diesem Zusammenhang ist bereits geklärt, daß etwaige Nutzung und der Einsatz des Datenverarbeitungssystems SAP zur Personalverwaltung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt. Nach Ansicht des BAG ist es somit auch offenkundig, daß für andere softwarebasierte Personalverwaltungssysteme nichts abweichendes gilt, mag diesen auch „alltägliche Standardsoftware“ (hier das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel als Bestandteil des Office-Pakets) zugrundeliegen. Das BAG hat in der Entscheidung nochmals klargestellt, daß es sich bei der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht auf eine „Geringfügigkeitsschwelle“ ankommt. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind. Die auf technischem Wege erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung bergen die Gefahr in sich, daß sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sie sichtbar macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmern soll das Mitbestimmungsrecht ent-gegenwirken. Nach diesem höchstrichterlich geklärten Zweck des Mitbestimmungsrechts scheidet die Annahme des Überschreitens einer „Erheblichkeits- oder Üblichkeitsschwelle“ als Voraussetzung für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG von vorneherein aus, zumal offenkundig ist, daß im Zusammenhang mit digitaler Personalverwaltung erfaßte Daten – unabhängig von der konkret genutzten Software – für Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung stehen, die für eine Überwachung genutzt werden können.

III. Bewertung/Folgen der Entscheidung

Das BAG stellt mit diesem Beschluß nochmals klar, daß es für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unerheblich ist, ob eine Software vom Arbeitgeber zur Überwachung eingesetzt werden soll. Für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats reicht es aus, wenn die eingesetzte Software die bloße Möglichkeit zur Überwachung von Arbeitnehmern bietet und dies unabhängig von der genutzten Software. Demnach wäre zunächst bei jeder neu einzuführenden Software zu prüfen, ob diese die Möglichkeit bietet, die Arbeitnehmer in irgendeiner Weise zu überwachen.

Ausschlußfrist

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.05.2018

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hat entschieden, daß Arbeitsvertragsklauseln auch gegen den Arbeitgeber als Klauselverwender wirken und insoweit eine besondere Inhaltskontrolle der von der Arbeitgeberin formularmäßig verwendeten Verfallklausel nicht erforderlich ist.

I. Sachverhalt

Im o. g. Urteilsverfahren begehrte die Arbeitgeberin als Klägerin gegen einen bei ihr beschäftigten Kraftfahrer einen Schadensersatzanspruch. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien enthält u. a. folgende Bestimmung: „§ 12 Ausschlußklausel: Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb von drei Monaten nach Zugang der letzten Lohnabrechnung geltend gemacht werden; anderenfalls sind sie verwirkt.“

Am 21.01.2016 sollte der Beklagte eine Ladung Kies mit einem LKW der Klägerin an einer Grube abladen. Dabei kippte der LKW auf die Seite um und wurde erheblich beschädigt. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin am 22.01.2016 fristlos und erteilte dem Kläger eine Lohnabrechnung für Januar 2016, in der auch dessen Urlaubsabgeltungsanspruch ausgewiesen und das Überstundenkonto ausgeglichen wurde. In dem darauffolgenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien am 21.07.2016 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung mit Ablauf des 15.02.2016 beendet worden ist und die Beklagte sich verpflichtete, das Arbeitsverhältnis für die Zeit bis zum 15.02.2016 ordnungsgemäß abzurechnen und dem Kläger das sich hieraus ergebende Nettoentgelt zu zahlen. Eine Abgeltungs- bzw. Erledigungsklausel enthält der Vergleich nicht.

In einem von der Kaskoversicherung der Klägerin in Auftrag gegebenen Schadensgutachten vom 09.02.2016 wurden die Nettoreparaturkosten des verunfallten LKW mit 42.463,36 €, der Wiederbeschaffungswert mit 45.000,00 € und der Restwert mit 29.210,00 € beziffert. Mit Schreiben vom 12.09.2016 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten unter Bezugnahme auf dieses Gutachten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 42.476,36 € geltend. Zwischenzeitlich hatte sich die Beklagte dazu entschieden, den LKW unter Einbau eines gebrauchten Führerhauses reparieren zu lassen. Die Reparaturkosten beliefen sich ausweislich einer Rechnung vom 31.08.2016 auf 22.310,00 € netto. Diesen Betrag macht die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 31.01.2017 gegenüber dem Beklagten außergerichtlich geltend. Die Kaskoversicherung der Klägerin lehnte eine Einstandspflicht mit der Begründung ab. es handele sich um einen nicht vom Versicherungsschutz umfaßten Betriebsschaden.

Am 23.02.2017 erhob die Klägerin gegen den Beklagten Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe dieser 22.310,00 € nebst einer Auslagenpauschale von 25,00 €.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.07.2017 abgewiesen. Hiergegen richtete sich die Berufung.

II. Entscheidungsgründe

Das LAG bestätigt in vollem Umfang die Begründung des Arbeitsgerichts und führt aus, daß das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, daß der geltend gemachte Schadensersatzanspruch verfallen ist.

Es fehlt an der rechtzeitigen Geltendmachung durch die Klägerin. Insoweit führt das LAG aus, daß die Wirksamkeit der vertraglichen Verfallfristenregelung in § 12 des Arbeitsvertrags keinen Bedenken begegnet. Einer besonderen Inhaltskontrolle der von der Klägerin formularmäßig verwendeten Verfallklausel bedarf es nicht. Selbst wenn diese den Beklagten als Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen würde, könnte sich die Klägerin hierauf nicht mit Erfolg berufen. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch die Klauselverwender, sie dient aber nicht dem Schutz des Klauselverwenders von den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin unterfällt demnach der vertraglichen Ausschlußklausel und hätte daher innerhalb von drei Monaten nach Zugang der letzten Lohnabrechnung beim Beklagten diesem gegenüber geltend gemacht werden müssen. Daran fehlt es.

Die Klägerin hat dem Beklagten nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 22.01.2016 eine Lohnabrechnung für den Monat Januar 2016 erteilt, die auch den Urlaubsabgeltungsanspruch des Beklagten beinhaltete. Diese ist dem Klagten unstreitig am 02.02.2016 zugegangen mit der Folge, daß der Schadensersatzanspruch zur Wahrung der in § 12 des Arbeitsvertrags enthaltenen Ausschlußklausel spätestens am 02.05.2016 hätte geltend gemacht werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin hat den betreffenden Anspruch erstmals mit Schreiben vom 12.09.2016 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Sie kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Prozeßvergleich vom 21.07.2016 dem Kläger im August 2016 eine weitere, auch dem Zeitraum zwischen dem Ausspruch der fristlosen Kündigung und dem 15.02.2016 erfassenden Lohnabrechnung erteilt hat. Durch diese Abrechnungserteilung konnte die Ausschlußfrist nicht erneut in Lauf gesetzt werden, da der betreffende Anspruch bereits mit Ablauf des 02.05.2016 verfallen war.

III. Bewertung/Folgen der Entscheidung

Arbeitsvertragsklauseln, hier Verfallfristenregelungen, wirken auch gegenüber dem Arbeitgeber als Verwender. Bei der Berechnung der Verfallfristen gilt es, das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer ausgesprochenen Kündigung unbedingt zu beachten; unabhängig davon, ob ein späterer Prozeßvergleich ein späteres Beendigungsdatum vorsieht.

Wir bedanken uns für die vertrauensvolle sowie gute Zusammenarbeit in 2018 und wünschen unseren Verbandsmitgliedern ein gutes und erfolgreiches Jahr 2019.

Arbeitgeberverband Agrar, Genossenschaften, Ernährung Niedersachsen e.V.