Landwirte sind in Diepholz systemrelevant, in Nienburg nicht

Notbetreuung: Landkreise beurteilen unterschiedlich

Mittelweser (ine). Dass Landwirte systemrelevant sind und damit antragsberechtigt sein müssten, um ihre Kinder während der Corona-Zeit für eine Notbetreuung in Kindertagesstätten und Schulen anzumelden, sieht der Landkreis Nienburg / Weser nicht so: „Nach heutiger Erlasslage zählt der Beruf des Landwirtes leider nicht zu den Berufszweigen von allgemeinem öffentlichen Interesse, der einen Anspruch auf Notbetreuung begründet“, hat der Fachbereich Soziales auf Nachfrage mitgeteilt. Möglich sei aber noch eine Einzelfallprüfung. Allerdings habe man auch schon zwei Anträge von Landwirten auf Notbetreuung abgelehnt, heißt es aus Nienburg.

Die Corona-Krise verlangt allen Menschen viel ab. Besonders Eltern sind seit mehreren Monaten gefordert, Beruf und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren. In der „Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020“ sind in §1a die Regelungen für Schulen und Kindergärten zu finden. Danach werden Kinder in die Notbetreuung aufgenommen, „bei denen mindestens eine Erziehungsberechtigte oder ein Erziehungsberechtigter in betriebsnotwendiger Stellung in einem Berufszweig von allgemeinem öffentlichen Interesse tätig ist.“

Alle anderen Landkreise im Verbandsgebiet des Landvolk Mittelweser vertreten einheitlich eine andere Meinung als der Landkreis Nienburg. Der Landkreis Oldenburg teilt mit, dass in den FAQs des niedersächsischen Kultusministeriums eine Auflistung der Berufsgruppen zu finden ist, die für eine Notbetreuung in Frage kämen. Dazu zähle auch der Bereich der Ernährung und Hygiene (Produktion). „Eine landwirtschaftliche Produktion könnte sich in diesen Bereich eingruppieren lassen“, heißt es vom Landkreis Oldenburg. Auch der Landkreis Verden nimmt in seiner Antwort Bezug auf die Berufsgruppe „Ernährung“. Der Landkreis Diepholz erklärt deutlich: „Zu den Berufszweigen von allgemeinem öffentlichen Interesse sind in diesem Sinne somit auch Landwirte und Beschäftigte in der Landwirtschaft zuzuordnen.“ Einig sind alle Landkreise, dass es bei der Vergabe von Notbetreuungsplätzen nicht nur auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Berufszweig ankomme. Übersteige die Nachfrage nach Notbetreuungsplätzen das Angebot weit, müssten die Auswahlkriterien eng angewandt und eine Vergabe knapper Plätze auch zwischen verschiedenen Antragstellern abgewogen werden, erklärt beispielsweise der Landkreis Diepholz.

KOMMENTAR

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Woher bekommt die systemrelevante Krankenschwester ihre Brötchen, wenn der Bauer nicht auf den Acker kann, weil er zuhause seine Kleinkinder betreut? Sie muss sie in Diepholz kaufen, in Verden oder im Landkreis Oldenburg. Aus Nienburg wird das Mehl für ihre Brötchen ganz sicher nicht kommen. Denn hier sind Landwirte nach Aussage des Fachbereichs Soziales des Landkreises nicht systemrelevant und üben einen Beruf aus, der nicht von allgemeinem öffentlichem Interesse ist. Diese Aussage macht auch jeden Nicht-Landwirt sprachlos. Außerdem haben Landwirte doch immer ihre Familie zuhause, die die Kinderbetreuung übernehmen, scheint die Meinung der Verantwortlichen zu sein. Die Altenteiler aus der Corona-Risikogruppe könnten kurzerhand einspringen, oder die Eheleute teilten sich die Arbeit auf und wechseln sich beim Spielen mit dem Nachwuchs und beim Homeschooling gegenseitig ab. Dass die Lebenswirklichkeit auf vielen Betrieben anders aussieht, beide Partner auf dem Hof voll eingespannt sind oder einer von beiden ganz woanders arbeitet, ist scheinbar noch nicht auf jedem Amt angekommen.                                                       Regine Suling-Williges