Offener Brief an den NABU Rinteln

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse haben viele meiner Berufskollegen und ich den am 4. April 2020 in der Schaumburger Zeitung veröffentlichten Leserbrief Ihres Vorsitzenden Herrn Dr. Nick Büscher gelesen. Die Überschrift „Wir reichen der Landwirtschaft die Hand“ klingt zunächst vielversprechend. Aber was verbirgt sich wirklich hinter den Worten Ihres Vorsitzenden, der auch gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des NABU Niedersachsen ist? 

Der gütige Akt des Händereichens wird unter anderem wie folgt definiert: „(für jemanden) den Karren aus dem Dreck ziehen“ oder „(für jemand anderen) die Kastanien aus dem Feuer holen (und sich dabei die Pfoten verbrennen)“ (Openthesaurus).
Doch spiegeln diese Definitionen bei Lichte betrachtet das wider, was der NABU Rinteln durch seinen Vorsitzenden Herrn Dr. Nick Büscher gegenüber der Landwirtschaft seit geraumer Zeit massiv kommuniziert? Wohl kaum – es ist viel mehr genau das Gegenteil der Fall. Ein erneutes Beispiel dafür ist sein Leserbrief, der sich nahtlos in diese Entwicklung einreiht.

In seinem Leserbrief greift Herr Büscher die Landwirtschaft in Niedersachsen zunächst frontal als Verursacherin für klimarelevante Treibhausgas-Emissionen an. Dabei operiert er mit Zahlen, die sich nicht nachvollziehen lassen – und Fragen aufwerfen.

Zum einen fragen wir uns hier: welche Quellen liegen zugrunde und warum hat sich Herr Büscher ausgerechnet für die hohe Zahl von 28 Prozent entschieden? Schließlich kursieren auch weitaus geringere Werte. So kommt das Umweltministerium Niedersachsen auf einen Anteil von etwa 17 Prozent Treibhausgas-Emissionen, die der Landwirtschaft in Deutschlands Agrarland Nummer eins Niedersachsen zugeschrieben werden.

Zum anderen fragen wir uns: Für was bitte, wenn nicht für die Branche der Landwirtschaft, die für eine verlässliche Erzeugung von Nahrungsmitteln sorgt, ist es gerechtfertigt und letztlich auch unausweichlich, Emissionen zu erzeugen? Gerade in diesen Tagen zeigt sich doch, dass es ohne eine eigene Nahrungsmittelproduktion nicht geht. Sollen die Bäuerinnen und Bauern in Niedersachsen nach Meinung von Herrn Dr. Büscher etwa aufhören, Milch, Fleisch und Getreide zu erzeugen, um möglichst klimaneutral zu werden?

Dass Moore zudem grundsätzlich „hotspots“ der Biodiversität seien, wie Herr Dr. Büscher schreibt, ist schlichtweg falsch. Gerade in Mooren sind stark stenöke Organismen vorzufinden. Sie tolerieren nur einen schmalen Schwankungsbereich bei abiotischen oder biotischen Veränderungen. Das spricht nicht für einen „hotspot“ der Biodiversität. Für die meisten Arten sind die niedersächsischen Moore schlicht zu lebensfeindlich. Schon allein der sehr niedrige pH-Wert, der für ein saures Milieu steht, macht das Leben nur für stark angepasste Moorspezialisten möglich (vgl. Bundesamt für Naturschutz, NLWKN).

Dann schreibt Herr Dr. Büscher plötzlich von 80000 Tier- und Pflanzenarten, die offenbar, laut Bericht des Weltbiodiversitätsrates, weltweit drohen auszusterben. Auch wenn er hier immerhin eine Quelle nennt, ist es gleichzeitig wiederum sehr unwissenschaftlich, eine Kontextualisierung mit der Landwirtschaft in Deutschland herzustellen. Viel mehr wird an dieser Stelle abermals dem Narrativ Vorschub geleistet, Landwirte seien die Sündenböcke des Klimawandels. Das bekannte Freund-Feind-Schema.

Die Krone im negativen Sinne allerdings setzt Herr Dr. Büscher diesem Leserbrief auf, indem er (im Originalzitat) schreibt: „Jedoch ist das derzeitige Artensterben im sogenannten Anthropozän menschengemacht – nur fünf Mal hat es in der 542 Millionen Jahre währenden Geschichte höherer Lebensformen auf der Erde ein derartiges Massensterben gegeben.“ Das in Intervallen auftretende Massensterben oder Aussterben von Arten des Phanerozoikums über das Erdaltertum bis in die Neuzeit ist bis heute nicht ausreichend erforscht, um Hypothesen aufzustellen, die in keinster Weise mehr falsifiziert werden könnten. Diverse Interpretationen werden zukünftig aufgestellt oder liegen weiterhin in Fossilien verborgen. Und das sollte man besser den Paläoökologen überlassen.

Darüber hinaus: Was hat das Aussterben der Dinosaurier mit der konventionellen Landwirtschaft in Niedersachsen oder Deutschland zu tun und weshalb also taucht diese Aussage in diesem Leserbrief auf?

Auch mit weiteren, falschen Behauptungen hält sich Herr Dr. Büscher leider nicht zurück. Ein Beispiel ist die Aussage von einem 75-prozentigen Rückgang an Streuobstwiesen in Niedersachsen. Die Hauptursache für Herrn Dr. Büscher auch hier: natürlich die Landwirtschaft. Valide respektive invalide Quellen dafür? Wieder einmal Fehlanzeige. Woher kommen aber nun die 75 Prozent? Zu finden ist die Zahl in einer Vorbemerkung einer Kleinen Anfrage von drei grünen Abgeordneten im Niedersächsischen Landtag an die Landesregierung aus dem Jahr 2018. Eine Quelle haben aber auch die Abgeordneten nicht genannt. Auf ihre Frage schließlich nach dem Obstbaumbestand ist die Antwort der Landesregierung eindeutig: „Der Landesregierung liegen keine vollständigen Angaben zur Zahl der Hochstamm-Obstbäume und zur Fläche der Streuobstbestände in Niedersachsen vor.“ Weiter antwortet die Landesregierung: „Der Landesregierung liegen keine regionalen oder lokalen Studien über die flächige Entwicklung des Streuobstbaus in Niedersachsen vor.“ Dem ist nichts hinzufügen. Es liegen keine belastbaren Zahlen vor, weshalb sich eine sachliche Analyse über die Ursachen verbietet.

Doch egal wie sich die tatsächlichen Gegebenheiten auch immer darstellen mögen. Warum Arten auch sterben, warum Moore oder Obstbäume verschwinden, wodurch Emissionen erzeugt werden – eines scheint so sicher wie das Amen in der Kirche zu sein: Schuld an alledem sei die Landwirtschaft – zumindest in der Welt von Herrn Dr. Nick Büscher. Da ist es kein Wunder, dass Fakten, wie zum Beispiel der Umstand, dass in Niedersachsen annähernd die Hälfte der Nitratmessstellen gravierende Mängel aufweisen, in jener Welt keinen Platz finden.

Wir bedauern es sehr, dass die Natur nach seiner Meinung offenbar nur mit Verboten gerettet werden kann: Herr Dr. Büscher preist als Lösung das auf Eis gelegte Volksbegehren des NABU Niedersachsen an – übrigens ein reines Verbotsgesetz, das mit „Handreichung“ wenig gemein hat. Aber warum verschweigt er, dass das Landvolk Niedersachsen gemeinsam mit dem NABU Niedersachsen und dem Land seit Längerem und auch derzeit noch über gesetzgeberische Maßnahmen zur Bewahrung und Förderung der Artenvielfalt Gespräche führt. Wird er von seinem Landesvorstand nicht informiert, oder spielt der NABU hier etwa ein falsches Spiel?

Das Angebot der gereichten Hand müssen wir deshalb leider als unehrliches Angebot betrachten. Gerne würden wir mit dem NABU und anderen Naturschutzinteressierten an verschiedensten Stellen zusammenarbeiten und gemeinsam der Natur etwas zugutekommen lassen. Doch Gräben lassen sich nicht überwinden, indem diese ständig einseitig mit großen Baggern verbreitert werden. Verehrte Damen und Herren, der Ton des NABU – insbesondere einiger seiner Funktionäre – gegenüber uns Bäuerinnen und Bauern muss ein anderer werden.

Wir Bäuerinnen und Bauern meinen es ehrlich: Lassen Sie uns in den Dialog treten und ideologische Animositäten endlich hinter uns lassen!

Es grüßt Sie herzlichst,

Ihr Karl-Friedrich Meyer
Vorsitzender des Landvolkes Weserbergland