Das Motto des Tages lautete: „Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft: national – global“
Ein denkwürdiger Bauerntag fand am 03.Dezember in Lüchow statt. Als Hauptredner hatten der Maschinenring Lüchow, die Landberatung Lüchow-Dannenberg e.V. und der BVNON, Dr. Robert Habeck zu Gast. Was dieser im Gepäck hatte, war nicht weniger als eine umfassende Vision für die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland. Ob diese tatsächlich so gelingen kann, steht auf einem anderen Blatt, aber unberührt ließ sie keinen der Anwesenden.
Keine Diskussion über Nitrat im Grundwasser, kein Streit über Insektenschutz, keine Wortgefechte über den Einsatz von Pflanzenschutz oder den Umbau der Tierhaltung: Was beim sechsten Bauerntag in Lüchow stattfand, war besonders – in vielerlei Hinsicht. Es war eine grundsätzliche Aussprache über die Richtung, die die Landwirte in Deutschland in Zukunft gehen könnten. Dr. Robert Habeck, Vorsitzender von Bündnis90/Die Grünen beeindruckte die Bauern mit dem was er vortrug. Die anfängliche Skepsis wich einem gewissen Erstaunen, denn dass Habeck nicht gegen die Landwirte agieren möchte, sondern ihm ernsthaft am Erhalt der Familienbetriebe gelegen ist, machte er immer wieder deutlich.
Nachdem er eingangs in seinem kurzen Abriss über die Entwicklung der Landwirtschaft seit dem zweiten Weltkrieg ein Dankeschön mit den Worten: „Danke deutsche Landwirtschaft, dass wir so reich geworden sind“ an die Bauern richtete, skizzierte er, dass in 25 Jahren etwa die Hälfte der anwesenden Landwirte vermutlich nicht mehr da sei. Denn, dass jährlich ca. 2% der Bauern ihre Höfe aufgeben, sei politisch gewollt und somit systembedingt. Im weiteren Verlauf legte er seine persönliche Vorstellung davon dar, wie die Landwirtschaft in Zukunft neu ausgerichtet werden könnte. Das Motto des Tages lautete: „Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft: national – global“ und wie Habeck diese sieht, stellte er in 45-minütiger freier Rede vor.
Der Grünen-Vorsitzende sieht im wesentlichen drei Punkte, mit denen die Landwirtschaft seiner Ansicht nach endlich wieder in die Situation versetzt werden könnte, gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Der erste Punkt ist die „Qualifizierung“ der ersten Säule. Habeck will „Marktsegemente“ schaffen, in denen die Bauern die Prämien anhand eines Punktesystems für Leistungen wie z.B. Weidegang von Milchkühen, oder Hacken statt Pflanzenschutzmittel etc. erhalten sollen. Als zweites möchte er einen Umbau der Tierhaltung. Habeck lobte dabei ausdrücklich die Initiative Tierwohl und nimmt diese gar als Vorbild. Finanziert werden soll der Umbau durch ein Umlagesystem, das dann nicht mehr nur ein Nischendasein führt, sondern für über 90% der Tierhalter zum Tragen kommt. 3% bis 4% mehr Geld für tierische Produkte halte er dabei für realistisch, von der Gesellschaft leistbar: „Das sind wir Ihnen schuldig.“ Zudem sprach er sich für ein Verbot von Dumpingpreisen für Lebensmittel aus, da dies ethisch nicht zulässig sei. Ein Punkt für den Habeck viel Zustimmung erntete. Auch für technische Lösungen die dank der Digitalisierung möglich seien, sprach er sich aus.
Die anwesenden 400 Landwirte in dem vollen Saal im Gildehaus verfolgten aufmerksam Habecks Ausführungen. Eine gewisse Skepsis gegenüber der Umsetzbarkeit seiner Ideen, war anschließend noch zu vernehmen, aber auch Respekt und Anerkennung für die Tatsache, dass er eine mutige Vision auf den Tisch legte, die in der derzeitigen Politik vermisst wird.
Im weiteren Verlauf des Tages wurden Habecks Ideen und Ausführungen immer wieder aufgegriffen. Auch bei der Podiumsdiskussion, die am Nachmittag von Dr. Clemens Dirscherl, Agrar- u. Ernährungssoziologe sowie Tierwohl-Experte bei Kaufland, Dr. Klaus-Dieter Schumacher, Agrarexperte und freier Berater der Agrarwirtschaft mit den Lüchower Landwirten Fritz Pothmer und Robert Rippke und Propst Stephan Wichert-von Holten geführt wurde. Auch hier, keine Gespräche über Details des Agrarpakets oder ähnliches, gesprochen wurde vielmehr ganz grundsätzlich. Wichert von Holten verwies darauf, dass Landwirte heutzutage die einzige Berufsgruppe sind, die noch mit der Absicht ihre Höfe übernehmen, diese auch eine lebenslang weiterzuführen. Fritz Pothmer äußerte deshalb den Wunsch auch in Zukunft den größten Teil des Einkommens über die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu erzielen. Ob sein Wunsch von der Politik berücksichtigt wird, ist fraglich. Der mögliche zukünftige grüne Kanzlerkandidat hatte zuvor für andere Marktsegmente geworben: „Auch Lerchenschützer ist ein ehrbarer Beruf!“