Pflanzenschutzkartell – Schadensersatz
Liebe Mitglieder,
Was ist passiert?
Den Bußgeldverfahren liegt der Tatbestand zugrunde, dass die Unternehmen in der Zeit von 1998 bis 2015 jeweils im Frühjahr und Herbst ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel miteinander abgestimmt haben. Grundlage der Abstimmung war eine gemeinsame Kalkulation der Großhändler, die weitgehend einheitliche Preislisten für Einzelhändler und Endkunden zur Folge hatte. Die betroffenen Großhändler hatten teilweise noch bis 2012 auch die zu gewährenden Rabattspannen sowie die Abgabepreise gegenüber den Einzelhändlern abgesprochen. Diesen Sachverhalt haben die betroffenen Großhändler weitgehend zugestanden, was zu einer Reduzierung der gegen sie verhängten Bußgelder geführt hat. Damit steht fest, dass die betroffenen Großhändler gegen das deutsche und EU-rechtliche Kartellverbot (§ 1 GWB und Art. 101 AEUV) verstoßen haben.
Vermutung eines Schadens
Diese Feststellung hat auch Bindungswirkung (§ 33b GWB) für etwaige Schadensersatzforderungen von Landwirten, die direkt oder über Zwischenhändler bei diesen Großhändlern Pflanzenschutzmittel bezogen haben. Nach der Rechtsprechung des BGH gibt es bei Kartellen die Vermutung, dass Abnehmer kartellbetroffener Produkte einen Schaden erlitten haben. Für „neuere“ Kartelle ist dies inzwischen auch gesetzlich so geregelt (§ 33a Abs. 2 GWB). Dies gilt insbesondere bei Absprachen von Wettbewerbern über Preise, da Sinn und Zweck solcher Absprachen regelmäßig ist, höhere Preise als dies im Wettbewerb möglich wäre, von Kunden fordern zu können. Diese Vermutung findet grundsätzlich auch hier Anwendung und zwar auch soweit die Großhändler „nur“ rabattfähige Bruttopreislisten abgestimmt haben. Denn selbst bei individuell verhandelten Rabatten sind die Endpreise grundsätzlich schon dann kartellbedingt überhöht, wenn die Grundlage der Rabatte, die abgestimmten Bruttopreislisten, kartellbedingt überhöht war. Hinzu kommt hier, dass laut Pressemitteilung des Bundeskartellamtes teilweise auch Rabattspannen und Endkundenpreise Gegenstand der Kartellabsprachen waren. Ein Schaden ist auch nicht etwa dann ausgeschlossen, wenn Abnehmer Genossen und die Kartellanten Genossenschaften sind. Ohnehin haften die kartellbeteiligten Großhändler für den Schaden jedes einzelnen Landwirts grundsätzlich jeweils als Gesamtschuldner (§§ 830, 840 BGB). Ein Landwirt könnte also seinen Schaden sogar bei einem Großhändler geltend machen, bei dem er weder unmittelbar noch mittelbar Pflanzenschutzmittel bezogen hat.
Verjährung
Aufgrund der uns bekannten Informationen gehen wir davon aus, dass nach den besonderen Verjährungsregeln des Kartellrechts (§§ 33h, 186 GWB) für alle direkten oder indirekten Bezüge von Pflanzenschutzmitteln bei den betroffenen Großhändlern Schadensersatz ab dem Jahr 2005 gelten gemacht werden könnte, während Ansprüche aus früheren Bezügen verjährt sein dürften.
Schadensersatzhöhe
Der Schadensanspruch berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Preis, der für die jeweiligen Bezüge gezahlt worden ist und dem Preis, der gezahlt worden wäre, wenn es keine Kartellabsprachen gegeben hätte.
Nachweispflichten
Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadens ist der Nachweis über die direkten und indirekten Bezüge und die gezahlten Preise für die eingekauften Pflanzenschutzmittel bei den entsprechenden Händlern. Hierbei sind möglichst die entsprechenden Kaufbelege, Rechnungen oder Lieferdokumente vorzulegen. Zudem wird es erforderlich sein, den Preiseffekt des Kartells mittels eines Gutachtens nachzuweisen. Dies ist mit nicht unerheblichen Kostenrisiken verbunden, da insbesondere auch die „Gegenseite“ alle Mittel zur Abwehr der Klagen aufbieten wird.
Als Landvolk sehen wir uns aber in der Pflicht, Sie über die Möglichkeit, Schadensersatz geltend zu machen, zu informieren. Ggf. kann es angezeigt sein, über Wege nachzudenken, wie Betroffene ihre Ansprüche ggf. gemeinsam gegenüber den kartellbeteiligten Großhändlern geltend machen können. In jedem Fall könnten Gutachterkosten unter mehreren Klägern aufgeteilt werden.
Letztlich müssen Sie entscheiden, ob Sie ggf. aus dem Kartellrechtsverstoß herrührende Schäden geltend machen wollen. Wir sind gerne bereit, Sie hierbei zu unterstützen.
Es ist beabsichtigt, zwei Klägergemeinschaften zu bilden:
Klägergemeinschaft – Modell 1 (ohne Prozesskostenrisiko-geringere Schadensersatzquote)
Mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Gussone von der auf das Kartellrecht spezialisierten Kanzlei MJG Rechtsanwälte aus Berlin konnten wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.
MJG Rechtsanwälte arbeiten mit einem „Prozessfinanzierer“ zusammen, womit sichergestellt ist, dass für klagende Landwirte kein Kostenrisiko besteht. Der Finanzierer übernimmt folglich im Fall einer erfolglosen Klage die Prozess- und Gutachterkosten. Im Gegenzug erhält er im Erfolgsfall eine Kostenquote in Höhe von 25 % der zugesprochenen Entschädigung, der geschädigte Landwirt bekommt folglich seinen Schaden in Höhe von 75 % ersetzt. Diese Zusage des „Prozessfinanzierers“ erfolgte bezüglich der in den neuen Bundesländern auf Initiative der dortigen Bauernverbände gebildeten Klägergemeinschaft. Dr. Gussone geht davon aus, dass diese Quote auch für „unsere“ Klägergemeinschaft gelten wird.
Wie geht es weiter?
Registrierung der klageinteressierten Mitglieder (Beitritt zur Klägergemeinschaft) und Feststellung der Mitgliedschaft
Klageinteressierte Mitglieder der Kreisverbände (KVe) können sich auf einer vom Landesverband eingerichteten Website unter folgendem Link für eine Klage registrieren:
Um sicherzustellen, dass die registrierten Landwirte auch Mitglied in Ihrem Kreisverband sind, wird wie folgt verfahren:
- Nach erfolgter Online-Registrierung erhält die Anwaltskanzlei „MJG Rechtsanwälte“ unmittelbar eine E-Mail mit den Eingabedaten inklusive der Mitgliedsnummer.
- Die Anwaltskanzlei ermittelt über die angegebene Mitgliedsnummer unter Zuhilfenahme des zuständigen Kreisverband und leitet die ihm zugegangene Registrierungs-E-Mail an den im Kreisverband zuständigen Mitarbeiter weiter.
- Der Kreisverband prüft die Mitgliedschaft und bestätigt diese gegenüber der Anwaltskanzlei „MJG Rechtsanwälte.
- Die Anwaltskanzlei wird sich dann mit dem Mitglied in Verbindung setzen.
Registrierungsfrist
Die Landwirte werden sich bis zum 15.04.2021 online registrieren können. „Nachzügler“ werden aber auch noch bis Ende August berücksichtigt.
Nachweis des Pflanzenschutzmittelbezugs über Belege
Die Kläger müssen nachweisen, dass sie Pflanzenschutzmittel im Zeitraum von 1998 bis 2015 bezogen haben. Für die ökonomische Schadensschätzung im Vergleichszeitraum sollten auch die Einkaufsbelege von 2016 – 2020 vorgelegt werden. Die Belege sind im PDF-Format an MJG Rechtsanwälte zu übermitteln. Dies wird voraussichtlich über ein Hochladen auf einen Server erfolgen. Einzelheiten werden von der Anwaltskanzlei zu gegebener Zeit mitgeteilt.
Die digitale Belegerfassung (Erstellen von pdf-Dateien) kann von den Landwirten selbst oder regionalen Dienstleistern vorgenommen werden. Die Kreisverbände sollten hierbei dem Mitglied helfend zur Seite stehen. Einige Kreisverbände überlegen, Ihren Mitgliedern das Einscannen von Rechnungen selbst anzubieten.
Einzelheiten zu den Belegen können der anhängenden Checkliste entnommen werden. Mit der Kanzlei MJG Rechtsanwälte ist vereinbart worden, dass Einzelheiten zu den Belegen und zur Klägergemeinschaft auch in einer Videokonferenz besprochen werden. Diese ist für die erste Märzhälfte vorgesehen.
An der Videokonferenz sollten die zuständigen Personen der KVe und möglichst auch Vertreter der Buchstellen teilnehmen.
Informationen an die Landwirte
Der Informationsfluss an die Klageinteressenten erfolgt zunächst hinsichtlich der Registrierung und der Belege über die Kreisverbände.
Darüber hinaus sollten die KVe auch weiterhin Mitglieder, die bisher kein Interesse geäußert haben, über die Klagemöglichkeit informieren. Wir werden den Hinweis auf die Klägergemeinschaft auf die Website des Landesverbandes stellen und mit dem Link zur Registrierungsseite versehen. Sie können den Link auch auf der Website des Kreisverbandes platzieren.
Wir werden zudem in der „Land & Forst“ auf die Klagemöglichkeit hinweisen.
Klägergemeinschaft – Modell 2 (mit Prozesskostenrisiko -höhere Schadensersatzquote)
Sollten sich bei den Kreisverbänden Mitglieder melden, die willens sind, das Prozesskostenrisiko zu tragen, bitten wir um entsprechende Hinweise. Wir werden dann auch hier zur Bildung einer Klägergemeinschaft initiativ werden.