Der Verbraucher bestimmt, wie viel „bio“ es sein darf

Carsten Bauck und Rouven Bremer
Carsten Bauck (r.) und Rouven Bremer Foto: Lutz Reinecke

Niedersächsischer Weg sieht Unterstützung bei der Umstellung zum Ökolandbau vor

L P D – Mehr Artenvielfalt, mehr Öko-Betriebe und somit mehr Bio-Lebensmittel – mit der Aufnahme des Bereichs „Ökologischer Landbau“ im „Niedersächsischen Weg“ soll der Ökolandbau ausgebaut und gefördert werden. „Ich freue mich, wenn Ökolandbau mehr wird und zwar nicht nur in der Wahrnehmung, sondern vor allem real“, erklärt Carsten Bauck als Vorsitzender des Öko-Ausschusses im Landvolk Niedersachsen zur Rahmenvereinbarung zwischen Politik, Umweltverbänden und Landwirtschaft. Aber es sei nicht allein Aufgabe der Politik, sondern des Verbrauchers, dass Bio-Ware in die Regale komme. „Erst muss dafür gesorgt werden, dass die Nachfrage nach Öko-Produkten steigt, dann können konventionelle Betriebe die Umstellung vorantreiben – nicht umgekehrt“, gibt der Fachmann, der mit seinem Bauckhof selbst ökologisch wirtschaftet, zu bedenken.

Deutschland ist der größte Bio-Markt in Europa und der zweitgrößte weltweit. Die Nachfrage nach heimischer Rohware aus ökologischer Landwirtschaft steigt seit Jahren kontinuierlich. Bio-Lebensmittel aus der Region sind gefragt – aktuell hat Corona die Nachfrage noch verstärkt. Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln stieg im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent auf 11,97 Mrd. Euro. Daher verwundert es nicht, dass 2019 im Agrarland Nummer 1 knapp 13.000 Hektar (ha) auf öko umgestellt wurden, sodass der Öko-Flächenanteil in Niedersachsen 120.675 ha beträgt – ein Plus von gut zwölf Prozent. Niedersachsen hat damit seine Ökofläche von 4,2 auf 4,7 Prozent gesteigert, doch gemessen an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche ist es vom Bundesdurchschnitt mit 9,7 Prozent weit entfernt. Die gesamtdeutsche Öko-Fläche beläuft sich auf 1,62 Mio. ha.

Mit dem Niedersächsischen Weg soll der Ökolandbau bis 2025 auf zehn Prozent und bis 2030 auf 15 Prozent ausgebaut werden. Auf verschiedenste Förderinstrumente können die konventionellen Landwirte bei der Umstellung zurückgreifen. So können EU-Programme zur Förderung des ländlichen Raums, insbesondere die Agrarinvestitionsförderung, in Anspruch genommen werden. Weiterhin ist es möglich, Öko-Flächenprämien mit weiteren Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen im Rahmen des Niedersächsischen Agrar-Umweltprogramms zu kombinieren. Das Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) und die Landwirtschaftskammer stehen den Landwirten dabei nicht nur bei der Umstellung beratend zur Seite, sondern setzen sich von der Erzeugung, über Verarbeitung bis hin zur Vermarktung ökologischer Produkte ein. Mittels innovativer und individueller Konzepte soll das Bio-Angebot gesteigert werden. Vor kurzem wurden dazu die Landkreise Holzminden, Goslar und Uelzen als Öko-Modellregionen gestartet: Ziel ist, durch Kooperation zwischen Landwirten, Ernährungswirtschaft und Einzelhandel die Nachfrage nach heimischen Produkten zu steigern. Über drei Jahre werden diese drei Regionen mit jeweils jährlich 60.000 Euro vom Land Niedersachsen unterstützt. „Es ist gut, dass Landwirte bei der Umstellung mit verschiedenen Programmen Unterstützung von Kammer und KÖN bekommen. Doch mit dem Festhalten an einer Zahl zu einem bestimmten Datum wird versucht, Öko-Betriebe in einen Markt zu bringen, den es noch gar nicht gibt“, blickt Carsten Bauck abwartend in die Zukunft. „Im Niedersächsischen Weg wird der Ökolandbau fest zementiert und mit Förderinstrumenten gepuscht. Wenn die Abnehmerseite nicht ausreichend mitwächst, führt das zu Verwerfungen auf dem Öko-Markt. Der Kunde muss mit seiner Nachfrage, seinem Kauf aktiv dafür sorgen, dass die Ware abfließt“, führt der Öko-Ausschussvorsitzende aus. Die Molkerei Ammerland habe beispielsweise gezeigt, dass Niedersachsen dafür eine gute Infrastruktur besitzt. „Hier wurde eindeutig gesagt, der Markt ist da, wir besorgen jetzt die Bauern dafür. So kann der Öko-Markt ausgebaut werden und zwar nicht auf Kosten der Kollegen und der Situation. Keiner darf im Regen stehen gelassen werden“, zeigt Bauck auf. Während bestehende Öko-Betriebe ihre Vermarktung selbst aufgebaut haben, sei die Mentalität konventioneller Landwirte hingegen meist eine andere: „Sie liefern ihre Ware oft beim Landhandel ab, der sich dann um den Rest kümmert. Diese Strukturen gibt es im Ökolandbau nicht. Öko-Bauern schreiben ihre Rechnungen überwiegend selbst.“ Erst müsse der Abnehmer geklärt sein, dann könne man mit der Umstellung anfangen. „Die Hausaufgaben müssen erst gemacht werden, dann freue ich mich über jeden neuen Bio-Bauern“, zeigt Carsten Bauck die Diskrepanz zwischen politischem und gesellschaftlichem Wunsch sowie ökologischer Wirklichkeit und Wirtschaftlichkeit auf. 162 landwirtschaftliche Betriebe sind 2019 in Niedersachsen neu hinzugekommen und stellen sich dem Bio-Markt, auf dem insgesamt 2.115 Bio-Bauern aktiv sind. Tendenz steigend! Weitere Infos unter www.niedersaechsischer-weg.de. (LPD 61/2020)