Pflanzenausschuss Landvolk: Ukraine-Krieg bestimmt Themen, Märkte und Preise
L P D – Wie lassen sich Ernährungs- und Versorgungssicherheit, Weltmärkte und Umweltschutz unter einen Hut bringen? Diese Fragestellung bestimmte die Sitzung des Ausschusses Pflanze im Landvolk Niedersachsen. „Die furchtbare Situation in der Ukraine bringt großes Leid, und uns Landwirten steht ein großer Spagat bevor“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses, Karl-Friedrich Meyer. Landwirte dürfen trotz Produktionssteigerung auf den Flächen den Biotop- und Artenschutz nicht vernachlässigen. „Wir Landwirte haben Ideen dazu und sind bereit, an Lösungen mitzuarbeiten. Doch das geht nur im Zusammenspiel mit der Politik im Land, im Bund und der EU“, verwies Meyer auf bestehende Vorschriften, an die Landwirte im Rahmen von GAP und weiteren Umweltprojekten gebunden sind.
Wie stark sich der Ukraine-Krieg auf die Märkte auswirkt, zeigte Stephanie Stöver-Cordes, Marktreferentin bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen auf. Um mehr als 23 Prozent seien die Erzeugerpreise insgesamt für pflanzliche Erzeugnisse zum Vorjahr gestiegen. So lägen die Getreidepreise im Januar 2022 um 28,5 Prozent höher als im Vorjahr. „Die hohe Nachfrage aus dem In- und Ausland sowie geringe Erntemengen sind die Ursache“, erläutert Stöver-Cordes. Raps verzeichnet ein Plus von mehr als 60 Prozent zum Vorjahr, der Preis für Speisekartoffeln stieg sogar um mehr als 66 Prozent. Dem stehen jedoch rasant steigende Kosten für Dünge- und Betriebsmittel gegenüber. Landwirte zahlten gegenüber dem Vorjahr im Januar 2022 über 101 Prozent mehr für Stickstoff-Dünger (DAP), über 76 Prozent mehr für Kornkali und fast 87 Prozent mehr für Diesel. Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind diese Preise teilweise bis um das Vierfache, zum Beispiel für Dünger, gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Mit vier Prozent der weltweiten Weizenproduktion und zwölf Prozent der globalen Weizenexportmenge gehört die Ukraine zu den Global Playern auf dem Weltmarkt. Hauptimporteure von Weizen sind Nordafrika, die Türkei und Asien, Deutschland und die EU hingegen besitzen einen Selbstversorgungsgrad von mehr als 100 Prozent. Auch beim Mais ist die Ukraine mit 16 Prozent der globalen Exportmenge vorn dabei, und vor allem bei den Ölsaaten spielt das Land eine große Rolle. 51 Prozent des Sonnenblumenöls der Ukraine gehen in den Export. „Deutschland importiert 94 Prozent seines Bedarfs, und auch mehr als 66 Prozent der EU-Sojabohnen kommen aus Russland oder der Ukraine“, sagte Stöver-Cordes.
Die daraus resultierenden Folgen für den Getreidemarkt liegen auf der Hand: Exportstopps und fehlende Aussaat werden weiter das Angebot verknappen und die Preise in die Höhe treiben. Importeure werden sich andere Anbieter aus Ländern wie USA, EU, Indien oder Australien suchen, doch Frachtraum ist knapp und Dieselkosten sind hoch. Stöver-Cordes vermutet, dass sich daher nicht alle Länder an die Sanktionen halten werden und trotzdem Getreide aus Russland kaufen. Für Abhilfe und Entspannung könne hier eine größere Anbaufläche in den USA sowie eine gute Sommerweizenernte in Australien sorgen.
Auch der Ölsaatenmarkt ist vom Exportstopp betroffen. Schon vor dem Krieg war das Angebot aufgrund einer kleinen Soja-Ernte in Südamerika gering und führte so zu steigenden Ölpreisen. Selbst die gute Rapsernte Australiens konnte das Defizit aus der Schwarzmeerregion nicht ausgleichen. Somit herrscht aktuell ein Mangel an Sonnenblumenöl, was auch Auswirkung auf die Pommesherstellung haben könnte, befürchtet die Expertin. Es sei schon jetzt ein Preisanstieg der Alternativ-Öle, wie Palm- oder Rapsöl, zu verzeichnen. Eine gute Rapsernte von plus 7,4 Prozent werde jedoch erwartet und könnte Abhilfe schaffen.
Einig war sich der Ausschuss darin, dass die Folgen an den Agrarmärkten stärker zu spüren sein werden, je länger der Krieg dauert. Gerade die Hauptimportländer von Weizen, wie Nordafrika, werden den Versorgungsengpass mit Getreide bemerken. Aber auch die viehhaltenden Betriebe werden durch das geringe Angebot an Eiweißfutter belastet, zudem werde es eine weitere Verknappung an pflanzlichen Ölen geben. All diese Faktoren werden zu einem höheren Preisniveau führen. „Daher ist es wichtig, dass wir als Landwirtschaft der Politik Lösungsansätze anbieten, wie wir in Niedersachsen dazu beitragen können, die Getreideproduktion zu erhöhen – sachlich, umweltgerecht und mit Blick nach vorn“, sagt Meyer. Dazu gehöre auch die Nutzung stillgelegter Flächen sowie die Abkehr vom Extensivierungsgedanken. „Wir werden alles versuchen, was wir dürfen. Aber wir müssen auch so ehrlich sein, dass einige unserer brachliegenden Flächen nicht weizenfähig sind“, führt Meyer aus. Daher sei es umso wichtiger, die Produktivität auf den Getreidefeldern zu erhöhen: „Dünger und ausreichend Saatgut sind zukünftig die entscheidenden Faktoren.“ Für dieses Jahr sei für die erste und zweite Gabe noch genügend Dünger vorhanden – wenn auch zu sehr hohen Preisen. Aber ob es für eine dritte Gabe reichen werde, sei fraglich. Hier können neue Züchtungsmethoden, wie genom-editing, und moderne Pflanzenschutzmittel mittelfristig die Ernten in Menge und Qualität trotz vermindertem Ressourceneinsatz sichern. (LPD 24/2022)