Internetanbieter halten (fast), was sie versprechen

L P D – Wer einen Internetzugang nutzt, dem ist vielleicht schon aufgefallen, dass den groß beworbenen 100, 50 oder 25 MBit/s fast immer die Worte „bis zu“ vorangestellt sind. Damit sichern sich die Anbieter ab, wenn sie nicht die maximale Übertragungsgeschwindigkeit liefern können. Die Initiative Netzqualität untersuchte im vergangenen Jahr im Auftrag der Bundesnetzagentur, welche Rolle das „bis zu“ im Alltag der Internetnutzer spielt, ob also die vermarktete Geschwindigkeit den Nutzern tatsächlich zur Verfügung steht. Die Ergebnisse zeichnen ein bekanntes Bild nach, meint der Landvolk-Pressedienst.

Zwischen dem 14. Juni und dem 31. Dezember 2012 konnten Internetnutzer auf der Inter-netseite www.initiative-netzqualität.de die Verbindungsgeschwindigkeit ihres Anschlusses messen. Auf diese Weise kamen für die Studie 226.000 gültige Einzelmessungen zustande. Das Ergebnis mag auf den ersten Blick überraschen. Die Hälfte der Nutzer erhält nur ca. 70 Prozent der vermarkteten Übertragungsgeschwindigkeit, weniger als 20 Prozent der Nutzer bekommen, was die Werbung verspricht. Es seien keine nennenswerten Unterschiede bei der Qualität des Internetzugangs zwischen ländlichen Regionen mit einer Bevölkerungsdichte von weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer, halbstädtischen (100 bis 500 Einwohner pro Quadratkilometer) und städtischen Regionen (mehr als 500 Einwohner pro Quadratkilometer) festzustellen. Die Autoren relativieren dieses Messergebnis jedoch. Der Umstand, dass in ländlichen Bereichen typischerweise die Anschlussleitungen im Vergleich zu dichter besiedelten Gebieten länger sind und damit tendenziell geringere Bandbreiten zulassen, wirke sich auf das Aggregationsniveau der Studie nicht spürbar aus. Mit anderen Worten: Eine genauere Untersuchung der Breitbandanschlüsse in den ländlichen Regionen könnte womöglich Unterschiede zu Tage fördern. Darüber hinaus heißt es in der Studie: „Im ländlichen Bereich gibt es mehr Breitbandanschlüsse der unteren Bandbreiteklassen und weniger mit hohen vermarkteten Datenübertragungsraten.“ Dieser Umstand sei ‚maßgeblicher Grund‘ für das Ergebnis, dass Internetnutzern auf dem Land ein vergleichbarer Anteil der vermarkteten Geschwindigkeit bereitstehe, wie städtischen Internetnutzern. Dies aber bedeutet nichts anders, als dass schnelle Breitbandanschlüsse meist den Nutzern in den Ballungsgebieten vorbehalten bleiben.

Hintergrund des mangelnden Breitbandausbaus auf dem Land ist, dass die sogenannte „letzte Meile“ meist länger ist, als in den gut erschlossenen Ballungsgebieten. Bei den Teilnehmeranschlussleitungen handelt es sich meist um Kupferleitungen, deren Übertragungsqualität mit zunehmender Länge sinkt, sodass die Übertragungsgeschwindigkeiten reduziert werden müssen. Während der Ausbau der Netzinfrastruktur für die Telekom in den Städten auf
Grund der größeren Zahl von Kunden durchaus attraktiv ist, ist in den Dörfern mit einem geringeren Mehrertrag zu rechnen. Wettbewerber werfen der Telekom zudem immer wieder vor, die marktbeherrschende Stellung beim Netzzugang zu missbrauchen, etwa indem sie in Ballungsgebieten Stadtteile mit besonders zahlungswilliger Klientel mit Glasfasernetzen erschließt. Wettbewerbern bleiben damit Kunden, deren Zahlungsbereitschaft nicht so hoch ist und bei denen der ‚Return on Invest‘ geringer ausfallen würde.

Mit dem Vectoring steht nun eine Technik zur Verfügung, mit der auch auf Kupferleitungen hohe Übertragungsgeschwindigkeiten zu erreichen sind. Die Signalqualität nimmt bei Kupferleitungen nämlich nicht nur mit der Leitungslänge ab, auch die Übertragung mehrerer Signale in eng zusammenliegenden Kupferleitungen führt zu Interferenzen, in Fachjargon als Übersprechen bezeichnet. Beim Vectoring wird dieses Übersprechen im Vorfeld erkannt und kompensiert. Das erlaubt auf Kupferleitungen theoretische Übertragungsraten von
100 MBit/s beim Download – für den ländlichen Raum also eine durchaus interessante Alternative. Der Haken: Das Vectoring macht es erforderlich, dass ein Anbieter die Kontrolle über alle zusammenlaufenden Leitungen hat, denn nur dann ist die Kompensation der Interferenzen möglich. Die Bundesnetzagentur hat dazu einen Entscheidungsentwurf festgelegt, der nun Regelungen vorsieht, wie das Vectoring eingesetzt werden kann, ohne dass der Wettbewerb zwischen den Internetanbietern darunter leidet. Der Entwurf sieht vor, dass die Telekom den Wettbewerbern den Zugang zu den Kabelverzweigern (KVz) grundsätzlich weiterhin gewähren muss. Ausnahmen können nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. So muss es in einem Gebiet bereits ein zweites Festnetz geben, die Telekom mehr KVz-Teilnehmeranschlussleitungen (KVz-TAL) erschlossen haben als ein Wettbewerber und als Ersatz für den Zugang zur KVz-TAL den Mitbewerbern einen angemessenen Datenstrom-Zugang anbieten. In Gebieten ohne zweites Festnetz kann die Telekom dagegen einem Wettbewerber den Zugang zur KVz-TAL für VDSL nicht verweigern, wenn dieser den KVz als Erster für Breitbandtechnik erschlossen hat, er seinerseits Vectoring einsetzt und im Rahmen eines offenen Netzzugangs ebenfalls ein angemessenes Datenstromprodukt anbietet.

Alle Parteien haben bis zum 10. Mai Zeit, Stellung zu diesem Entscheidungsentwurf zu nehmen, dann geht er an die EU-Kommission und die nationalen Regulierungsbehörden der übrigen EU-Mitgliedstaaten, die sich wiederum innerhalb eines Monats dazu äußern können. Der Bund der Deutschen Landjugend (BDL), der sich für die schnelleres Internet auf dem Land einsetzt, begrüßt den Vorschlag. „Junge Menschen in ländlichen Regionen dürfen nicht von der Wissensgesellschaft und dem dafür nötigen Informationsfluss aufgrund mangelnder hochperformanter Breitbandtechniken ausgegrenzt werden. Deshalb ist es dringend notwendig, die nicht- oder unterversorgten Gebiete mit diesen Kommunikationstechniken zu erschließen“, sagte Magdalena Zelder vom BDL-Vorstand. (LPD 29/2013)