Hennies fordert strukturpolitische Flankierung
L P D – Die Bundesregierung will die nationalen Klimaschutzziele verschärfen und Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral machen. Das ist der zentrale Inhalt des Entwurfs eines ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes, das heute (24.6.) im Bundestag verabschiedet werden soll. Mit der Verschärfung reagiert die CDU/SPD-Koalition auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen nachgebessert werden muss. Um diese Vorgaben einzuhalten, werden die Minderungsziele für die einzelnen Sektoren für das Zieljahr 2030 deutlich angehoben.
Die Landwirtschaft ist dabei mehrfach betroffen, und für die Bauern in Niedersachsen bedeuten die Vorgaben eine Reihe von Unwägbarkeiten. Die höheren Minderungsverpflichtungen für andere Sektoren wie Energiewirtschaft, Gebäude und Verkehr wirken sich unmittelbar in höhere Produktionskosten für die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln aus. „Diese Mehrkosten für die eingesetzten Betriebsmittel werden sich nicht oder nur schwer durch Preisanhebungen für die Produkte kompensieren lassen, weil auf den Märkten der freie Welthandel maßgeblich die Preisbildung beeinflusst und die Wettbewerbsbedingungen sich hier eindeutig verschlechtern“, prognostiziert Dr. Holger Hennies, Präsident des Landvolks Niedersachsen.
Hinzu kommt die Unsicherheit, wie auf den Höfen die zusätzlich für den Agrarsektor vorgesehenen höheren Minderungsverpflichtungen bei den Treibhausgasemissionen bis 2030 umsetzen kann. Anerkannt ist auch nach den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens, dass eine Lebensmittelerzeugung ohne jegliche Treibhausgasfreisetzung nicht möglich ist. Hintergrund sind laut Hennies die ganz natürlichen Prozesse im Pflanzenbau und in der Tierhaltung, die zu unvermeidbaren Freisetzungen von Lachgas und Methan führen.
Da für 2045 jedoch die Gesamtwirtschaft in Deutschland „klimaneutral“ sein soll, entsteht große Unsicherheit, wie man bei diesem Ziel mit unvermeidbaren Emissionen umgehen will. „Bei dieser Frage gibt es derzeit von der Politik keinen Lösungsansatz“, sagt Hennies.
Im Ungewissen lässt man die Landwirtschaft auch bei dem neuen Ziel, im Bereich der Landnutzung die Möglichkeit der Kohlenstoffbindung in Böden, in Wäldern und in langlebigen Produkten aus Biomasse (Holz, Dämmstoffe) deutlich stärker zu nutzen. In diesem Bereich zeichnen sich mit diesem Ziel neue Konflikte ab, da die Möglichkeit der Kohlenstoffbindung durch Humusanreicherung als begrenzt angesehen werden. Keine Alternative sieht das Landvolk darin, in Deutschland die Lebensmittel zunehmend zu importieren und dabei frei werdende Nutzflächen aufzuforsten. „Es dient dem Klimaschutz nicht, wenn unvermeidbare Treibhausgasemissionen nur verlagert werden in andere Länder. Das ist kein verantwortbarer Lösungsansatz beim ungelösten Problem des Nahrungsmangels in vielen Ländern der Welt“, erklärt der Landvolkpräsident den Zusammenhang. Die unvermeidlich höheren Treibhausgasemissionen aus entwässerten Moorböden bereiten den auf diesen Standorten gezielt angesiedelten Bauernfamilien große Sorgen, weil es hier bisher an tragfähigen Konzepten für eine Anpassung fehlt. Auf diesen Höfen wurden über Generationen viel Arbeit und Geld im gesellschaftlichen Auftrag investiert, um Lebensmittel zu produzieren, und um Wertschöpfung und Arbeitsplätze im gesamten Umfeld in diesen Regionen zu schaffen. „Die Existenzsicherung für diese Familienbetriebe ist in den politischen Beschlüssen bisher zu wenig berücksichtigt, hier braucht es deutlich mehr Unterstützung auch in Form einer flankierenden Strukturpolitik von Bund und Ländern – und nicht nur eine Steigerung von Finanzmitteln für Flächenankauf und Wiedervernässungsmaßnahmen“, fordert Hennies abschließend. (LPD 47/2021)