Kurs halten in schwierigen Zeiten

Kurs halten in schwierigen Zeiten - Foto: Landvolk
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L P D – „Unsere Betriebsleiter müssen jeden Tag immense Herausforderungen gleichzeitig bewältigen: Auf der einen Seite stehen sie vor existenziellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, auf der anderen werden sie mit ständig steigenden Anforderungen konfrontiert“. Landvolkpräsident Werner Hilse sprach auf der Mitgliederversammlung des Landvolkes Niedersachsen den riesigen Spagat an, den die 37.000 Betriebsleiter mit ihren Familien und Mitarbeitern bewältigen müssen. „Der richtige Weg zu noch mehr Tierwohl, Natur- und Umweltschutz bewegt unsere Mitglieder, sie setzen die in gesellschaftlichen Diskussionen erhobenen Forderungen kontinuierlich und sehr selbstverständlich auf den Höfen um“, schilderte er die tägliche Kursbestimmung auf den landwirtschaftlichen Betrieben. Dieser Wandel auf dem Land werde in der Gesellschaft leider kaum wahrgenommen.

Gleichzeitig warnte Hilse davor, die bäuerlichen Familien zu überfordern. Ganz konkret sah er diese Gefahr bei der Tierwohldiskussion um ein staatliches Label. Die große Bereitschaft der Tierhalter, sich bei der freiwilligen Initiative Tierwohl einzubringen, belege eindeutig, dass die Tierhalter in ihren Ställen dem Tierwohl oberste Priorität einräumen. Hilse wertete das große Interesse an der vor zwei Jahren gestarteten Initiative als Beleg dafür, dass mehr Tierschutz zugleich eine angemessene Entlohnung erfordere: „Tierwohl zum Nulltarif können unsere Tierhalter nicht leisten“, warnte er vor noch höheren Anforderungen bei einem staatlichen Label ohne entsprechenden Mehrwert für die Landwirte. Kritsch äußerte er sich in diesem Zusammenhang zu selbst ernannten Tierechtaktivisten, die außerhalb des rechtlichen Rahmens in Ställe einbrechen und Bildmaterial anfertigen, um Missstände zu dokumentieren. „Wer als Privatperson unsere Ställe besichtigen möchte, der kann klingeln statt einzubrechen“, zitierte er das Angebot einer Tierhalterin in den sozialen Medien. Unrechtmäßig aufgenommene Bilder müssten immer Misstrauen erwecken, da nicht überprüfbar sei, unter welchen Bedingungen sie entstanden seien. Angebote wie der Tag des offenen Hofes und andere Initiativen der landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit stoßen nach Angaben Hilses regelmäßig auf großes Interesse und sind ein Beleg dafür, dass die Landwirtschaft in der Bevölkerung gut akzeptiert ist.

Verständnis forderte er mit Blick auf die aktuelle Vogelgrippewelle für vorbeugenden Schutz und warb um Verständnis für die „Abschottung“ der Höfe in den betroffenen Regionen. „Verschlossene Ställe und die strikte Einhaltung aller Hygienevorschriften sind hier die einzig wirksame Gegenwehr, und zwar in großen wie kleinen Tierhaltungen gleicher-maßen“, erklärte er. Der Erreger werde über Zugvögel verbreitet, ähnliches gelte für viele andere Krankheitserreger, die früher hierzulande unbekannt gewesen seien und in einer globalisierten Welt zu einer neuen Bedrohung werden könnten.

Als große Chance, aber auch unberechenbares Risiko bezeichnete Hilse die globaler gewordenen Agrarmärkte. „Niedersachsens Bauern werden in dem Agrarland immer mehr erzeugen, als die Menschen hierzulande konsumieren“, verdeutlichte er. Gleichwohl blieben der heimische Markt sowie der europäische Binnenmarkt die wichtigsten Ziele. Steigende Ansprüche der hiesigen Konsumenten träfen aber mit einer ausgeprägten „Schnäppchenmentalität“ zusammen. Das stelle die landwirtschaftlichen Produzenten vor immense Probleme. Zusätzliche Anstrengungen zu mehr Biodiversität, noch genauere Ausbringungstechniken für Düngung und Pflanzenschutz erforderten zunächst höhere Investitionen. Und dafür fehle den Ackerbauern ebenso das Geld wie den Tierhaltern. Entschieden wandte er sich gegen zunehmende Begehrlichkeiten, die europäischen Agrargelder von den Höfen abzuziehen und in Naturschutzprojekte oder die ländliche Entwicklung umlenken zu wollen: „Jeder Euro, der hier umverteilt wird, fehlt auf den Höfen!“.

Die wirtschaftliche Situation auf den Höfen bleibe leider sehr angespannt. Erste Erholungen der Märkte, z.B. bei Milch wie auch Schweinen, könnten zunächst einen Stopp der Talfahrt bewirken. „Unsere Betriebsleiter benötigen eine lange Phase stabil hoher Preise, um die aufgelaufenen Verluste ausgleichen zu können“, verdeutlichte Hilse. „Jeder aufgegebene Hof steht für das Schicksal einer Familie, jedes Einzelschicksal für sich macht uns traurig“, sagte er nachdenklich. Wirtschaftliche Probleme lasteten auf den Familien ebenso wie mangelnde Wertschätzung in der öffentlichen Wahrnehmung, sprach Hilse einen auf den Höfen immer wieder angesprochenen Missstand an. Umso mehr erfreue es die Landwirte, wenn Landesbischof Rolf Meister vor dem Kirchparlament zu mehr Wertschätzung gegenüber Bäuerinnen und Bauern aufrufe. „Unsere Bauern brauchen eine wirtschaftliche Basis für ihre Höfe, damit sie und ihre Familien von dem Ertrag ihrer Arbeit leben können“, appellierte Hilse vor dem Wahljahr 2017 abschließend an die Politik, Veränderungen sinnvoll und im Tempo maßvoll zu gestalten. (LPD 95/2016)