Landirte fordern verlässliche Agrarpolitik

Landirte fordern verlässliche Agrarpolitik -

L P D – Deutschlands Landwirte fühlen sich durch die politische und die gesellschaftliche Debatte über die Landwirtschaft zunehmend verunsichert. Der Deutsche Bauernverband hat die umfangreiche Tagesordnung der in Lüneburg tagenden Agrarminister zum Anlass genommen und eigene Positionen verfasst. Dabei geht es dem Verband um mehr politische Berechenbarkeit bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen, unter anderem in der Tierhaltung. Dies betrifft u.a. die Zukunft der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP), die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes und in besonderer Weise die Zukunft der Nutztierhaltung in Deutschland. „Geltende Gesetze werden immer häufiger hinterfragt, der Veränderungsdruck auf die Tierhaltung hat ein so enormes Tempo und Ausmaß angenommen, dass unsere Tierhalter kaum noch hinterherkommen“, schildert Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV) vor Journalisten in Lüneburg. „Und dann kommen noch unqualifizierte politische Mätzchen wie die Klage Berlins gegen die Vorgaben für die Schweinehaltung hinzu, obwohl es die dort gar nicht gibt“, kritisiert Hemmerling. Gemeinsam mit Albert Schulte to Brinke, Vizepräsident des Landvolkes Niedersachsen, nimmt er zu den Themen Stellung, die bei der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern auf der Tagesordnung stehen.

Als unverzichtbar für eine flächendeckende, wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft ist nach den Worten Hemmerlings eine starke Gemeinsame Agrarpolitik. Als „Herzstück“ bezeichnet er die verlässliche erste Säule und fordert dazu einen stabilen Haushaltsrahmen zur Finanzierung der EU nach 2020. Das sogenannte Greening bedarf nach den bisherigen Erfahrungen in der Praxis einer deutlichen Vereinfachung. Es sollte wie auch die in der 2. Säule angebotenen freiwilligen Programme spürbar entbürokratisiert werden. In einem weiteren Schwerpunkt diskutiert die AMK milchpolitische Instrumente. Hier fordert der Verband einen Schlussstrich unter die in der Vergangenheit geübten Eingriffe in den Markt, an deren Wirksamkeit auch Wissenschaftler erhebliche Zweifel äußern. „In Zukunft sollten die Erzeugerorganisationen ebenso wie die Genossenschaften, die im Eigentum der Landwirte sind, in ihrer Marktposition beispielsweise über das Kartellrecht gegenüber den Lebensmitteleinzelhändlern gestärkt werden. So können zukünftige Preiskrisen für die Landwirte besser stabilisiert werden“, schildert Schulte to Binke.     

Eine erhebliche Verunsicherung beobachtet der Verband nach Darstellung von Hem-merling und Schulte to Brinke bei den Tierhaltern. Dies gelte nach dem „Magdeburger Urteil“ zur Sauenhaltung in besonderer Weise für diese Form der Tierhaltung. Die vom Berliner Senat angekündigte Normenkontrollklage dazu belege, dass „die Politik mittlerweile ihre eigenen Rechtsgrundlagen anzweifelt“, interpretierte Schulte to Brinke und bezeichnete das rechtliche Vakuum als für Tierhalter „unhaltbaren Zustand“. Diese Verunsicherung lässt sich in einem starken Strukturwandel bei den Vieh haltenden Betrieben ablesen. So musste allein in Niedersachsen zwischen 2013 und 2017 nach den Daten der Viehzählung jeder fünfte Schweinehalter aufgeben, bei den Sauenhaltern schied sogar jeder Vierte aus. „Hinter dieser dramatischen Entwicklung steht das Schicksal vieler zumeist kleinerer Betriebe, die vor der Flut der Auflagen kapitulieren mussten“, verdeutlicht Schulte to Brinke.

Diese Einschätzung untermauert für die Landwirte aus der Region Thorsten Riggert, Vorsitzender des Bauernverbandes Nordostniedersachsen (BVNON) und selbst Schweinehalter. Er verweist auf die vielen freiwilligen Initiativen der Tierhalter mit erheblichen Fortschritten zur Erhöhung des Tierwohls. Deshalb fordert er für weitere Innovationen angemessene Zeiträume zur Umsetzung und eine Anpassung der baurechtlichen Grundlagen, die bislang der betrieblichen Weiterentwicklung hin zu mehr Tierwohl im Weg stehen. Diesen Weg favorisiert auch Phillip Harleß aus der jungen Generation. Nach Abschluss der Lehre und vor Beginn des agrarwissenschaftlichen Studiums in Kiel arbeitet er zurzeit auf dem elterlichen Betrieb in Schwienau mit. Seine Eltern leben ihm das Engagement für mehr Tierwohl vor, sie gelten als Pioniere bei der Umsetzung von mehr Tierwohl. Aus den bisherigen Erfahrungen im Beruf weiß er, dass der höhere finanzielle Aufwand allenfalls zu einem kleinen Teil am Markt wieder erlöst werden kann. Bei der Umsetzung von Veränderungen sei dies jedoch essenziell, da auf Dauer nicht am Markt vorbei produziert werden kann. „Für mich als jemand von der jüngeren Generation müssen die Agrarminister verlässliche Perspektiven erarbeiten, die deutlich über eine Legislaturperiode hinaus Bestand haben werden. Nur dann können auch Veränderungen zur Förderung des Tierwohls inhaltlich erarbeitet und umgesetzt werden“, fügt der Junglandwirt an. (LPD 73/2017)