Lasst das Dorf leben

Lasst das Dorf leben - Foto: landpixel
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L P D – Stadt und Dorf sind heute keine Gegensätze mehr, Menschen leben auf dem Land und arbeiten in den Städten oder umgekehrt. Die Moderne ist auf dem Land angekommen, wenngleich die Infrastruktur etwa bei schnellem Internet häufig noch zu wünschen übriglässt. Aber einige Dörfer, insbesondere in abgelegenen Regionen, sehen sich in einer Abwärtsbewegung. Nicht wenige sprechen von einer Existenzkrise des Dorfes, schreibt der Humangeograph Prof. Dr. Gerhard Henkel in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe von „Ländlicher Raum“, die Zeitschrift der Agrarsozialen Gesellschaft in Göttingen. Der Wissenschaftler aus Essen appelliert an Dörfer und Gemeinden, für sich herauszufinden, was ihnen besonders wichtig ist. Henkel kritisiert, wie der Landvolk-Pressedienst aus dem Beitrag zitiert, dass Dörfer und Kommunen in mehrfacher Hinsicht unter der Fernsteuerung und Gängelung durch zentrale Institutionen in Politik und Gesellschaft leiden. Diese stünden der „Provinz“ nicht selten in einer Mischung aus Ignoranz und Arroganz gegenüber. Eine Ursache für den permanenten und zermürbenden Abnutzungskampf der Kommunalpolitik gegenüber Bund und Ländern sieht Henkel in der Gebietsreform der 70er Jahre.  Das Zentrale-Orte-Modell entspricht nach dem Urteil des Wissenschaftlers nicht dem heutigen demokratischen Staatsaufbau von unten nach oben und dem immer wieder geforderten Subsidiaritätsprinzip. Gefragt ist nach seinen Worten vielmehr ein Staat, der seine demokratische Basis „unten“ respektiert, stärkt und wiederbelebt.

Von Medien, schreibt Henkel, werde er häufig gebeten, Stellung zu beziehen zu Fragen und Thesen wie dieser: „Wie sinnvoll ist eine Wiederbelebung des ländlichen Raumes? Landleben ist Luxus – lasst das Dorf sterben!“ Darauf gibt Gerhard Henkel in seinem Artikel eine sehr knappe Antwort: „Das Land, das immerhin 90 Prozent der Fläche Deutschlands ausmacht und auf dem über 50 Prozent der Bevölkerung leben, ist für Staat und Gesellschaft genauso wichtig wie die Großstadt. Schon ökonomisch ist das Land kein Armenhaus der Nation, über 50 Prozent der Wertschöpfung Deutschlands erfolgen hier, viele Weltmarktführer haben ihren Sitz in Dörfern und Kleinstädten. Das Land versorgt die gesamte Gesellschaft mit Lebensmitteln, mit Rohstoffen wie Wasser und Holz und erneuerbarer Energie. Auf dem Land herrscht eine hohe Zufriedenheit mit dem Wohnumfeld. Hier bieten sich bessere Chancen des gesunden Aufwachsens für Kinder und Jugendliche. Ländliche Lebensstile sind „in.“ Es besteht eine hohe Kompetenz, lokale Aufgaben und Probleme ehrenamtlich oder genossenschaftlich anzugehen. Selbstverantwortung und „Anpackkultur“ sind im Dorf tief verwurzelt. Das Land bietet hochwertige Kulturlandschaften und auch eine alternative Lebensform, die durch Natur- und Menschennähe, durch fürsorgendes Denken und Handeln geprägt ist. Daher lautet mein Appell an die Entscheider und Entscheiderinnen in den Zentralen von Politik und Gesellschaft: Lasst das Dorf leben und seine bürgerschaftlichen Kräfte neu entfalten. Und gebt dem Staat damit zugleich seine demokratische Basis zurück!“

Der als „Dorfforscher“ ausgewiesene Humangeograph Prof. Dr. Gerhard Henkel lehrt und forscht am Institut für Geographie der Universität Duisburg-Essen und hat seine Vorschläge in dem Buch „Rettet das Dorf! Was jetzt zu tun ist“ für die Öffentlichkeit aufgearbeitet. Eine umfassende Schilderung dörflichen Lebens, Wirtschaftens und dörflicher Politik und Kultur hat er in dem Band „Das Dorf, Landleben in Deutschland – gestern und heute“ zusammengetragen. Die Zeitschrift „Ländlicher Raum“ mit dem Schwerpunkt Dorf- und Regionalentwicklung, für die Henkel aktuell den Beitrag „Dörfer und Landgemeinden müssen gestärkt, statt weiter geschwächt werden“ geschrieben hat, ist unter dem Link www.asg-goe.de/zeitschrift-aktuell.shtml herunterzuladen. (LPD 81/2018)