Wiederaufbau des Uni-Versuchsguts in Sicht: Tierwohl und Footprint verbessern
Ein gutes halbes Jahr ist seit dem verheerenden Brand auf dem Versuchsgut der Universität Göttingen im südniedersächsischen Dassel-Relliehausen vergangen. Anfang August 2020 verbrannten im Feuer über 1.100 Schweine. Der 2013 errichtete Versuchsstall mit modernster Technik brannte bis auf die Grundmauern nieder und wurde abgerissen. Es entstand ein Schaden von etwa 4 Mio. Euro.
Flatterbänder markieren nun die Fläche, wo nach Vorstellung von Geschäftsführer und Wirtschaftsleiter Dr. Dirk Augustin, nach neunmonatiger Bauzeit Ende 2023 ein Stall mit Außenbereich mit aller notwendiger Technik auf höchstem Standard für die Erforschung des Tierwohls vom Ferkel bis zum Mastschwein entstehen soll. „Wir brauchen für unsere Versuche Ställe mit maximaler Flexibilität. Wenn möglich, möchten wir gerade hier in der südniedersächsischen Region ein Schweinekompetenzzentrum etablieren. Die Pläne sind positiv bewertet worden, zu klären bleibt, was wir finanziell und genehmigungsseitig bauen können“, erklärt Dr. Augustin gegenüber dem Landvolk-Pressedienst.
Wie wichtig der Forschungsbedarf auf diesem Gebiet ist, zeigt die aktuelle Tierwohldiskussion in Politik und Gesellschaft im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wertschöpfung für Umwelt und Landwirtschaft. Neben dem Tierwohl liegt dabei ein großer Aspekt auf die Digitalisierung. „Wie stark belastet die Schweinehaltung die Umwelt? Dazu sind beispielsweise Ammoniakmessungen nötig, Filteranlagen mit Sensoren und ein Haufen Software und Technik, um zu messen, was wie wo mit welcher Fütterung der Tiere, auf welchen Böden und so weiter entsteht“, beschreibt Versuchsgutleiter Augustin das komplexe Thema und seine Vorstellung vom High-Tech-Forschungsstall, der wie alle Ställe das Problem hat, dass er nach vier Jahren schon nicht mehr aktuell ist.
Gerade der Standort Relliehausen am Fuße des Sollings sei nach Augustins Ansicht sehr gut geeignet, da Südniedersachsen keine Nährstoffüberschüsse aufweise. „Mit einem Schweinekompetenzzentrum als Leuchtturmprojekt für Südniedersachsen können wir Seminare zu den verschiedensten Themen wie Tierwohl, Ringelschwanz, Kastration, Geruch oder Fütterung anbieten, denn die Uni Göttingen ist sehr breit aufgestellt“, führt Augustin aus. Mit kurzen Wegen auf dem Gelände, der Biogasanlage und einem eigenen Versuchsschlachthaus könne die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet werden. Dirk Augustins Ziel ist, den gesamten Footprint, den die Schweinehaltung hinterlässt, zu minimieren.
Einst waren in der 2013 erbauten Sauenanlage mit Mastplätzen 150 Sauen untergebracht, 4.000 Schweine wurden gemästet und die weiteren Ferkel verkauft. Diese Größe peilt Augustin grob wieder an – aber aufgeteilt in zwei Systemen: zum einen als konventioneller Stall mit strukturierten Buchten, Spaltenböden und modernster Technik, zum anderen mit Außenbereich und einem Platzangebot, der dem Biostandard entsprechen würde – ohne dafür die höheren Erlöse zu bekommen.
Landwirtschafts- und Kultusministerium haben grünes Licht gegeben. „Wenn die Gelder freigegeben sind, beginnen die konkreten Planungen, damit Ende 2023 wieder in Relliehausen zum Wohle der Schweine-Nutztierhaltung geforscht werden kann. Mit Sensortechnik gewinnen wir komplexe Daten, die für die Schweinehaltung Verbesserungen bringen. Das ist es, was Politik und Gesellschaft, aber auch die Landwirtschaft gleichermaßen benötigt, um nachhaltig und tierwohlorientiert wirtschaften zu können“, erklärt Dirk Augustin abschließend.
(LPD 24/2021)