Zukünftige GAP: „Eine Bankrotterklärung der Politik“

Heuballen im Grünland
Zukünftig gibt es neun GLÖZ-Standards, die den „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ von Flächen bezeichnen Foto: Landvolk Niedersachsen
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Landvolk-Strukturreferent Dr. Wilfried Steffens im LAND & Forst-Podcast

L P D – Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zieht sich immer länger hin. „Die Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament waren schon früher langwierig. durch die Beteiligung des Parlaments verzögert es sich jetzt aber enorm“, sagt Dr. Wilfried Steffens, Experte für Agrarpolitik beim Landvolk Niedersachsen. Im Podcast „Die Wegweiser“ mit dem landwirtschaftlichen Wochenblatt LAND & Forst erläutert er den Stand der Verhandlungen und was zukünftig auf die Landwirte zukommen wird. Ein weiterer Grund für die Verzögerungen sei, dass die Mitgliedstaaten teilweise sehr unterschiedliche Positionen bei bestimmten Themen haben. „Tierwohl spielt bei uns eine wichtige Rolle, in anderen Mitgliedsstaaten der EU sieht das ganz anders aus“, nennt der langjährige Referent ein Beispiel für Diskussionen. Das vollständige Gespräch ist im LAND &Forst-Podcast „Die Wegweiser“ ab heute unter https://www.landundforst.de/landwirtschaft/agrarpolitik/land-forst-wegweiser-gemeinsame-agrarpolitik-gap-566206 zu hören.

Und das, obwohl sich am grundsätzlichen Aufbau des Direktzahlungssystems künftig fast nichts ändere. Viele Prämien bekommen lediglich einen neuen Namen. „So wird aus der Basisprämie die Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit“, sagt Steffens. Das Greening, das bisher für die Landwirte verpflichtend ist, wenn sie Direktzahlungen erhalten wollen, wird komplett gestrichen. Dafür waren 30 Prozent des Geldes der ersten Säule vorgesehen. Angeboten werden stattdessen freiwillige, jährliche Prämien für spezifische Klima- und Umweltmaßnahmen. „Das sind Eco Schemes, für die der Mitgliedstaat Maßnahmen anbieten muss. Ob der Landwirt von diesem Angebot Gebrauch macht, kann er aber frei entscheiden“, fasst Steffens zusammen.

Zuwachs gibt es bei den so genannten GLÖZ-Standards, die den „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ von Flächen bezeichnen. Davon gibt es insgesamt künftig neun Stück. „Drei davon werden besonders den Futterbaubetrieben in Niedersachsen zu schaffen machen“, ist sich Steffens sicher. In GLÖZ 2 gehe es beispielsweise um einen geeigneten Schutz von Feuchtgebieten und Torfmooren. „Dort darf Dauergrünland nicht umgewandelt oder gepflügt werden“, erläutert der Strukturreferent.

Eine weitere Herausforderung wartet in GLÖZ 4 auf die Futterbaubetriebe. „Nach dem Standard soll künftig auf einem drei Meter breiten Streifen entlang bestimmter Gewässer das Ausbringen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln untersagt sein“, führt Steffens aus. Der Experte weist darauf hin, dass die Schaffung von Gewässerrandstreifen mit den Vereinbarungen zum Niedersächsischen Weg kollidieren. Ausgleichszahlungen wären dann nicht mehr möglich.

Der GLÖZ 10-Standard verbietet die Umwandlung von Dauergrünland in FFH- oder Vogelschutzgebieten. „Für FFH-Gebiete hatten wir dies auch schon früher, das Verbot der Umwandlung in Vogelschutzgebieten ist neu“, resümiert Steffens. Er befürchtet erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen dieser drei Standards vor allem für die Milchviehbetriebe im Norden.

In intensiven Verhandlungen werde daher versucht, Erleichterungen für die Landwirte zu erreichen. „Aber im Großen und Ganzen geht es mit den Prämien runter und durch die Auflagen werden die Betriebe sehr, sehr unterschiedlich betroffen sein“, prophezeit Steffens. Die Landwirte seien bereit, ihren Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz zu leisten, es müsse aber auch finanziell machbar sein. „Es nützt doch niemandem, wenn der Landwirt seinen Hof aufgeben muss, weil er unter diesen Bedingungen die Bewirtschaftung nicht mehr aufrechterhalten kann. Diese ungleiche Belastung ist ein Riesenproblem“, prangert der Strukturreferent an.

Es könne daher passieren, dass die Bauern auf die Zahlungen verzichten und nach Fachrecht produzieren. „Bekommen wir es nicht hin, dass zum Beispiel die Milchviehhalter auf den Moorstandorten ihre Grasnarbe so erhalten können, dass sich die Bewirtschaftung weiterhin lohnt und dort auch weiterhin Milch erzeugt werden kann, werden die Landwirte nicht sofort in 2023 keinen GAP-Antrag mehr stellen. Aber die Flächen werden im Laufe der Jahre immer schwerer zu bewirtschaften sein“, erläutert Steffens.

Er vermutet, dass viele Landwirte im kommenden Jahr eine Grasnarbenerneuerung beantragen und damit einige Jahre wirtschaften werden. Danach könnte es jedoch sehr schwierig werden, wenn sich nichts an den geplanten Regularien ändert. „Dann könnte es sein, dass sich die Betriebe dafür entscheiden, keine Anträge mehr zu stellen“, vermutet er.

Falls das so komme, wäre das seiner Meinung nach für die Politik eine Katastrophe. Sie verliere damit ein Mittel, mit dem sie bestimmte Entwicklungen lenken kann. „Wenn man keinen Antragsteller mehr hat, kann man ihn auch nicht mehr zu GLÖZ-Standards verpflichten. Im Grunde wäre das eine Bankrotterklärung der Politik“, fasst er zusammen. (LPD 77/2021)

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