Gurt rettete schwerverletztem Landwirt das Leben

Michael Kappel
„Wenn man einen so schweren Trecker-Unfall überlebt und nach monatelangen Krankenhausaufenthalten und Reha-Maßnahmen wieder gemeinsam mit Frau und Sohn Weihnachten feiern darf, dann blickt man anders auf das Leben. Ich bin froh, dass ich auf dem Trecker angeschnallt war“, berichtet Michael Kappel aus Dörverden Foto: Landvolk
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Michael Kappel appelliert an Kollegen, Sicherheits- und Hilfsmaßnahmen umzusetzen

L P D – Landwirt Michael Kappel hat sein Weihnachtsgeschenk schon bekommen und wird mit großer Demut und Dankbarkeit die Weihnachstage mit seiner Familie verbringen. „Wenn man einen so schweren Trecker-Unfall überlebt und nach monatelangen Krankenhausaufenthalten und Reha-Maßnahmen wieder gemeinsam mit Frau und Sohn Weihnachten feiern darf, dann blickt man anders auf das Leben. Ich bin froh, dass ich auf dem Trecker angeschnallt war“, berichtet der 52-jährige Landwirt aus Dörverden im Landkreis Verden gegenüber dem Landvolk-Pressedienst. Dass das Anschnallen auf dem modernen Schlepper für ihn schon immer eine Selbstverständlichkeit war, hat dem Bio-Landwirt am 17. Mai 2024 das Leben gerettet. „Mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma inklusive Hirnblutungen wurde ich nach Hamburg in das für Kopfverletzungen spezialisierte Bundeswehrkrankenhaus geflogen. Alle Ärzte waren sich einig: Ohne Beckengurt hätte ich diesen Unfall nicht überlebt.“

Wie sich der Unfall ereignete, weiß der Landwirt bis heute nicht. „Ich bin zum Kaffee wieder zurück“ verabschiedete sich Kappel an jenem Freitag vor Pfingsten nach dem Mittagessen von Frau und Sohn und fuhr mit dem Striegel zum Feld. Laut den Verkehrsunfallexperten löste sich durch einen technischen Defekt der Striegel aus der Transportsicherung, streifte einen Baum und schleuderte dann den Traktor gegen einen Baum. „Mein Glück war, dass ich nicht schnell gefahren bin und, dass die Erst-Helferin am Unfallort super agierte und sofort den Notruf absetzte“, verweist Kappel darauf, wie wichtig das Durchführen und Auffrischen von Erste-Hilfe-Kursen sowie Vorsorgevollmachten – auch auf landwirtschaftlichen Betrieben – sind.

Operationen und Krankenhausaufenthalte folgten. Als Kappel nach einer Woche aus dem Koma erwachte, besaß er nur 20 Prozent Sehkraft, konnte weder sprechen, sitzen noch laufen. „Das alles musste ich wieder lernen, es wurde sofort mit der Therapie begonnen – und zum Glück kam auch die Langzeiterinnerung zurück“, schildert der Vater eines elfjährigen Sohnes seinen schweren Weg zurück ins Leben. Das Trauma verbunden mit geistigen Leistungsproblemen bestehe weiterhin, sodass es ihm schwerfalle, langen, schwierigen Gesprächen zu folgen. „Das dauert!“, gibt sich Michael Kappel zuversichtlich und nimmt jede Hilfe an, die ihn auf seinem Weg weiter voranbringt.

„Es hat mich sehr berührt, dass sich so viele Menschen um meine Familie gekümmert haben“, ist der Bio-Landwirt dankbar. Auch den Betrieb, den Kappel 2017 auf Bio umgestellt hat und der nun schon über ein halbes Jahr ohne ihn auskommen muss, haben seine Aushilfskräfte und Freunde in seinem Sinne weitergeführt. „Zwar konnte nicht das gesamte Portfolio mit Kartoffel, Mais, Sonnenblumen, Hanf, Soja, Getreide, Erbsen und Ackerbohnen angebaut werden, sondern sie haben sich auf Kartoffel und Mais beschränkt – und das ist gut so“, sagt Kappel, der seit fünf Wochen wieder Auto fahren darf und als Beifahrer auch schon wieder auf einem Trecker gesessen hat.

„Anschnallen auf dem Trecker ist nicht die Regel: Von 100 Landwirten schnallen sich 99 nicht an“, weiß Kappel aus Erfahrung, obwohl der Beckengurt mittlerweile in Traktoren zur Standardausrüstung gehört. Der Landwirtschaftsmeister hat viel Verständnis für seine Berufskolleginnen und -kollegen und deren Arbeitsalltag: Doch nach seinem Traktor-Unfall möchte er sie nicht nur für das Anschnallen, sondern sie vor allem dahingehend sensibilisieren, wenn es um Sicherheit auf den landwirtschaftlichen Betrieben geht. Und er fragt sich, warum es in einem über 100.000 Euro teuren Traktor standardmäßig keinen Sitz mit Drei-Punkt-Gurt gibt?

Die Unterstützung seitens der Berufsgenossenschaft (BG) und der Sozialversicherung (SVLFG) sieht Kappel hingegen zwiegespalten: „Medizinisch wurde und wird alles für mich getan und bezahlt – dafür bin ich dankbar. Aber das System ist zu bürokratisch. Das fängt bei der komplizierten Antragsflut für das Verletzten- und Krankengeld an und hört beim schlechten Fallmanagement auf. Denen ist es egal, ob der Betrieb dabei drauf geht“, versteht Kappel das Selbstverständnis von BG und SVLFG nicht, die doch eigentlich „pro Landwirtschaft“ handeln müssten.

Daher weiß er auch noch nicht, wie es mit seinem Vollerwerbsbetrieb mit 100 Hektar Ackerbau und seiner Arbeit als landwirtschaftlicher Dienstleistungsunternehmer nun weitergehen wird. „Mein Betrieb ist, wie viele andere auch, so gestrickt, dass mir nichts passieren darf“, macht sich der Landwirtschaftsmeister Gedanken nicht nur über seine Zukunft, sondern ihm ist es ein Anliegen, dass auch Kolleginnen und Kollegen sich bei solchen Ereignissen Hilfe suchen. „Ich bekomme in meiner Reha Hilfe in Form von Psychologischer Therapie, und es gibt Selbsthilfegruppen. Man sollte sich nicht dafür schämen, sondern offen damit umgehen. Das tut mir und auch den Angehörigen gut“, ermutigt Michael Kappen, in schweren Zeiten nicht zu warten, sondern zu handeln. (LPD 96/2024)

Silke Breustedt-Muschalla

Redakteurin

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