Hanf wächst wie Unkraut und hält selbiges in Schach

Hanf
Foto: Landvolk Niedersachsen
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Vielfältige Nutzpflanze dient als Pollenfänger bei den Rüben

L P D – Aufmerksamen Autofahrern fällt eine Pflanze am Rand der Bundesstraße 3 in Südniedersachsen ins Auge. Was anfangs erst kniehoch buschig wuchs und kaum zu sehen war, steht jetzt gut drei Meter hoch am Feldrand und ist an seiner markanten Blattstruktur erkennbar: Hanf. Die KWS Saat verwendet den THC-freien Nutzhanf auf ihren Versuchsfeldern für Zuckerrüben rund um den Standort Einbeck. Er diene zur Abschirmung des Pollenfluges zwischen den Saatgutproduktionen und vermeide so Einstäubungen, erklärt Sina Barnkothe von der KWS auf Nachfrage gegenüber dem Landvolk-Pressedienst.

Dabei handele es sich um eine gängige Methode. Die bis zu fünf Meter hoch werdenden Pflanzen, die weder als Rausch- noch als Arzneimittel geeignet sind, dienen auf dem Feld als Trennwände, in denen verschiedene Materialgruppen stehen. Ohne diese Abtrennung müsste für jede Materialgruppe ein separates Feld angelegt werden, beschreibt die KWS die Funktion der grünen Mauer. Mit dem Hanf als Pollenschutz bzw. -fänger können so mehrere Materialgruppen in einem langen Trennwand-Streifen stehen.

Hanf wird seit Jahrhunderten in der Rübenzucht als Isolationspflanze eingesetzt. Dank des schnellen Wachstums, hoher Blätterdichte und rauer, klebriger Blätter bildet Hanf einen idealen Schutzwall gegen ungewollte Bestäubung der Rüben. Er ist zudem sehr resistent gegen Unkräuter. Früher wurden ganze Hanfhecken um die Felder herumgepflanzt, um Schädlinge abzuhalten, beschreibt eine Kurzstudie vom Katalyse-Institut für angewandte Umweltforschung Köln. Diese bezieht sich auf „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ aus dem Zweitausendeins-Verlag. Als eine der ältesten Kulturpflanzen erlebt die schon oft in Vergessenheit geratene universelle Nutzpflanze, aus deren Bastfasern schon vor über 4.000 Jahren v. Chr. Stoffe gewebt und Seile gemacht wurden, immer wieder ihr Revival. Im 19. Jahrhundert sorgte die maschinelle Baumwollverarbeitung für den Rückgang des Hanfanbaus in Deutschland. Von einst fast 22.000 Hektar im Jahr 1878 sank er 1915 auf 417 ha. Die beiden Weltkriege sorgten für ein erneutes Anbauhoch mit 21.000 ha. Mit der Erfindung der Kunstfasern wurden Hanffasern in den 1950-er Jahren bedeutungslos, und das verschärfte Betäubungsmittelgesetz von 1982 verbot den Hanfanbau aufgrund des THC-Gehalts – das galt auch für Sorten, die praktisch THC-frei sind. Nur als Isolationspflanze im Rübenanbau war der Anbau weiter erlaubt. Mit dem Aufkommen der Öko-Themen Mitte der 1980-er Jahre wurde Hanf als nachwachsender Rohstoff für Landwirtschaft und Industrie wieder interessant. Der von der KWS eingesetzte Nutzhanf wird Ende April gedrillt und nach der Zuckerrübenblüte gehäckselt. 2019 bauten 575 Betriebe in Deutschland Nutzhanf auf 4.508 ha an, Niedersachsens Flächenanteil lag hier 2016 bei 464 ha mit 46 Betrieben. (LPD 67/2020)